Steuerliche Vereinfachungen und Entlastungen

Das Land Nordrhein-Westfalen hat eine Reihe von Maßnahmen zur steuerlichen Vereinfachung und Entlastung der Mitte der Gesellschaft erarbeitet und in den Bundesrat eingebracht. Zugleich wurden auch gesetzliche Änderungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland sowie für eine moderne wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung angeregt.

Nachfolgend wird der Inhalt der beiden am 26.6.2018 dem Bundesrat zugeleiteten Pakete kompakt dargestellt.

Maßnahmen für die Mitte der Gesellschaft

In einem ersten Paket werden Änderungen zur Steuervereinfachung und Entlastung der Bürger und Familien zusammengefasst. Dies sind:

  • Mit einer Anhebung der Übungsleiterpauschale von 2.400 EUR auf 3.000 EUR soll das Ehrenamt steuerlich entlastet werden, wovon u.a. Trainer/innen oder Ausbilder/innen in einer Vielzahl von Vereinen und Organisationen profitieren würden.
  • Auch die sog. Ehrenamtspauschale sollte erhöht werden - von 720 EUR auf 840 EUR. Dies käme vielen anderen in gemeinnützigen Vereinen ehrenamtlich engagierten Personen zugute (z.B. Schriftführer/in, Kassenwart/in).
  • Steuerbegünstigte Körperschaften (gemeinnützige Vereine) sollen mit einer Erhöhung der Freigrenze für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (Vereinsgaststätte, Werbeeinnahme) entlastet werden. Die Freigrenze für Umsätze könnte von bisher 35.000 EUR auf 45.000 EUR steigen.
  • Mit einer Anhebung des Höchstbetrags für Kinderbetreuungskosten von 4.000 EUR auf 6.000 EUR würde eine Entlastung für Familien durch die Kosten für Kita oder Tagesmuter einhergehen.
  • In dem Zusammenhang ist auch an eine Erhöhung des Freibetrags für Sonderbedarf für Kinder in Studium und Ausbildung von bisher 924 EUR auf 1.200 EUR gedacht.
  • Kräftig erhöht werden soll der Freibetrag zur Förderung der Mitarbeitergesundheit, der von aktuell 500 EUR auf 1.200 EUR steigen soll und damit ein beträchtliche Verbesserung des betrieblichen Gesundheitsmanagements bewirken könnte.
  • Auch an Familienangehörige von Pflegebedürftigen ist gedacht – eine Anhebung des Pflegepauschbetrags von 924 EUR auf 1.200 EUR, würde die Pflege zu Hause finanziell unterstützen.
  • Ferner soll eine Erhöhung der Pauschbeträge für behinderte Menschen kommen. Diese könnten um jeweils 30 % steigen und dadurch die finanziellen Belastungen durch eine Behinderung abmildern.
  • Für viele Berufstätigen interessant wäre eine Erhöhung der Steuerbefreiung für Belegschaftsrabatte von 1.080 EUR auf 1.200 EUR.

Maßnahmen für die Unternehmen

Im zweiten Paket geht es primär um die steuerliche Förderung von Unternehmen und damit des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Auch soll die Unternehmensbesteuerung wettbewerbs-fähiger aufgestellt werden. Gelingen soll dies durch folgende Maßnahmen: 

  • Eine steuerliche Förderung für Forschung und Entwicklung (F&E-Förderung), insbesondere für innovative kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Gedacht ist an eine 10 %-ige steuerliche Gutschrift für die betreffenden F&E-Personalkosten, welche von der monatlichen Lohnsteuer abgezogen werden kann.
  • Der Wohnungsbau soll durch eine verbesserte Abschreibung unterstützt werden. Für bezahlbaren Wohnraum soll es eine 3 %-ige lineare Abschreibung und ggf. auch eine zeitlich begrenzte Sonder-AfA geben.
  • Unternehmen könnten generell durch eine Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter (GwG) unterstützt werden. Bei einer Erhöhung der Betragsobergrenze von 800 EUR auf 1.000 EUR würde zugleich die derzeitige sog. Poolabschreibung überflüssig werden.
  • Auch an eine Optimierung der Thesaurierungsbegünstigung für Personenunternehmen nach § 34a EStG ist gedacht. Einbezogen werden könnten z. B. die auf den Begünstigungsbetrag entfallenden Ertragsteuern. Ebenso soll über eine Reduzierung oder flexiblere Ausgestaltung der derzeit festen Thesaurierungs- und Nachversteuerungssätze von 28,25 % und 25 % nachgedacht werden. Und schließlich würde ein festgelegtes Entnahmevolumen für laufende Entnahmen aus Altrücklagen Sinn machen. Aktuell können Altrücklagen aus der Zeit vor Anwendung der Thesaurierungsbegünstigung erst entnommen werden, wenn die der Begünstigung unterliegenden Gewinnanteile vollständig entnommen und nachversteuert sind. Ferner sollte eine Einbringung in eine Kapitalgesellschaft kein Umstrukturierungshindernis mehr sein, indem der Nachversteuerungsbetrag auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übergeht. Nicht zuletzt ist an eine Vereinfachung in verfahrensrechtlicher Hinsicht gedacht.
  • Änderungen soll es auch geben bei der sog. Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG, insbesondere mit Ausnahmeregeln für Fälle der Umwandlung oder Liquidation.
  • Die derzeitige rechtliche Rechtsunsicherheit bei Sanierungsgewinnen soll beseitigt werden. Dazu gehört auch die noch anstehende Prüfung der EU-Kommission und dem damit einhergehenden Vorbehalt der Vereinbarkeit mit EU-Beihilferecht zu § 3a EStG.
  • Ähnliches gilt auch zum Verlustabzug im Fall des Anteilseignerwechsels bei Körperschaften (§ 8c KStG). Mit einer zügigen Neuregelung soll hier Rechtssicherheit geschaffen werden; dies auch zu evtl. Zweifeln zu § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG.
  • Die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG sollte angesichts gestiegener Gewerbesteuer-Hebesätze durch eine Erhöhung des Ermäßigungsfaktors verbessert werden.
  • Bei der Gewerbesteuer selbst wird mehrfach Anpassungsbedarf gesehen. Mit einer Erhöhung des Hinzurechnungsfreibetrags nach § 8 Nr. 1 GewStG auf bis zu 200.000 EUR würde nicht nur eine Steuerentlastung, sondern auch ein Bürokratieabbau einhergehen. In gleichem Sinne würde auch eine Angleichung der gewerbesteuerlichen Beteiligungsgrenze für Schachteldividenden von derzeit 15 % an die 10 %-Grenze nach dem KStG wirken.
  • Schließlich ist an einer weitere Unterstützung von StartUp-Unternehmen gedacht, indem diese vom geldwerten Vorteil für ihren Mitarbeitern überlassene Unternehmensbeteiligungen einen Freibetrag abziehen können.
  • Sodann ist auch das Internationale Steuerrecht ins Blickfeld geraten. Bei der 2019 umzusetzenden sog. Anti-Steuermeidungs-Richtlinie der EU könnte eine Absenkung der Niedrigsteuerschwelle von derzeit 25 % erfolgen. Auch soll der Katalog der hinzurechnungspflichtigen Einkünfte überprüft werden, sowie Anrechnungsverluste bei ausländischen Steuern vermieden werden.
  • Auftretende Wettbewerbsnachteile durch die BEPS-Umsetzung sollen gemildert werden, vor allem bei der Verhinderung einer doppelten Nichtbesteuerung bei sog. hybriden Gestaltungen.
  • Weiterer Änderungsbedarf besteht bei der Umsatzsteuer. Hier wird insbesondere eine Reform der umsatzsteuerlichen Organschaft angestrebt, die sich am Unionsrecht ausrichtet und z. B. bei nicht erkannten Fällen einer umsatzsteuerlichen Organschaft eingreifen könnte.
  • Zudem besteht Anpassungsbedarf zu den Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug. Hier spielt die aktuelle Rechtsprechung zu den Anforderungen an Abrechnungsunterlagen für den Vorsteuerabzug eine Rolle.
  • Ein weiteres aktuelles Problem ist die erforderliche Neuregelung zu der Verzinsung von Steuerforderungen bzw. -erstattungen (§ 233a ff. AO) bei der Umsatzsteuer; sicherlich aber auch bei den anderen Steuerarten.
  • Ein systembedingter "Windfall-profit" bei der Umsatzsteuer ist zu beseitigen. So kann sich derzeit die Umsatzsteuer im Nachhinein zu Gunsten des Unternehmers einseitig verändern, ohne dass der Fiskus dies beim anderen Unternehmer ausgleichen kann. Hier ist an eine gesetzliche Korrespondenzregelung gedacht.
  • Die Besteuerung des Internethandels soll wirkungsvoller werden. Vor allem der Vertrieb von Waren unter Einschaltung von sog. Fulfillment-Dienstleistern bereitet steuerlich Probleme. Hier sollen die Betreiber von Internet-Plattformen in die Pflicht genommen werden.
  • Nicht zuletzt gibt es auch im Verfahrensrecht Bedarf für Änderungen. Trotz einer Verbindlichen Auskunft drohen derzeit Steuerausfallrisiken bei einer später geänderten Rechtsprechung. Hierzu soll es künftig durch eine Ergänzung des § 175 AO möglich sein, in bestimmten Fällen eine rückwirkende Korrektur vorzunehmen.
  • Gewünscht wird auch eine Rückkehr zur Gutachtenzuständigkeit des BFH. Im früheren Recht gab es die Möglichkeit, den BFH um Rechtsgutachten zu ersuchen, die ein Rechtsgebiet fallunabhängig und nachhaltig systematisch erschließen. Seit dem Wegfall dieser Möglichkeit ist eine gewisse Rechtszersplitterung und Rechtsunsicherheit festzustellen.

Weiterer Ablauf

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 6.7.2018 diese beiden umfassenden Pakete dem Finanzausschuss der Länderkammer zugewiesen. Dort werden die gesetzlichen Änderungsvorschläge zunächst beraten. Daraus könnte bis Herbst eine förmliche Entschließung mit ausgearbeitetem Gesetzesvorschlag entstehen. Da dem Finanzausschuss in den letzten Monate weitere Initiativen zugeleitet worden sind, fließen neben den o. g. Maßnahmen möglicherweise auch noch frühere Überlegungen zur Steuervereinfachung, zu einem Abbau von Bürokratie im Steuerrecht und auch sonstiger steuerlicher Optimierungsbedarf mit ein.

Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen, BR-Drucksache 309/18 v. 27.6.2018

Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen, BR-Drucksache 310/18 v. 27.6.2018