Stranded Assets: Umnutzung statt Abriss und Neubau

Bei alten Gebäuden sind Abriss und Neubau nicht immer die beste Lösung. Seit der Explosion der Baukosten auch nicht mehr die günstigste. Sanierungen und Umnutzungen können eine Alternative sein, die sich für alle Beteiligten lohnt – und zum Klimaschutz beiträgt.

Sanierungsstau, ESG-Anforderungen, sinkende Flächennachfrage: Zahlreiche Immobilien drohen wegen Überalterung unbrauchbar zu werden. Allein bei Büroimmobilien in den sieben größten deutschen Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart könnten bis zu 69 Prozent der Immobilien zu "Stranded Assets" werden. Das hat Colliers in einer Studie zu Obsoleszenzrisiken herausgefunden. Aber muss es immer Abriss und Neubau sein? Können Gebäude nicht auch anders genutzt werden, als es ursprünglich vorgesehen war?

Wohnungsmangel: Potenzial zur Umnutzung in den "Top 7"

Mit genau dieser Frage haben sich jüngst die Researcher von JLL beschäftigt. Für die "Top 7"-Metropolen haben sie ermittelt, wie groß das Potenzial für Umnutzungen von Büroimmobilien zu Wohngebäuden ist. Drei Ergebnisse sind bemerkenswert: Immerhin 40 Prozent des Wohnungsbedarfs, also 20.000 der 51.000 bis 2025 nötigen Wohneinheiten, lassen sich durch Umnutzungen decken.

Der zweite Punkt ist, dass dies im Vergleich zum Neubau äußerst kurzfristig gelingen kann: Das Jahr 2025 ist in greifbarer Nähe. Das dritte Ergebnis wird vor allem Investoren und Projektentwickler aufhorchen lassen: Die Umbaukosten bewegen sich, grundsätzliche Eignung vorausgesetzt, je nach Gebäude in der Spanne von 1.700 bis 2.200 Euro pro Quadratmeter. Das sind fast 50 Prozent weniger als bei Neubauten.

Umnutzung: Was sind Faktoren für Wirtschaftlichkeit?

Ob der Umbau wirtschaftlich ist, hängt nicht nur von der Marktsituation ab, sondern auch erheblich von den technischen Merkmalen des Gebäudes, also Grundriss, Gesamtfläche, baulicher Zustand und Energieeffizienz. Mit den Details hierzu hat sich die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen im Rahmen der Studie "Wohnungsbau: Die Zukunft des Bestandes" aus dem Jahr 2022 beschäftigt.

Ungünstig sind asbestbelastete Gebäude, bei denen Sanierungskosten mit 150 bis 500 Euro pro Quadratmeter zu Buche schlagen. Problematisch sind auch Gebäude aus der Wiederaufbauphase, bei denen Substitutionsbaustoffe mit Haltbarkeitsproblemen und unzureichende Tragwerkskonstruktionen verbaut wurden. Ein weiteres K.O.-Kriterium sind zu geringe Geschoss- respektive Raumhöhen. Weniger als 2,65 biehungsweise 2,40 Meter führen meistens zum Abriss, da keine Schall- und Wärmedämmungen mehr nachgerüstet werden können. Ab Ende der 1970er-Jahre kamen Großraumbüros in Mode, die zu für Wohnungen ungünstigen Gebäudetiefen geführt haben.

Industria, Frankfurt Lyoner Straße und Hildegardis Mainz

Bürohäuser aus der Nachkriegszeit: Kostengünstige Umnutzungen

Besser geeignet für Umnutzungen sind Büro- und Verwaltungsgebäude der 1950er- bis 1970er-Jahre mit Stahlträgern in den Außenwänden und Skelettkonstruktionen, die die Traglast hauptsächlich über die Außenwände abführen. Sie begünstigen die flexible Umgestaltung der Innenraumaufteilung.

Ein Beispiel ist ein Bürohochhaus in der Lyoner Straße in Frankfurt am Main, das 1965 als Teil der Bürostadt Niederrad errichtet wurde. Nach der Abkehr vom städtebaulichen Leitbild der Funktionstrennung hin zur Funktionsmischung und vor dem Hintergrund stark gestiegener Büroleerstände wurde das Gebäude 2009 bis 2010 auf 17 Stockwerke aufgestockt und zu einem Wohngebäude mit 98 Wohneinheiten umgebaut. Passende Versorgungseinrichtungen kamen in der Folgezeit hinzu und machten auch das Umfeld lebenswerter. 2016 wurde das Gebäude vom Indusria-Fonds "Fokus Wohnen Deutschland" übernommen.

Bei den Gebäuden aus der Zeit vor den 1950er-Jahren handelt es sich häufig um Mauerwerksbauten mit wenig flexiblen Grundrissen. Tragende Innenwände lassen sich ohne aufwändige und teure Ersatzlösungen nicht verschieben oder entfernen. Aber auch solche Gebäude können, in ein passendes Rahmenkonzept eingebettet, in Wohnungen umgewandelt werden. In Mainz wurde beispielsweise nach vier Jahren Bauzeit jüngst die Umnutzung des Hildegardis-Krankenhauses, das 1912 gebaut wurde, abgeschlossen.

Best Case: Ehemaliges Krankenhaus wird Wohnquartier

Das historische Haupthaus und das Nebengebäude blieben erhalten und wurden kernsaniert. Gemeinsam mit den Wohnungsneubauten verfügt das ehemalige Krankenhausareal in Köln heute über 351 Wohneinheiten, von denen 105 öffentlich gefördert sind. Fast alle Wohnungen sind vermietet und befinden sich über eine von der Industria eigens für dieses Projekt aufgelegten Investment KG im Eigentum von institutionellen Investoren.

Je jünger das Gebäude, desto eher wurden die Grundrisse in Leichtbauweise ausgeführt. Das macht sie für Umnutzungen flexibler, da neue Raumaufteilungen einfacher zu realisieren sind. In Köln profitierte die HIH Invest von dieser Gebäudeeigenschaft, als sie jüngst den Umbau des ehemaligen Sitzes des Kabelnetzbetreibers Unitymedia im Stadtteil Müngersdorf zu einem Gymnasium abschloss und für 30 Jahre an die Stadt Köln vermietete. Der Umbau des Gebäudes mit Baujahr 1998 rechnet sich – sowohl für den Investor als auch für die Stadt –, auch wenn er sehr umfangreich ausfiel.

Erforderlich war nicht nur eine andere Raumaufteilung mit Klassen- und Gemeinschaftsräumen, sondern es mussten auch in den Haupttreppenhäusern die Treppen verbreitert und die Stufenhöhe angepasst werden. Hinzu kamen eine neue Belüftungsanlage und verschärfte Brandschutz- sowie Schallschutzmaßnahmen. Um den Schallschutzanforderungen zu genügen, musste beispielsweise die Verglasung in Teilbereichen getauscht und partiell durch eine komplette Fensterfront vor die bestehende ergänzt werden. Auf der Rückseite des Gebäudes wurde ein Pausenhof mit neuen Fußwegen und Sitzmöglichkeiten geschaffen.

The Base Pankow

Konversion: Firmenareal wird Serviced-Apartment-Haus

Eine völlig andere Nutzung hat auch der ehemalige Sitz der DDR-Devisenbeschaffungsfirma Intrac in Berlin erfahren – begünstigt durch die Marktsituation, die Nachbarschaftsverhältnisse und die Gebäudestruktur. Das Gebäude in Pankow stammt aus den 1970er-Jahren und besteht aus einem Vorderhaus und einem Seitenflügel, der mit einer Brandschutzmauer direkt an das Nachbargebäude angrenzt. Es befindet sich in einem Wohnviertel, hätte also als Bürogebäude aufgrund des eher untypischen Standortes und des zunehmenden Büroleerstandes in Berlin eher schlechte Wettbewerbschancen gehabt . Einer Umnutzung in eine reine Wohnimmobilie standen die Vorgaben des Grundrisses entgegen. Im Seitenflügel hätte es wegen der Gebäudetiefe Wohnungen mit zahlreichen fensterlosen Räumen gegeben.

Daher wurde das Gebäude zu einem Apartment-Haus für temporäres gewerbliches Wohnen der Marke "The Base" umgebaut. Der Bedarf ist groß genug. Und die vorhandene Bausubstanz weiter zu nutzen, war allemal günstiger als Abriss und Neubau. Das Haus wurde entkernt, mit zusätzlichen Versorgungssträngen durchzogen und aufgestockt. Vorgegeben durch das Fensterraster wurden die Geschosse mit neuen Innenwänden auf insgesamt 318 Apartments mit Wohnflächen zwischen 18 und 25 Quadratmetern aufgeteilt. In den tief im Inneren des Seitenflügels liegenden Bereichen wurden Gemeinschaftsküchen, ein Kino, ein Meditationsraum, Lounges und diverse andere gemeinschaftlich nutzbare Räume und Bereiche eingerichtet. 2023 eröffnete das gesamte "The Base Berlin One" schließlich als größtes Co-Living-Projekt der Stadt und ist nahezu vollständig ausgelastet.

Umnutzungsprojekte: Auch gut fürs Klima 

Umnutzungen haben nicht nur das Potenzial, den Geldbeutel zu schonen, sondern auch das Klima, schlussfolgerte die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen aus ihren Berechnungen der CO2-Emissionen bei Umnutzungsprojekten. Die Nutzung großer Teile der vorhandenen Bausubstanz, die energetische Ertüchtigung des Bestands und die Reduktion des Pendelverkehrs führt zu einer CO2-Einsparung von zirka fünf bis neun Millionen Tonnen pro Jahr. Sektorenübergreifend betrachtet würde das einer CO2-neutralen Vollmodernisierung von rund 3,4 Millionen Wohnungen beziehungsweise einer Sanierungsrate im Wohngebäudebereich um etwa 50 Prozent auf 1,5 Prozent pro Jahr entsprechen.

Auch aus klimapolitischer Sicht klingt das vernünftig. Es könnte und sollte dazu führen, dass solche – zugegebenermaßen komplexen – Bauprojekte, in denen Köpfchen gefragt ist, in Zukunft besser unterstützt und gefördert werden als bisher.


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Schlagworte zum Thema:  Umnutzung, Asset Management, Neubau, Klimaschutz