Gesetzestext

 

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen,
2. nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und
3. nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.

A. Grundsätzliches.

I. Bedeutung.

 

Rn 1

Erst § 437 mit seiner zentralen ›Brückenfunktion‹ (BRHP/Faust Rz 2) macht die Mangeltatbestände der §§ 434, 435 zu leges perfectae, indem er die Rechte des Käufers aus Sach- bzw. Rechtsmängeln durch differenzierte Verweise auf kaufrechtliches und allg Leistungsstörungsrecht regelt. Diese Verweise sind Rechtsgrundverweise (BRHP/Faust Rz 1; MüKo/Westermann Rz 1 mwN), da ihre kaufrechtliche Prägung dem Mängelrecht eine eigenständige Bedeutung als Adaption des allg Leistungsstörungsrechts gibt (ähnl MüKo/Westermann Rz 1; differenziert Canaris Karlsruher Forum 02, 5, 70; aA Lorenz NJW 05, 1321, 1322 f; Wall ZGS 11, 166, 167: § 437 nur deklaratorisch). Beim verbundenen Geschäft iSd § 358 wirken sich die Mängelrechte auch auf den verbundenen Vertrag aus, s § 359 Rn 4 ff; zum Leasingrecht BGH NJW 14, 1519 ff [BGH 22.01.2014 - VIII ZR 178/13]; Schattenkirchner NJW 13, 2398.

II. Anwendungsbereich.

1. Kaufverträge.

 

Rn 2

§ 437 gilt für den Sach- und über § 453 für den Rechtskauf. Zu Verbraucherverträgen über den Verkauf digitaler Inhalte s § 453 Rn 3a. Zu Waren mit digitalen Elementen s § 475b.

2. Zeitpunkt.

a) Sachmängel.

 

Rn 3

Die Geltung beginnt zeitlich mit Gefahrübergang (MüKo/Westermann Rz 6; Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Haas Kap 5 Rz 145; aA § 363 gilt: BGH NJW 06, 434 [BGH 23.11.2005 - VIII ZR 43/05] Rz 20, ohne Meinungsstreit zu erwähnen; BRHP/Faust Rz 6 mwN; aA grds ab Vertragsschluss Bachmann AcP 211, 395, 410, 422; aA Wahlrecht des Käufers in Fällen qualitativer Unmöglichkeit Kaletsch NJW 19, 714). Entscheidend für die hier vertretene Auffassung spricht, dass der Gefahrübergang auch festlegt, wann die Sache mangelfrei zu sein hat. Der Gleichlauf sorgt dafür, dass ab dem Zeitpunkt, zu dem Mängel eine Pflichtverletzung darstellen, das Mängelrecht als lex specialis gilt; entspr ist die Regelung bei Rechtsmängeln (s Rn 4). Zudem setzt für den Verbrauchsgüterkauf die Anknüpfung an den Gefahrübergang die Tatbestandsvoraussetzung der Lieferung in Art 10 I WKRL deutlich besser um als die Annahme als Erfüllung iSd § 363. Deren Inhalt der Billigung als im Wesentlichen ordnungsgemäße Erfüllung durch den Käufer (§ 363 Rn 3) kann kaum noch als ›Lieferung‹ verstanden werden. Vor Gefahrübergang gilt das allg Leistungsstörungsrecht. Auf bei Gefahrübergang noch nicht vorhandene Mängel findet § 437 weder direkt noch analog Anwendung (Zweibr BeckRS 21, 11010 Rz 20 ff: wenn iRd Nacherfüllung ein neuer Mangel verursacht wird; s zu einer solchen Konstellation spez § 327m).

b) Rechtsmängel.

 

Rn 4

Da Freiheit von Rechtsmängeln erst zum Eigentumsübergang geschuldet wird (§ 435 Rn 4), kommt es allein auf diesen Zeitpunkt an (Mertens AcP 203, 818, 831 mit Fn 39). Vorher bestehen insoweit keine Erfüllungsansprüche.

3. Mängel.

a) Sach- und Rechtsmängel.

 

Rn 5

Die Norm erfasst Sach- und Rechtsmängel.

b) Unbehebbare Mängel.

 

Rn 6

Ab Gefahrübergang unterliegen unbehebbare Mängel, die schon bei Vertragsschluss bestanden, § 437 und nicht mehr unmittelbar dem Recht der Unmöglichkeit, insb § 311a II (KG NJW-RR 12, 506, 507 [KG Berlin 27.10.2011 - 23 U 15/11]; Erman/Grunewald vor § 437 Rz 9; Lorenz NJW 13, 1341, 1344: § 266 gilt nicht; schon vor Gefahrübergang Hofmann/Pammler ZGS 04, 91, 95; aA Grüneberg/Grüneberg § 280 Rz 17; MüKo/Westermann Rz 24, s aber Rz 23). Systematisch spricht dafür, dass § 437 generell seinen Vorrang ggü dem allg Leistungsstörungsrecht mit Gefahrübergang anordnet, wenn auch großenteils in Form von ›(Rück-)verweisen‹. Da diese Rückverweise § 311a ausdrücklich einschließen, gilt § 311a nicht direkt, sondern nur als einer von mehreren in Verweis genommenen Ansprüchen. Dies ist auch teleologisch angemessen, da so dem Käufer alle Rechte des § 437 zustehen, insb die verschuldensunabhängige Minderung.

c) Mitverursachung durch den Käufer.

 

Rn 7

Mängelrechte können durch eigene Verursachungsbeiträge des Käufers entfallen. Bloße Nichteinhaltung von Inspektions- und Wartungsterminen reicht nicht, wenn Mangel dabei nicht entdeckt worden wäre (für Neuwagen Kobl ZGS 07, 356, 357).

4. Rechtsfolgen.

a) Verzögerungsschaden.

 

Rn 8

Die Abgrenzung zwischen der Haftung des Verkäufers für Mängel nach § 280 I über Nr 3 und für Verzug ist str, s Rn 30, 32, 35.

b) Kosten der Selbstvornahme.

 

Rn 9

Setzt der Käufer dem Verkäufer keine Frist zur Nacherfüllung und beseitigt stattdessen den Mangel selbst, ist es mit dem vorrangigen Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung (s Rn 15) nicht vereinbar, dass der Käufer dem Anspruch des Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises die Kosten der Selbstvornahme als anrechnungsfähige ersparte Aufwendungen iSd § 326 II 2 entgegenhält (BGHZ 162, 219, 224; NJW 06, 988 Rz 14–16; NJW-RR 09, 667 Rz 14; Schlesw NJW-RR 11, 993, 994 f; aA: für direkte oder analoge Anwendbarkeit von § 326 II 2: BRHP/Faust Rz 37 f; Wall ZGS 11, 166, 171 f; Brömmelmeyer JZ 06, 493, 49...

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