Obsoleszenzrisiken bei Büroimmobilien: Wohnen als Ausweg?

Mehr als 75 Millionen Quadratmeter Büroflächen in deutschen Städten sind wegen notwendiger ESG-Anforderungen von einer wirtschaftlichen Obsoleszenz bedroht, heißt es in einem Report – oft setzen Investoren auf Umnutzung in Wohnungen. Das rentiert sich wirtschaftlich nicht immer. Gibt es Auswege?  

Am Homeoffice-Trend liegt es nicht: In den A- und B-Städten in Deutschland sind rund 75 Millionen Quadratmeter Büroflächen von einer wirtschaftlichen Obsoleszenz bedroht. Grund sind notwendige Investitionen, um die aktuellen ESG-Anforderungen zu erfüllen. Das stellt Investoren und Eigentümer vor ökonomische Herausforderungen.

Eine Umnutzung in Wohnimmobilien würde sich nur für 15 bis 20 Millionen Quadratmeter eignen. Damit könnten 170.000 bis 200.000 neue Wohnungen in den 21 untersuchten Städten geschaffen werden. Ökologisch würde sich das lohnen: Gegenüber einem Neubau könnten so 4,2 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.

Das sind Ergebnisse einer Studie von Garbe Institutional Capital, PwC Deutschland und Colliers. Mit einem Wirtschaftlichkeitsmodel wird dargelegt, unter welchen Marktfaktoren eine Konversion in alternative Nutzungsformen attraktiv erscheint.

Umnutzungspotenziale zum Wohnen

Wohnen und Life Science wurden in der Studie aufgrund mehrerer Faktoren als vorteilhafte Umnutzungsmöglichkeit für wirtschaftlich gefährdete Büroimmobilien identifiziert. Im Wohnsegment unter anderem wegen des erheblichen Nachfrageüberhangs in den Städten. Der Life-Science-Sektor verspricht angesichts sich überschneidender Trends von technologischer Innovation und wachsender Nachfrage großes Potenzial für nachhaltiges Wachstum und stellt eine zukunftsstarke Immobilienklasse dar.

"Konversionen von Büro- in Wohnimmobilien eignen sich aufgrund der hohen benötigten Mieten für eine rentable Projektentwicklung im höheren Mietsegment, kaum aber für sozialen Wohnraum", sagt Andreas Höfner, Head of Germany, Head of Research & Strategy bei Garbe. Eine Fortsetzung der Mietpreisdynamik im Wohnsektor könne die Wirtschaftlichkeit der Umnutzung erhöhen.

Als effektiven wirtschaftlichen Lösungsansatz, um der Wohnungskrise flächendeckend entgegenzuwirken, sieht Höfner "Büro zu Wohnen" allerdings nicht. Eine wesentliche Rolle komme hier regulatorischen und politischen Vorgaben zu: "Förderungen für die Umnutzung in Wohnraum können die Wirtschaftlichkeit unterstützen und somit die Umsetzungswahrscheinlichkeit durch Investoren erhöhen."

"Büro zu Büro" – höhere Mieten für moderne Flächen

Die Umnutzung von Büroflächen in Life-Science-Immobilien ist in bereits etablierten Clustern möglich. Allerdings ist der Studie zufolge mit etwa drei bis vier Prozent nur ein geringer Anteil der von Obsoleszenz bedrohten Flächen dafür geeignet, was bis zu zweieinhalb Millionen Quadratmetern entspricht. Das Konversionspotenzial von Büroflächen in Wohn- oder Life-Science-Immobilien liegt insgesamt bei etwa 30 bis 35 Prozent des von Überalterung bedrohten Büroflächenbestands.

"Für rund 65 bis 70 Prozent der von Obsoleszenz bedrohten Bürofläche besteht kein direkter 'Fluchtweg' in eine Umnutzung in Wohnen oder Life Science", meint Rita Marie Roland, Partnerin Real Estate bei PwC Deutschland. Alternativ könnten Nutzungsarten wie Lebensmitteleinzelhandel, Bildungseinrichtungen oder Flüchtlingsunterkünfte in Betracht gezogen werden. Doch auch hier sehe sie ein begrenztes Gesamtpotenzial. B-Städte und City-Randlagen sind stärker betroffen als City-Lagen und A-Städte.

Mit Blick auf die künftige Entwicklung und die Dynamik am Immobilienmarkt sagt Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei Colliers in Deutschland: "Steigende Mieten für moderne Büroimmobilien können die Wirtschaftlichkeit von Revitalisierungen erhöhen und das Volumen an potenziell von Obsoleszenz bedrohten Büroflächen reduzieren. 'Büro zu Büro'-Konversionen könnten in diesem Fall wieder eine Option für Investoren und Projektentwickler bieten."

Konversion: Wann ist eine Investition wirtschaftlich?

Das Modell in der Studie bietet einen Überblick, ab welcher CapEx-Höhe (in Euro pro Quadratmeter und Monat) signifikante Obsoleszenzrisiken entstehen. Die Berechnung der wirtschaftlich tragbaren CapEx basiert auf dem Mieterhöhungspotenzial, das sich aus der Differenz zwischen den erzielten Abschlussmieten hochwertiger und moderner Gebäude und den Mieten älterer Bestandsgebäude in verschiedenen Lagekategorien ergibt.

Eine Immobilie gilt nach den Berechnungen der Studienautoren dann als gefährdet, wenn die notwendigen CapEx einschließlich einer Verzinsung zwischen 5,5 Prozent und sieben Prozent – je nach Lagekategorie – nicht mehr vollständig durch das potenzielle Mieterhöhungspotenzial gedeckt werden können und dadurch ein dauerhaftes wirtschaftliches Defizit entsteht.

Beispiel: Eine Immobilie in einer City-Rand-Lage einer A-Stadt mit einem Mieterhöhungspotenzial von 4,50 Euro pro Quadratmeter und Monat bei einem CapEx-Bedarf von vier Euro pro Quadratmeter und Monat kann als ungefährdet, bei fünf Euro pro Quadratmeter und Monat jedoch als gefährdet eingestuft werden, da eine Investition dann nicht wirtschaftlich wäre.

"Obsoleszenzrisiken von Büroimmobilien – Wohnen und Life Science als Ausweg?"


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