Studentenwohnen: Lohnt sich ein Investment trotz Corona?

Das Geschäft mit privaten Studentenapartments boomte zuletzt. Seit dem Corona-Sommer ist die Lage eine andere: Selbst in städtischen Wohnheimen stehen Buden leer. Das Wintersemester dürfte zur Bewährungsprobe auch für Investoren werden, so Experten. Langfristig bleibe der Markt aber angespannt.

Es sei zu wenig gebaut worden, die Lage auf dem studentischen Wohnungsmarkt werde von Jahr zu Jahr angespannter, sagte Rainer Nonnengässer, CEO des Projektentwicklers International Campus und einer von fünf Sachverständigen bei einem Fachgespräch zum Thema Studentisches Wohnen im Bundestag. Einen Mangel gibt es dem Experten zufolge vor allem im bezahlbaren Segment.

Das größte Marktpotenzial für Anleger hatten vor der Coronakrise Studentenapartments ab 500 Euro pro Monat, wie eine Studie von Bulwiengesa und Union Investment von 2019 zeigt. Ein WG-Zimmer kostet monatlich im bundesweiten Schnitt knapp 400 Euro, ein Platz im Wohnheim gerade einmal rund 250 Euro. Weil immer mehr Studierende in eine Pandemie-bedingte Notlage geraten, werde der Bedarf an "Wohnraum zu sozialverträglichen Mieten" steigen, ergänzte Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW) und ebenfalls als Sachverständiger geladen.

"Und das wiederum können die Studentenwerke nur mit staatlicher Förderung. Wir brauchen ein gemeinsames Handeln von Bund und Ländern." Achim Meyer auf der Heyde, DSW

Die Finanzhilfevereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus umfasst auch den Neubau und den Erhalt von Wohnheimen. Allerdings, so mahnte das DSW, müssten die Bundesländer die Mittel von einer Milliarde Euro auch für Studierendenwohnheime verwenden. Seit dem Jahr 2007 sei die Zahl der staatlich finanzierten Studienplätze um 45 Prozent gestiegen, die Zahl der staatlich geförderten Wohnheimplätze jedoch nur um acht Prozent. "Diese Schere darf nicht noch weiter auseinandergehen", so Meyer auf der Heyde.

Projektentwickler und Verband fordern eigene Förderprogramme für Studentisches Wohnen

Dem stimmte Nonnengässer weitgehend zu und brachte Förderprogramme ähnlich denen zu altersgerechtem Umbau ins Gespräch, verbunden mit Auflagen, so dass nicht nur hochpreisiges Wohnen entsteht. "Je höher die öffentliche Förderung ausfalle, desto größer sei die Chance, Mietpreise auf ein für Studierende akzeptables Niveau drücken zu können", so Meyer auf der Heyde.

Der DSW-Generalsekretär betonte bei dem Fachgespräch, dass die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum für Studierende erst recht nach der Pandemie, hoch bleiben werde – vor allem seitens einkommensschwächerer Studierender, die auf Wohnraum zu einem Mietniveau weit unterhalb der aktuellen BAföG-Wohnbedarfspausche von 325 Euro im Monat angewiesen seien. Dem Deutschen Studentenwerk zufolge gibt es in Deutschland rund 239.000 staatlich geförderte Wohnheimplätze, 194.000 davon beim DSW selbst. Beliebte Universitätsstädte sind immer noch gefragt.

Doch "wenn sich das Angebot speziell in gefragten Städten und Lagen für Projektentwickler und Investoren rentieren soll, müssen einfachere Wohnkonzepte realisiert werden", schrieb Henrik von Bothmer, Investment Manager Microliving bei Union Investment, bereits vor einem Jahr. Investoren müssten jedoch berücksichtigen, dass die Assetklasse in einer Boomphase "groß geworden" sei und Mietpreiserwartungen sowie Wertsteigerungen künftig eher knapper zu kalkulieren sein werden.

Kein durchgängiger Corona-Effekt bei den Mieten von Studentenwohnungen

Das Maklerportal Immowelt hat sich kürzlich die Entwicklung der Angebotsmieten von Wohnungen mit einer Größe von maximal 40 Quadratmetern in 59 Hochschulstädten im Laufe der Coronakrise angeschaut und kommt zu dem Schluss, das sich die meisten Märkte unbeeindruckt zeigen: In 45 von 59 Städten sind die Mieten von 2019 auf 2020 (jeweils das erste Halbjahr) weiter gestiegen.

Angezogen haben die Preise für Apartments deutlich in den Metropolen Köln (plus 15 Prozent), München (plus 13 Prozent), Frankfurt am Main (plus acht Prozent) und Berlin (plus sieben Prozent), aber auch in der kleinen, aber beliebten Studentenstadt Münster mit einem satten Anstieg von 14 Prozent. Dort, wo die Mieten steigen, liege das vor allem daran, dass sich Studenten und Singles um die wenigen Angebote "streiten", beobachtet Immowelt.

Der potenzielle Rückgang bei der Nachfrage durch Studenten spiegelt sich aber nur teilweise in den Mieten wider – während einerseits die Angebotsmieten weiter steigen, scheint andernorts das Maximum erreicht. Etwa in Karlsruhe sind die Mieten um 13 Prozent gesunken. Hier macht sich der Analyse zufolge unter anderem die ausgebliebene Nachfrage aus dem Sommersemester bemerkbar.

Auch im hochpreisigen München verschärft sich die Lage weiter. Der Anstieg von 13 Prozent führt zu einem Quadratmeterpreis von 27,80 Euro für kleine Wohnungen. Eine Kaltmiete jenseits der 1.000 Euro ist in der bayerischen Landeshauptstadt Normalität. Für Studenten sind solche Mieten nur schwer zu stemmen. Das hohe Preisniveau habe dazu geführt, dass sich auch viele alleinstehende Arbeitnehmer nur noch eine kleine Einraumwohnung leisten können, was die Nachfrage nach derartigen Wohnungen weiter nach oben treibt, so Immowelt.

"Die Wohnheimplätze sind dort häufig rar und die Konkurrenz am freien Wohnungsmarkt groß", erklärte Prof. Dr. Cai-Nicolas Ziegler, CEO von Immowelt. Der Kronacher Landrat Klaus Löffler (CSU) sagte beim Fachgespräch im Bundestag, wenn die Kommunen mehr Wohnheime bauen würden, zögen auch Privatinvestoren nach. Das wiederum dürfte den regulären Wohnungsmarkt entlasten.

Nachfrage nach Wohnheimplätzen hängt auch von einer möglichen zweiten "Corona-Welle" ab

Wohnheime für Studierende haben derzeit deutlich mehr freie Zimmer als in den Vorjahren. Das ergab eine dpa-Umfrage unter Studentenwerken in Niedersachsen und Bremen. Demnach konnten viele Studierende aus dem Ausland wegen der Einschränkungen in der Corona-Krise nicht zum Sommersemester nach Deutschland kommen. Ihre Zimmer sind nun leer.

So sind etwa in Osnabrück 120 internationale Studierende betroffen, wie eine Sprecherin des Studentenwerks mitteilte. Grundsätzlich ist die Nachfrage in Osnabrück groß. Vor Corona standen 351 Studenten auf der Warteliste für ein Zimmer oder Appartement – bei zunächst 300 Plätzen.

Beim Studentenwerk Ost-Niedersachsen standen jüngst 200 Zimmer wegen der Coronakrise leer. "Wir haben die Sorge, dass sich die Situation in den Wohnheimen noch viel weiter zuspitzen wird", sagte eine Sprecherin dort. Ähnlich sieht es in Göttingen aus: Dem Studentenwerk zufolge gab es Ende Mai 181 freie Plätze in den Wohnheimen, ein Jahr zuvor waren es 18 freie Zimmer. Auch in Oldenburg sind die Folgen der Coronakrise spürbar mit 50 Zimmer, die leer stehen.

In Hannover konnten die Leerstände inzwischen wieder "aufgefüllt" werden, sagte eine Sprecherin des Studentenwerks. Allerdings werde die Vermietung zunehmend eine Herausforderung. Schon im Sommer seien viele Programmstudierende nicht gekommen, die sonst an den Summer Schools der Hochschulen teilgenommen hätten. Das Studierendenwerk in Bremen hatte jüngst 55 Plätze in Wohngemeinschaften sowie einige Einzelapartments im Angebot. "Die weitere Entwicklung hängt unmittelbar damit zusammen, welche Einreisebestimmungen gelten und welchen Anteil Präsenzveranstaltungen an den Hochschulen im Land Bremen einnehmen werden", hieß es.

Auch Interesse am günstigem Wohnraum in Bayern für Studenten rückläufig

Auch in Bayern ist die Nachfrage nach Wohnheimplätzen derzeit jedoch infolge der Corona-Pandemie mancherorts eher gering. Beim Studentenwerk Erlangen / Nürnberg zum Beispiel ist die Zahl der Bewerbungen für ein Zimmer im Vergleich zum Vorjahr an allen Standorten um 30 bis 50 Prozent zurückgegangen, wie ein Sprecher mitteilte.

In Würzburg, wo die Warteliste für einen preisgünstigen Platz in einem Wohnheim sonst bis zu 500 Interessenten hat, sei die Liste bislang nur mit rund 100 Bewerbern gefüllt, so eine Sprecherin. Bei vielen Studenten vor alle aus dem Ausland sei aufgrund der Corona-Pandemie unklar, ob und wann sie überhaupt kommen könnten. Das gleiche Bild zeichnet das Studentenwerk Augsburg an seinen Standorten Augsburg, Kempten und Neu-Ulm: Die Nachfrage ist rückläufig wegen der Unsicherheit bezüglich des Mietbeginns. Die Vorlesungszeit beginnt im Wintersemester aufgrund der Corona-Pandemie erst im November und nicht wie sonst im Oktober.

Beim Studentenwerk München, wo Studierenden an den Standorten München, Rosenheim und Freising rund 11.000 Wohnplätze zur Verfügung stehen, ist die Nachfrage ungebrochen hoch, heißt es. Hier habe sich die Nachfrage von ausländischen Studenten und Studentinnen erhöht, "ein möglicher Grund könnte die ohnehin schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt sein", sagte die Sprecherin. Diese könnte sich durch die Corona-Pandemie noch verschlechtert haben.

dpa
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