Co-Living für Senioren: Quartierslösungen im Kommen

Die Zahl älterer Menschen steigt, es fehlt an barrierefreiem Wohnraum und Fachkräften in der Pflege. Vor diesem Hintergrund setzen Projektentwickler neue, quartiers- und gemeinschaftsorientierte Formen des Wohnens im Alter um. Nur: Angebote für Senioren mit kleinem Geldbeutel entstehen so nicht.

Für Ulf Walliczek steht fest: "Wir brauchen für ältere Menschen neue Wohn- und Betreuungsformen, die Selbstbestimmung und soziale Teilhabe in den Fokus nehmen und dabei bewusst ohne Betreiberbindung auskommen." Walliczek ist Geschäftsführer der Team Zukunftsquartiere GmbH, ein Netzwerk aus Expertinnen und Experten, das innovative Wohnkonzepte für Senioren entwickelt. 

Damit meinen Walliczek und seine Mitstreiter sozial nachhaltige, generationenübergreifende Quartiere, die den Schwerpunkt auf die Bedürfnisse der Generation 65 plus legen. Gemeinschaftsorientiertes Wohnen und Begegnungsräume gehören laut Walliczek genauso zu einem solchen Quartier wie Flächen für Tagespflege und Therapie sowie je nach Bedarf eine Kita oder Co-Working Spaces.

Alternative zum betreuten Wohnen

Das Konzept gehört zu einer ganzen Reihe von Ansätzen, Alternativen zum klassischen betreuten Wohnen und zum Pflegeheim zu entwickeln. Hintergrund dieser Aktivitäten sind die zahlreichen Herausforderungen, die mit der Wohn- und Betreuungssituation älterer Menschen verbunden sind. Laut einer Untersuchung des Instituts Wohnen und Umwelt fehlen in Deutschland 2,5 Millionen barrierearme Wohnungen, Pflegeheime kämpfen mit akutem Personalmangel, und für diejenigen Rentner, die nur über eine kleine Rente verfügen, stellt sich die Frage, ob sie sich seniorengerechtes Wohnen überhaupt leisten können.

Hinzu kommt, dass sich die Bedürfnisse älterer Menschen ändern. Wie eine Studie der auf Pflegeimmobilien spezialisierten Carestone-Gruppe aus Hannover gezeigt hat, werden Individualität und Selbstbestimmung für die zukünftige Seniorengeneration wichtiger. "Die Menschen wollen ihre Privatsphäre wahren, aber nicht allein leben", sagt die Zukunfts- und Trendexpertin Oona Horx-Strathern. "Gemeinschaftliche Wohnformen in den Städten können dafür eine Lösung sein."

Diesen Gedanken greift das 2021 gegründete Startup Lively auf: Es plant seniorengerechte Wohnanlagen mit kleinen Apartments und großzügigen Gemeinschaftsflächen. "Wir haben uns gefragt, warum die bisherigen Projekte im Bereich Senior Living so wenig Lifestyle-Komponente haben", sagt Mitgründer Constantin Rehberg, der wie seine Mitgründerin Christina Kainz aus der Hotelbranche stammt. "Den Begriff 'betreutes Wohnen' mögen wir nicht", erklärt Rehberg weiter. "Was wir anstreben, ist eher Co-Living für Senioren."

Gemeinschaftsgefühl schaffen im sozialen Quartier

Ein wichtiger Teil des Konzepts sind deshalb Gemeinschaftsflächen. Außerdem will Lively Berührungspunkte zwischen den Bewohnern der Anlage und ihren Nachbarn schaffen. "Wir öffnen uns den Anwohnern", sagt Rehberg. "Auch der Co-Working Space und die Gäste-Apartments, die zum Konzept gehören, fördern diesen Austausch." Ähnlich argumentiert Ulf Walliczek vom Team Zukunftsquartiere: Sozial nachhaltige Stadtquartiere müssten Menschen in der Nachbarschaft mit einbeziehen, die sich den Umzug in einen Neubau nicht leisten könnten oder wollten.

Gemeinsam ist den Konzepten zudem, dass die digitalen Möglichkeiten eine wichtige Rolle spielen. Grundlage für die Schaffung eines Gemeinschaftsgefühls sei ein gut funktionierendes Wlan, betont Rehberg. Dieses soll zum Beispiel ermöglichen, dass die Bewohner einen in der Anlage angebotenen Yoga-Kurs auch im Stream verfolgen können. Die Bedeutung des Quartiersmanagements hebt Ulf Walliczek hervor, wobei dieses sowohl einen vor Ort präsenten Quartiersmanager als auch eine (app- oder webbasierte) digitale Quartiersplattform umfasst. Pflegeorientierte Tools wie Bewegungssensoren oder Sturzmatten spielen in den Projektbeschreibungen hingegen keine Rolle.

1.246 Euro Miete für zwei Zimmer in der "Weißen Dame"

Während Walliczek derzeit nach eigenen Angaben viele Gespräche mit Projektentwicklern und Investoren führt, die sein Konzept umsetzen könnten, ist Lively schon einen Schritt weiter. In der "Weißen Dame", einer ehemaligen Textilfabrik in Gronau (Nordrhein-Westfalen), entsteht das erste Projekt mit 123 Apartments und 800 Quadratmeter Gemeinschaftsflächen, wobei Lively – wie auch bei künftigen Vorhaben – als Mieter auftritt. Bewohner zahlen für eine 45 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung eine Gesamtmiete von 1.246 Euro, wovon 149 Euro auf die Service-Pauschale entfallen, welche die Nutzung der Gemeinschaftsflächen, des Concierge-Dienstes und des Kursangebots abdeckt.

Weiße Dame Gronau

"Preislich sind wir im leistbaren Bereich unterwegs und bieten ein Produkt für die Mittelschicht", sagt dazu Constantin Rehberg. Klar ist damit allerdings auch, dass der Lively-Ansatz keine Antwort auf den Mangel an altersgerechtem Wohnraum im preiswerten Segment gibt. 

Und auch die Probleme in der Pflege werden die innovativen Konzepte wohl nicht lösen können. Denn sie zielen auf jüngere, selbständige und aktive Senioren, die allenfalls punktuell Unterstützung benötigen. Zwar können in beiden Konzepten die Bewohner einen Pflegedienst ihrer Wahl beauftragen; stationäre Pflege sei aber "kein wesentlicher Teil unseres Konzepts", sagt Ulf Walliczek vom Team Zukunftsquartiere und ergänzt: "Stationäre Pflege wird ihre Berechtigung behalten."

AgeTech-Konferenz in Chemnitz am 22. September

Constantin Rehberg und Ulf Walliczek sind am 22. September Podiumsgäste im Panel „Interfaces & Living“ bei der Q-Hub – AgeTech-Konferenz in Chemnitz.


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Schlagworte zum Thema:  Quartiersmanagement, Altengerechtes Wohnen