Höhere Grundsteuer-Hebesätze für Gewerbe rechtswidrig
Seit der Grundsteuerreform 2025 werden Wohneigentümer teilweise höher besteuert als Eigentümer von Gewerbegrundstücken. Der Landtag in Nordrhein-Westfalen (NRW) hat im Juli 2024 ein Gesetz mit einer Öffnungsklausel beschlossen, das es den Kommunen freistellt, unterschiedliche Hebesätze für Wohnen und Gewerbe anzuwenden. Das sorgte jetzt erstmals für ein richtungsweisendes Urteil in dem Land.
VG Gelsenkirchen: Kritik an differenzierten Hebesätzen
Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat am 4.12.2025 entschieden, es sei steuerlich ungerecht, dass die durchaus wünschenswerte Entlastung des Wohnens allein von den Gewerbetreibenden finanziert werden solle, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Pesch. Erfolgreich gegen ihren Grundsteuerbescheid geklagt haben vier Gewerbebetriebe, darunter ein Einkaufszentrum mit sechsstelliger jährlicher Grundsteuer aus dem Ruhrgebiet. Die Kläger fühlen sich benachteiligt, weil für Eigentümer von Wohngrundstücken in den jeweiligen Kommunen Essen, Bochum, Dortmund und Gelsenkirchen deutlich geringere Grundsteuerhebesätze gelten.
120 der 396 Städte und Gemeinden nutzen laut NRW-Steuerzahlerbund aktuell die Möglichkeit differenzierter Hebesätze. Um die Einnahmeausfälle durch niedrige Hebesätze für Wohngrund auszugleichen, wurden vielfach zugleich die Hebesätze für Gewerbegrundstücke erhöht, wie der Vorsitzende Richter kritisierte. Die Entscheidung gilt zunächst für die vier Kläger: Sie können mit einem neuen Grundsteuerbescheid rechnen. Für die noch offenen weiteren Verfahren dürfen die beklagten Kommunen die Hebesätze außerdem nicht weiter verwenden und müssen gegebenfalls die Satzungen anpassen.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Das VG Gelsenkirchen hat sowohl eine Berufung beim Oberverwaltungsgericht für NRW als auch die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erlaubt.
Aktenzeichen: 5 K 2074/25 (Essen), 5 K 3234/25 (Bochum), 5 K 3699/25 (Dortmund), 5 K 5238/25 (Gelsenkirchen)
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Bodenrichtwert: Erfolg mit Einspruch gegen Steuerbescheid
Für die Berechnung der neuen Grundsteuer kann es einen großen Unterschied machen, ob es um unbebaute Flächen im Außenbereich geht oder nicht. Setzen Finanzämter hier fiktive, höhere Bodenrichtwerte an, kann das unzulässig sein, wie der Bund der Steuerzahler mit Verweis auf ein Urteil des Düsseldorfer Finanzgerichts klarstellt.
Im konkreten Fall ging es genau um ein solches Grundstück im Außenbereich, das weder baureif war noch kurzfristig bebaut werden konnte. Die Eigentümer nutzten es als Gartenfläche, das zuständige Finanzamt legte aber einen Bodenrichtwert von 90 Euro pro Quadratmeter für baureifes Land zugrunde. Die Eigentümer legten Einspruch dagegen ein und forderten eine Bewertung mit dem deutlich niedrigeren Wert von 5,50 Euro pro Quadratmeter für land- und forstwirtschaftlich nutzbare Grundstücke – mit Erfolg.
Das Finanzamt hatte einen Zwischenwert zwischen typischem Gartenland und Ackerland konstruiert, dem das Finanzgericht widersprach: Wie das Grundstück tatsächlich genutzt wird, dürfe für die Berechnung keine Rolle spielen. Entscheidend sei, welche Nutzungsmöglichkeit auf dem Papier vorgesehen ist – danach sei auch der entsprechende Bodenrichtwert anzusetzen. Einen fiktiven, höheren Wert zu verwenden, sei unzulässig, solange es für die rechtliche Nutzungssituation einen passenden amtlichen Wert gibt.
Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof
Weil das Finanzamt Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH, II B 50/25) eingelegt hat, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Es kann dem Bund der Steuerzahler zufolge aber ein wichtiges Argument für Eigentümer liefern, die zu hohe Bodenrichtwerte für unbebaute Flächen angefochten haben oder noch Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid einlegen wollen. Dafür ist grundsätzlich ein Monat nach Zugang Zeit.
(FG Düsseldorf, Urteil v. 22.5.2025, 11 K 2040/24)
FG Düsseldorf: Bodenrichtwert bei Flurstücken
Bei der Bewertung des Finanzamtes werden Flurstücke entweder mit dem Baugrundstück gemeinsam erfasst oder als unbebautes Grundstück separat bewertet – allerdings fast immer mit dem Bodenrichtwert für Bauland. Dagegen haben sich Eigentümer gewehrt und bekamen als Antwort, dass das Bewertungsgesetz Besonderheiten am Grundstück unberücksichtigt lasse. Auch die gleichzeitig beantragte Aussetzung wurde abgelehnt.
Einige der Betroffenen stellten nach der Ablehnung durch das Finanzamt den Aussetzungsantrag beim Finanzgericht. Mit Erfolg: Separate Grundstücke sind nicht automatisch mit demselben Bodenrichtwert zu erfassen wie die benachbarten bebauten Grundstücke, rückt eine andere Entscheidung des FG Düsseldorf gerade. Darauf weist ebenfalls der Bund der Steuerzahler hin.
(FG Düsseldorf, Beschluss v. 9.1.2025, 11 V 2128/24 A / BG)
FG Köln: Musterklage gegen Bundesmodell abgewiesen
Mehrere Immobilieneigentümer in NRW wehrten sich bereits vor Gericht gegen Grundsteuerbewertungsbescheide, die aufgrund des angewendeten Bundesmodells ergangen sind – Das Finanzgericht Köln hat im September 2024 eine Musterklage abgewiesen.
Das Urteil war das erste zum Bundesmodell. Die Klage richtete sich gegen einen Bescheid, mit dem der Grundsteuerwert zum 1.1.2022 festgestellt wurde. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken, wie sie die Kläger angeführt hatten, sah das Gericht nicht.
Rechtsgutachten: Hebesatz-Differenzierung anfällig für Klagen
Ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Steffen Lampert (Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht am Institut für Staats-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht, Universität Osnabrück) und Prof. Dr. Lars Hummel, LL.M. (Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht, Universität Hamburg) kommt zu einem anderen Ergebnis als ein Gutachten, das zuvor vom Finanzministerium NRW veröffentlicht worden ist.
Das Gutachten für das Finanzministerium räumte Bedenken gegen die Einführung der Differenzierungsoption umfassend aus, "soweit der Belastungsunterschied zwischen Wohn- und Nichtwohngrundstücken nicht mehr als 50 Prozent beträgt, ist die Orientierung der Belastungsverteilung an den Auswirkungen des bisherigen Grundsteuergesetzes zulässig und wirft auch keine Verfassungsmäßigkeitszweifel auf".
Bei Lampert und Hummel heißt es hingegen:
"Nordrhein-Westfalens Grundsteuerhebesatzgesetz soll nach den Überzeugungen der Urheber des Gesetzentwurfs den logischen Abschluss der Grundsteuerreform des Bundesmodells bilden, bedürfe diese doch einer Erweiterung, mit welcher den Kommunen ein optionales gesondertes Hebesatzrecht für Wohn- und Nichtwohngrundstücke einzuräumen sei.
Diesem Anspruch wird Nordrhein-Westfalens Grundsteuerhebesatzgesetz indes nicht gerecht. Es greift nämlich mit seinen Regelungen in die vorgenommene Bewertung für die Grundsteuer und in die darauf landesweit einheitlich vorgenommene Differenzierung mittels der Steuermesszahlen ein.
So modifiziert Nordrhein-Westfalens Grundsteuerhebesatzgesetz, gemessen an seinen faktischen Wirkungen, die Grundsteuer nach bisherigem Verständnis und vor allem auch nach Maßgabe des Grundsteuergesetzes. In Abkehr von der einheitlichen Grundlage für die Grundsteuer soll vielmehr ein individueller gemeindebezogener, mit einem Sachgestaltungsanspruch verbundener Belastungserfolg herbeigeführt werden. Ziel ist es dabei, das vormalige Grundsteuer-Belastungsniveau für die Wohngrundstücke zulasten der Nichtwohngrundstücke zu sichern. Die Eigentümer der Nichtwohngrundstücke als Gruppe in einer Gemeinde – in der Summe ihrer Grundsteuermessbeträge – soll so letztlich nicht von der Neubewertung ihrer Grundstücke in vollem Umfang profitieren und korrespondierend die Eigentümer der Wohngrundstücke als Gruppe in einer Gemeinde – in der Summe ihrer Grundsteuermessbeträge – von den nachteiligen Folgen der Neubewertung ihrer Grundstücke verschont werden. Die normativen Resultate der Neubewertung und die nachfolgende Steuerbemessung können damit im Nachhinein in Abhängigkeit der Struktur der jeweiligen Gemeinde im Wege des Zugriffs auf das Belastungsergebnis mittels der Bestimmung der Hebesätze egalisiert werden.
Letztlich geht es dem Landesgesetzgeber damit (nur) darum, die Folgen bundesgesetzlicher Typisierungen und Pauschalierungen auf Ebene des Bewertungsverfahrens mit Blick auf bebaute Grundstücke im Sinne des § 248 BewG zu relativieren, obgleich diese unter denselben Steuergegenstand im Sinne des § 2 GrStG fallen wie unbebaute Grundstücke im Sinne des § 246 BewG. Weil der nach Maßgabe der Bundesregelung sich einstellende Belastungserfolg aus Landesperspektive (politisch) nicht gewollt ist, werden punktuelle Eingriffe vorgenommen, die als solche den Zweckzusammenhang der Bundesregelung einerseits – nämlich der äußeren Form nach – bestätigen und andererseits – nämlich der inneren Absicht nach – modifizieren.
Der Landesgesetzgeber berücksichtigt ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs auch nicht, dass die Bestimmung der Höhe der Grundsteuer zugleich Ausdruck des Finanzbedarfs der jeweiligen Gemeinde ist. Schon deshalb kann es bei bau- und wertidentischen Grundstücken in verschiedenen Gemeinden zu einer unterschiedlichen Belastung mit der Grundsteuer nach dem Grundsteuergesetz kommen.
Überdies geht der Landesgesetzgeber im Hinblick auf die (politisch) erstrebte Aufkommensneutralität von einem anderen Ziel aus als der Bundesgesetzgeber: Der Bundesgesetzgeber will das Gesamtaufkommen in einer Gemeinde ausgeglichen wissen, um ein konstantes Grundsteueraufkommen zu sichern. Hingegen will der Landesgesetzgeber bei bau- und wertidentischen Grundstücken in verschiedenen Gemeinden der gleichen Steuerbelastung den Weg ebnen.
Ferner ist die Kompetenz des Landesgesetzgebers zur abweichenden Gesetzgebung zwar nicht auf einzelne Regelungsgegenstände oder -aspekte beschränkt, ob er aber die zweite Stufe der Ermittlung der Grundsteuer, mithin die zumindest landeseinheitlich wirkenden Steuermesszahlen, de facto überschreiben darf, erscheint zweifelhaft."
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