1. Anwendungsbereich
Rn. 56
Stand: EL 164 – ET: 04/2023
Die Tarifermäßigung nach § 34 Abs 1 EStG oder (auf Antrag) nach § 34 Abs 3 EStG kommt in Betracht, wenn die Veräußerungstatbestände der §§ 14, 14a Abs 1 EStG (luf Betrieb), § 16 EStG (Gewerbebetrieb) oder § 18 Abs 3 EStG (Vermögen, das der selbstständigen Arbeit dient) erfüllt sind.
Im Einzelnen sind folgende Veräußerungsvorgänge bzw gleichgestellte Vorgänge begünstigt:
- ganzer Betrieb, s § 14 Rn 10–44 (Mitterpleininger); s § 16 neu Rn 151–200 (Schacht); s § 18 Rn 603–616 (Güroff)
- Teilbetrieb, s § 14 Rn 45–59a (Mitterpleininger); s § 16 neu Rn 201–250 (Schacht); s § 18 Rn 637–640 (Güroff)
- gesamter Mitunternehmeranteil, s § 14 Rn 60–69 (Mitterpleininger); s § 16 neu Rn 251–320 (Schacht); s § 18 Rn 641–642 (Güroff)
- gesamter Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA, s § 16 neu Rn 321–340 (Schacht) (gilt nur bei Einkünften aus Gewerbebetrieb)
- Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils bzw eines Teils eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA: Durch das UntStFG v 20.12.2001 (BStBl I 2002,35) und das StÄndG 2001 v 23.07.2002 (BGBl I 2002, 2715) sind diese Veräußerungen ab dem VZ 2002 nicht mehr begünstigt, s § 16 neu Rn 341 (Schacht).
- Veräußerung einer 100 %igen Beteiligung an einer KapGes, s § 16 neu Rn 213–214 (Schacht). Die Tarifermäßigung entfällt ab VZ 2002, s Rn 63.
- Einbringungsvorgänge nach UmwStG, s Rn 72–75
- Aufgabegewinne: Begünstigt sind gemäß § 16 Abs 3 S 1 EStG auch die Aufgabe eines Gewerbebetriebes (s § 16 neu Rn 923–924 (Schacht)), Teilbetriebes (s § 16 neu Rn 925–927 (Schacht)), Mitunternehmeranteils (s § 16 neu Rn 928–940 (Schacht)) sowie einer 100 %igen Beteiligung an einer KapGes (s § 16 neu Rn 926 (Schacht)).
2. Veräußerungsgewinne iSd § 16 EStG
a) Tatbestandsmerkmale
Rn. 57
Stand: EL 164 – ET: 04/2023
§ 34 Abs 2 Nr 1 EStG verweist auf die §§ 14, 14a Abs 1 EStG, §§ 16 und 18 Abs 3 EStG.
Es handelt sich um eine Rechtsgrundverweisung (vgl Sieker in K/S/M, § 34 EStG Rz B 18 (November 2016)), dh, die Begünstigung nach § 34 EStG setzt voraus, dass die jeweiligen Veräußerungstatbestände erfüllt sind.
Die Tatbestandsmerkmale der Einzelvorschriften sind durch (jahrelange) Rspr in der Weise festgelegt, dass – bei deren Vorliegen – auf eine Prüfung der Außerordentlichkeit iRd § 34 EStG verzichtet werden kann, vgl Horn in H/H/R, § 34 EStG Rz 39 (August 2019).
Nach der Rspr des BFH liegt eine Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebes vor, wenn bei entgeltlicher Übertragung
- alle wesentlichen Betriebsgrundlagen (s § 16 neu Rn 155–168 (Schacht); dabei richtet sich der Begriff "wesentliche Betriebsgrundlagen" nach den Grundsätzen der Rspr zur Betriebsaufspaltung, vgl BFH v 10.11.2005, BStBl II 2006,176); vgl auch FG He v 13.04.2011, BB 2012, 2942 (bestätigt BFH v 05.02.2014, X R 22/12, BStBl II 2014, 388): Der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage ist im Sinne einer kombiniert funktional-quantitativen Betrachtungsweise auszulegen. Danach gehören zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen sowohl WG, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung besitzen, als auch solche, die zwar funktional für den Betrieb nicht erforderlich sind, aber erhebliche stille Reserven enthalten)
- in einem einheitlichen Vorgang (s § 16 neu Rn 169–170 (Schacht))
- auf einen Erwerber (s § 16 neu Rn 169 (Schacht)) übergehen und wenn
- die bisher in diesem Betrieb entfaltete Tätigkeit endet (s § 16 neu Rn 171–173 (Schacht)). Nach BFH v 21.08.2018, BFH/NV 2019, 66 setzt die tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Einzelpraxis voraus, dass der StPfl die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen entgeltlich und definitiv auf einen anderen überträgt. Hierzu muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen.
Der Betrieb muss aber mit der Möglichkeit der Betriebsfortführung auf den Erwerber übergehen, s § 16 neu Rn 153 (Schacht).
Von zentraler Bedeutung für die Gewährung der Steuerermäßigung ist, dass sämtliche in den wesentlichen Betriebsgrundlagen enthaltenen stillen Reserven in einem einheitlichen Vorgang in einem VZ aufgelöst werden, vgl BFH v 17.12.2014, BStBl II 2015, 536 mwN zur Rspr (die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, vgl. BVerfG v 23.08.2017, 2 BvR 504/15, nv). Die Zurückbehaltung von WG (auch wenn es sich um gewillkürtes BV handelt) mit erheblichen stillen Reserven ist für die Anwendung des § 34 EStG schädlich, vgl BFH v 05.02.2014, BStBl II 2014, 388.
b) Veräußerungen gegen wiederkehrende Bezüge
Rn. 58
Stand: EL 164 – ET: 04/2023
Bei Veräußerung eines ganzen Betriebes (nach hM auch Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil, 100 %ige Beteiligung an einer KapGes, s § 16 neu Rn 525) hat der StPfl ein Wahlrecht zwischen der nach §§ 16 und 34 EStG begünstigten sofortigen Besteuerung und der (nicht begünstigten) nachträglichen Versteuerung als Einkünfte gemäß § 15 EStG iVm § 24 Nr 2 EStG.
Das Wahlrecht ist eine Billigkeitsregelung unter Berücksichtigung d...
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