Pflegeimmobilien: Knapp, teuer und zu stark reguliert
Eigentlich war alles auf gutem Weg. Der rechtskräftige Bauvorbescheid für ein Pflegeheim mit 140 Betten sowie 80 seniorengerechte Wohnungen war erteilt, und die Hamburger Pflegeimmobilienspezialistin Cureus ging davon aus, bald mit dem Bau beginnen zu können. Doch 2021 beschloss der Bremer Senat eine neue Bauverordnung zum Bremischen Wohn- und Betreuungsgesetz – und die schreibt vor, dass neue Pflegeheime maximal 80 Betten haben dürfen. In der Folge musste Cureus die Planung grundlegend überarbeiten. "Das", konstatiert Christian Möhrke, Chief Operating Officer (COO) von Cureus, "hat uns einen siebenstelligen Euro-Betrag gekostet."
Die Erfahrung von Cureus ist nur ein Beispiel dafür, dass Entwickler von Pflegeimmobilien mit ganz besonderen Herausforderungen zu kämpfen haben. "Die Assetklasse Pflegeimmobilien ist stärker reguliert als jede andere Assetklasse", sagt Jens Nagel, Deutschland-Geschäftsführer des schwedischen Pflegeheiminvestors Hemsö. Das hemmt den Neubau – was deshalb fatal ist, weil eigentlich zahlreiche neue Pflegeplätze gebraucht werden. Eine Studie, die das Analysehaus Bulwiengesa 2021 im Auftrag von Cureus erstellte, kam zum Schluss, dass bis zum Jahr 2040 in Deutschland bis zu 512.000 zusätzliche vollstationäre Pflegeplätze entstehen müssten. Bei einer Fortschreibung der damaligen Bautätigkeit errechneten die Experten für das Jahr 2040 eine Bedarfslücke von bis zu 308.000 Plätzen.
Pflegeheim-Investment: Risiko Bauvorschriften
"Die Regulatorik ist ein gravierendes Hindernis", bestätigt Cureus-COO Möhrke. "Landesindividuelle Vorgaben führen dazu, dass wir in unserer Wirtschaftlichkeit gebremst werden." Tatsächlich gelten in jedem Bundesland unterschiedliche Bauvorschriften für Pflegeheime, da seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 jedes Bundesland eigene Regeln beschließen kann.
"Hinzu kommen die Landesheimbauverordnungen, die mittlerweile ebenfalls in den meisten Bundesländern erlassen sind", sagt Markus Bienentreu, Geschäftsführer der auf Seniorenimmobilien spezialisierten Beratungsgesellschaft Terranus. Die Folge, so Bienentreu: "Die baulichen Vorgaben sind je nach Bundesland sehr unterschiedlich." Die Einzelzimmerquote für Neubauten beträgt zum Beispiel zwischen sechzig Prozent (in Berlin) und hundert Prozent (unter anderem in Baden-Württemberg und Hamburg). Dafür, sagt der Experte, gebe es keinen sachlichen Grund, da in Berlin nicht anders gepflegt werde als in Baden-Württemberg.
Das ist aber nicht alles. "Ein Projektentwickler muss sich zudem bewusst sein, dass sich in zwei oder drei Jahren die politischen Vorgaben möglicherweise geändert haben werden", gibt Hemsö-Chef Jens Nagel zu bedenken – was die Erfahrung von Cureus in Bremen bestätigt. Dort wurde nicht nur eine Obergrenze für die Größe neuer Heime gezogen, sondern auch der Bau von Doppelzimmern untersagt. Während das in Bremen ausschließlich für Neubauten gilt, ging Baden-Württemberg noch einen Schritt weiter: Seit 2019 dürfen im Südwesten auch bestehende Einrichtungen nur noch Einzelzimmer anbieten.
In Niedersachsen wiederum scheinen nach Ansicht des Gesetzgebers die Senioren andere Bedürfnisse zu haben: Die zum 1.10.2022 in Kraft getretene Verordnung über bauliche Anforderungen für unterstützende Einrichtungen nach dem Niedersächsischen Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWGBauVO) legt eine Einzelzimmerquote von siebzig Prozent fest.
Investitionskosten: Die Miete als Herausforderung
Eine zweite Besonderheit von Pflegeheimen ist, dass auch bei der Höhe der Miete die öffentliche Hand mitredet. Sie legt die sogenannten Investitionskosten fest, welche die Ausgaben für Zins, Tilgung und Abschreibung sowie Instandhaltung decken
"Die Investitionskosten sind die Basis für das, was der Betreiber an Miete zahlen kann", erklärt Terranus-Experte Bienentreu. Dabei bestehen nach seinen Worten bei Neubauten erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. So genehmigen Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg 27 bis 30 Euro pro Bett und Tag, während es in anderen Bundesländern nur 20 bis 24 Euro oder sogar noch weniger sind. "Für dieses Geld", sagt Bienentreu, "kann man heute kein Pflegeheim mehr bauen."
"Das Problem ist, dass die öffentliche Hand nicht die tatsächlichen Kosten berücksichtigt", bestätigt Nagel (Hemsö). "So werden mancherorts die Grundstückskosten nur teilweise anerkannt, oder die Abschreibung wird willkürlich gesenkt." Ähnlich beurteilt das Möhrke (Cureus). "Die Investitionskosten hinken den Baukosten hinterher", kritisiert er. Und sie berücksichtigten die unterschiedlichen Grundstückspreise nicht: "Ob wir in Hannover im Stadtzentrum oder an der Peripherie bauen, wirkt sich nicht auf die Investitionskosten aus."
Fachkräftequote: Folgen für Entwickler und Investoren
Noch in einem dritten Punkt wirkt sich die Regulatorik aus, nämlich bei der (auf Bundesebene geregelten) Fachkräftequote. Sie betrifft zwar vordergründig die Betreiber, hat aber indirekt auch Folgen für Projektentwickler und Investoren. Denn diese prüfen stets die Personalsituation an einem Standort – und wenn es unwahrscheinlich erscheint, die Fachkräftequote von fünfzig Prozent zu erreichen, wird auf ein Projekt auch mal verzichtet.
Wie relevant dieser Aspekt ist, hat zuletzt die Insolvenz der großen Pflegeheimbetreiber Curata und Convivo gezeigt. Als einen von mehreren Gründen für die finanzielle Schieflage nennt die in Bremen ansässige Convivo-Gruppe den erheblichen Fachkräftemangel, der dazu beigetragen habe, dass die Belegungsquote im Bereich der stationären Pflege auf siebzig Prozent gesunken sei.
Immerhin gibt es in diesem Punkt Bewegung: Ab Juli 203 wird das sogenannte Personalbemessungsverfahren (Pebem) eingeführt, das eine gewisse Flexibilität ermöglicht. "Allerdings ist die Fachkräftequote schon bisher vielerorts nicht eingehalten worden", stellt Terranus-Geschäftsführer Bienentreu fest. Die Bundesländer gehen nach seinen Beobachtungen damit nicht einheitlich um. Besonders streng sei Bremen, wo die Heimaufsicht bei Unterschreiten der Fachkräftequote sehr schnell einen Belegungsstopp verhänge.
Bau von Pflegeheimen: Forderungen an die Politik
Um den Bau von Pflegeheimen anzukurbeln, muss die Politik aktiv werden. "In vielen Bundesländern müssten die Investitionskostensätze angehoben und zudem an die Inflation angepasst beziehungsweise indexiert worden", fordert Bienentreu. Möhrke verlangt zudem Planungssicherheit: "Bauliche Vorgaben sollten bundeseinheitlich sein und für mindestens fünf Jahre gelten." Auch bei der Ausgestaltung der KfW-Förderung sei eine längerfristige Stabilität erforderlich.
"Die Politik ist gefordert", betont auch Nagel von Hemsö. "Die Refinanzierung muss nachhaltig nach oben gehen." Allerdings zeigt sich der Experte skeptisch, ob die Forderungen der Branchenvertreter erhört werden. "Politisch", bedauert er, "ist es nicht gewollt, mehr Pflegeheime zu bauen." Die Folgen seien dramatisch: "Wir sind auf dem Weg in eine Unterversorgung an Pflegeplätzen."
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