Leitsatz (amtlich)

Auf die unmögliche Erfüllung der Verpflichtung aus einem Gattungskauf findet das Sachmängelrecht Anwendung, wenn der Käufer eine Falschleistung, wenn auch irrtümlich, zunächst als Erfüllung annimmt.

Wird ein Kraftfahrzeug des Modelljahres 2010 mit einer ausdrücklich genannten Motorleistung von 110 PS verkauft, die der Leistung des im Jahr 2009 erhältlichen Modells entspricht, und stellt sich später heraus, dass das Fahrzeug im Modelljahr 2010 nur mit einer Motorleistung von 90 PS erhältlich ist, kann der Verkäufer gegen den Willen des Käufers den Kaufvertrag nicht mit einem solchen Fahrzeug erfüllen, und zwar auch dann nicht, wenn er sich in seinen AGB in den Grenzen der Zumutbarkeit für den Käufer Konstruktionsabweichungen vorbehalten hat. Eine solche Abweichung ist nicht zumutbar.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 17.12.2010; Aktenzeichen 13 O 246/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.12.2010 verkündete Urteil des LG Berlin - 13 O 246/10 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin bestellte bei der Beklagten im August 2009 ein Neufahrzeug der Marke ...Typ ...Modell ...zu einem Preis von 16.699 EUR. Die Beklagte erklärte der Klägerin, das Modell des Jahres 2009 werde nicht mehr hergestellt, das Modell des Jahres 2010 weise nur geänderte Scheinwerfer auf. Tatsächlich lag die Beschreibung für das Modell 2010 noch nicht vor. In die Bestellung wurden die Angaben "Mod 2010" und "1,4l (109 PS)" aufgenommen, was der im Modelljahrgang 2009 erhältlichen Motorisierung entsprach. Die einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthielten u.a. die Klausel:

"Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern sie unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind".

Anfang März 2010 ließ die Beklagte das Fahrzeug auf die Klägerin zu und übergab es ihr. Die Klägerin zahlte den Kaupreis und erwarb ferner einen passenden Satz Winterreifen zu einem Preis von 585,89 EUR.

Die Klägerin stellte am selben Tage fest, dass in der Zulassungsbescheinigung zwar der Hubraum mit 1,4l, hingegen die Leistung mit nur 90 PS angegeben war. Sie erklärte den Rücktritt von dem Kaufvertrag, stellte das Fahrzeug bei der Beklagten ab und forderte diese vergeblich zur Erstattung der Kaufpreise für das Fahrzeug und die Winterreifen binnen einer Woche auf.

Die Beklagte hat vorgetragen, infolge der Änderung des Kernbusfeldes der Motorelektronik sei die Nennmotorleistung reduziert, die Anhängelast sei identisch, hingegen seien der Verbrauch sowie die Schadstoffemission niedriger, Letzteres führe zu einer günstigeren Schadstoffklasse. Lediglich die Höchstgeschwindigkeit betrage statt 187 km/h nur 180 km/h. Der Klägerin sei zudem vorzuwerfen, bei Übergabe des Fahrzeuges nicht sogleich Einblick in die Papiere genommen und die geringere Motorleistung unverzüglich gerügt zu haben.

Das LG hat mit am 17.12.2010 verkündetem Urteil gegen die Beklagte auf Zahlung von 17.284,89 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.4.2010 Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeuges, auf Feststellung des Annahmeverzuges und auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten erkannt. Die Beklagte wendet sich gegen das ihr am 5.1.2011 zugestellte Urteil mit ihrer am 27.1.2011 beim KG eingegangenen Berufung, die sie nach einer rechtzeitig beantragten und bewilligten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat mit am 29.3.2011 beim KG eingegangen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte hält an ihrer Ansicht fest, dass es schon an einer Beschaffenheitsvereinbarung fehle, angesichts der überwiegend vorteilhaften Abweichungen ein Sachmangel nicht angenommen werden könne, jedenfalls ein solcher nicht erheblich sei und schließlich die Klägerin die Abweichung nicht sogleich gerügt habe. Sie behauptet, der Klägerin sei mitgeteilt worden, dass eine Beschreibung des Modelljahres 2010 noch nicht vorgelegen habe. Dem Kaufvertrag habe außerdem der Verkaufsprospekt für das Modelljahr 2009 (Anlage B 1, Bl. 30 ff. d.A.) zugrunde gelegen, der den Hinweis enthalte, dass technische Änderungen vorbehalten blieben.

Die Beklagte beantragt, das am 17.12.2010 verkündete Urteils des LG Berlin zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Berufungsvorbringen entgegen und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, sie ist mithin zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte hinsichtlich des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises für die Winte...

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