ESG: Social Impact Investing in der Immobilienbranche

Bei der Expo Real werden ESG-Themen eine dominante Rolle einnehmen. Dabei ist das "S" das noch am wenigsten beachtete Element. Susanne Eickermann Riepe erklärt am Beispiel Social Impact Investing, wie die Immobilienbranche ihrer Verantwortung gerecht werden kann.

Wenn man ESG hört, denkt man vor allem an die Umwelt oder den Klimawandel. Aber wie steht es um soziales Engagement, das sich hinter dem "S" verbirgt? 

Susanne Eickermann-Riepe: Das "S" steht in der Mitte zwischen "E" und "G" und nimmt damit eine zentrale Stellung ein ...

In der Branche wird es aber eher stiefmütterlich behandelt. Muss sich das ändern?

Wenn es uns nicht gelingt, die Bedürfnisse der Workforce, der Customer und der Communities / Society (vgl. Social Taxonomy) in den nachhaltigen Umbau zu intergieren, wird das zu Spannungen führen. Die möglichst gleichberechtigte Förderung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten ist Voraussetzung für eine stabile und nachhaltige finanzielle Leistungsfähigkeit, aber auch für eine stabile Gesellschaft, die künftige Generationen nicht mit zusätzlichen Risiken belastet, sondern Chancen für alle Stakeholder nutzt. Wir müssen uns zudem darüber im Klaren sein, dass die großen Vermögensverwalter in ihrer Kapitalallokation auch das "S" berücksichtigen und dafür geeignete Produkte am Kapitalmarkt suchen. Mit wirkungsorientieren und nachhaltigen Immobilien können wir dazu einen Beitrag leisten.

Damit wären wir schon beim Thema: Social Impact Investing ...

Genau, ein Gebäude ist nämlich mehr als nur eine Hülle, die Raum zum Wohnen, Leben und Arbeiten ermöglicht. Ob dahinter ein lang erträumter Wohnraum, ein modernes und flexibles Office, eine coole Projektentwicklung, ein Landmark Building und ein Wahrzeichen von Städten oder die raumbildende Hülle für die schönen Plätze dieser Welt steckt, man braucht Gebäude. Beim Social Impact Investing werden zusätzliche Maßnahmen ergriffen, um eine zusätzliche Wirkung zu erzielen.

Eine zusätzliche Wirkung was kann man sich darunter vorstellen?

Nun, Kapital ist nicht neutral – jede Investition hat auch eine soziale und / oder ökologische Wirkung. Dabei zielen ESG-Anlagekriterien auf die Vermeidung von sozialen und ökologischen Schäden ab. Impact Investments gehen noch einen Schritt weiter: Sie wollen Teil der Lösung dringender gesellschaftlicher Herausforderungen sein ("contribute to solutions").

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Eines der bekanntesten Themen ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum: Fehlender bezahlbarer Wohnraum verstärkt die Gegensätze zwischen Arm und Reich und verschärft soziale Spannungen, etwa durch Überbelegung von Wohneinheiten, Verdrängungs- und Gentrifizierungseffekte sowie zunehmende soziale Segregation in geografisch getrennte, sozial homogene Wohnviertel. Durch die Bereitstellung von zusätzlichem bezahlbarem Wohnraum können wirkungsorientierte Investoren dabei helfen, solche Negativentwicklungen zu vermeiden oder abzumildern, und auf diese Weise einen Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt leisten. Auch die Quartiersentwicklung kann eine wirkungsorientierte Investition sein. Analog zum bezahlbaren Wohnen hängt auch bei der nachhaltigen Quartiersentwicklung der Wirkungserfolg davon ab, dass benachteiligte oder unterversorgte Zielgruppen von Beginn an definiert werden. Aber auch andere Assetklassen bieten Spielraum für wirkungsorientierte Investments.

Als da wären?

Nehmen wir die Pflegeheime als Beispiel. Es reicht nicht, nur für die Bewohner eine angemessene Umgebung zu schaffen, sondern auch für die Beschäftigten. Der Fachkräftemangel wird dazu führen, dass zusätzliche Rahmenbedingungen zur Erhaltung der Attraktivität geschaffen werden müssen. Gleiches gilt überall dort, wo Menschen entfernt von ihrem Wohnort arbeiten und für diese Zeit eine angemessene Unterbringung, medizinische Versorgung aber auch Infrastruktur zu schaffen.

Okay, aber wie lässt sich "Social Impact" – also die tatsächliche Wirkung in der Praxis – bemessen? Gibt es dafür auch schon Beispiele?

Ja, ein gutes sind erste Artikel-9-Fonds, die diese Wirkungen in ihren Anlagestrategien verankern. Sei es die Bereitstellung von Flächen zu einem reduzierten Mietzins, um die Diversität zu fördern und bestimmten Gruppen Zugang zu Flächen in teuren Lagen zu bieten, oder die Gestaltung belebter und liebenswerter Nachbarschaften durch einen entsprechenden Nutzungsmix. Für die Banken als Finanzierer und die Investoren ist dabei die Messbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Kriterien und das kontinuierliche Monitoring von besonderer Bedeutung. Daher müssen die Kriterien einfach und übersichtlich gestaltet sein. Ob es eine Nutzergruppe, eine Nutzung oder eine Kombination von beidem ist, hängt stark von den Zielen der Anlagestrategie und dem Projekt selbst ab. Mit einem ersten Scoring Modell hat das ICG dazu Hilfestellung gegeben und die sozialen Kriterien eingebettet.

Zu guter Letzt eine Frage zur Podiumsdiskussion "Social Impact Investing" im Rahmen der Expo Real 2022, an der Sie teilnehmen werden: Welchen Diskurs erhoffen Sie sich?

Im aktuellen Marktumfeld wird es nicht einfach, die Aufmerksamkeit auf das Social Impact Investing zu lenken. Aber wir müssen uns mit den Rahmenbedingungen der Zukunft auseinandersetzen und nicht nur bis zum nächsten Geschäftsjahr denken. Die Nachhaltigkeitsthemen werden uns noch intensiver beschäftigen, als wir es uns bisher vorstellen. Die nächste Generation wird ihre Vorstellungen immer intensiver formulieren und im Sinne der Generationengerechtigkeit müssen wir ihnen zuhören. Wenn soziale Fragen Einzug halten in die Baulandpolitik, in Projektentwicklungen, in Genehmigungsprozesse und die betrieblichen Abläufe, dann sind wir gezwungen zu reagieren. Es ist doch viel besser, sich darauf vorzubereiten und den Austausch zu suchen. 

Susanne Eickermann-Riepe ist unter anderem Vorstandsvorsitzende der RICS Deutschland und des Instituts für Corporate Governance in der Deutschen Immobilienwirtschaft (ICG).

Podiumsdiskussion auf der Expo Real 2022

Social Impact Investing das "S" in ESG

mit Isabella Chacón Troidl, CIO BNP Paribas Real Estate Investment Management Germany GmbH, Susanne Eickermann-Riepe, Kerstin Hennig, EBS Real Estate Management Institute und Marcus Buder, Gewerbliche Immobilienfinanzierung der Berliner Sparkasse. Moderation: Markus Gerharz, Programmleiter Rotonda Business Club.

5.10.2022, 15:20 - 16:20 Uhr | Halle C1, Konferenzraum C12

BNP Paribas Real Estate Investment Management Germany GmbH

Vortragssprache: Deutsch


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