Geplanter Abriss ist allein kein Kündigungsgrund
Hintergrund: Vermieter will Gebäude abreißen
Der Vermieter eines ehemaligen Landarbeiterhauses verlangt von den Mietern nach einer Kündigung die Räumung.
Das Mietverhältnis besteht seit mehreren Jahrzehnten. Ein schriftlicher Mietvertrag existiert nicht. Die monatliche Nettomiete beträgt 60 Euro. Das Badezimmer befindet sich in einem ansonsten ungenutzten Seitenflügel.
Im Juni 2017 erklärte der Vermieter, der die Liegenschaft geerbt hatte, die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Der Seitenflügel müsse aus wirtschaftlichen und statischen Gründen abgerissen werden. Der Bereich mit dem Badezimmer sei sehr baufällig und nur mit erheblichen Gefahren begehbar.
Da die Mieter die Kündigung nicht akzeptierten, erhob der Vermieter Räumungsklage. Im Prozess sprach er zwei weitere Kündigungen aus und führte an, der Anbau eines neuen Badezimmers koste 26.000 Euro. Angesichts der geringen Miete trage sich dies wirtschaftlich nicht.
Entscheidung: Keine Kündigung für Abriss
Die Räumungsklage hat keinen Erfolg. Die Kündigungen waren weder unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks noch aufgrund eines sonstigen Interesses des Vermieters gerechtfertigt.
Die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB sind nicht erfüllt. Nach dieser Bestimmung hat der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn er durch dessen Fortsetzung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wäre und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde.
Durch den ersatzlosen Abriss eines Gebäudes oder Gebäudeteils kann ein Vermieter zwar Kosten vermeiden. Ein Abriss stellt jedoch keine Realisierung des dem Grundstück innewohnenden materiellen Werts und damit keine wirtschaftliche Verwertung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar.
Der Vermieter hat hier auch kein berechtigtes Interesse an einer Kündigung im Sinne der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Insbesondere hat der Vermieter nicht dargelegt, dass ihm durch die Fortdauer des Mietverhältnisses erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen. Bei der gebotenen Gesamtabwägung kann es zwar zu berücksichtigen sein, dass auch künftig nur eine geringe Miete zu erwarten ist. Aber auch wenn sich die Kosten für ein neues Bad nicht über die Miete amortisiere, so müsste der Vermieter lediglich einmalig einen Betrag in überschaubarer Höhe aufbringen. Zudem würde der Anbau eines Bades den Wert des Grundstücks erhöhen, sodass der Aufwand hierfür in gewissem Umfang kompensiert würde.
Zwar habe der BGH in einem früheren Urteil den ersatzlosen Abriss eines nur mit erheblichem Aufwand zu sanierenden Wohnkomplexes als Kündigungsgrund auf Basis der Generalklausel des § 573 Abs. 1 BGB nicht beanstandet. Dort habe es sich aber um einen weitgehend leerstehenden Plattenbau mit 142 Wohnungen gehandelt, sodass für den Vermieter bei einem Fortbestand des Mietverhältnisses Nachteile in einer ganz anderen Größenordnung als im hiesigen Fall entstanden wären.
(BGH, Urteil v. 16.12.2020, VIII ZR 70/19)
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