Befangenheit bei mit  Staatsanwalt verheirateter Richterin?

Sind Richterin und sachbearbeitender Staatsanwalt miteinander verheiratet, begründet dies, auch im Bußgeldverfahren, die Besorgnis der Befangenheit. Das geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Kehl hervor.

Befangenheit ist gegeben, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO). Maßgeblich ist hierbei die Sicht eines verständigen und vernünftigen Verfahrensbeteiligten.  Es kommt weder darauf an, ob der Richter sich selbst für unbefangen hält, noch darauf, ob er für etwaige Zweifel an seiner Unbefangenheit Verständnis aufbringt.

Ich bin's

In dem fraglichen Verfahren hatte die Richterin in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren selbst angezeigt, dass sie mit dem bearbeitenden Staatsanwalt verheiratet ist.

Persönliche Verhältnisse des Richters geben allerdings nur dann Anlass zur Besorgnis der Befangenheit, wenn zwischen ihnen und der Sache ein besonderer Zusammenhang besteht. Solche persönlichen Verhältnisse können beispielsweise in einer Freundschaft oder aber auch Feindschaft zu einem Verfahrensbeteiligten gesehen werden. Auch die Ehe zwischen dem Richter und einem anderen Verfahrensbeteiligten ist grundsätzlich geeignet, Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters zu begründen. Denn die Ehe ist in der Regel auf gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung gegründet.

Warum Staatsanwalt und Richter nicht Ehepartner sein sollten

Aus Sicht auch eines unvoreingenommenen Angeklagten bzw. Betroffenen besteht bei dieser Konstellation die Besorgnis, dass der Richter den Ausführungen eines mit ihm verheirateten Staatsanwalts eine besondere Bedeutung beimisst, ihnen einen höheren Richtigkeitsgrad zuerkennt als in vergleichbaren Fällen.

Auch könnte (eventuell auch nur unbewusst) aus Rücksicht auf den Ehepartner einem Entscheidungsvorschlag (Verurteilung, Strafmaß etc.) zustimmt, ohne dass dies der Sach- und Rechtslage im Verfahren entspricht.

Befangenheitsregeln gelten auch bei Ordnungswidrigkeiten

Unerheblich ist es dabei nach Ansicht des Gerichts, dass es sich hier nicht um ein Strafverfahren sondern lediglich um ein Bußgeldverfahren handelt, in dem die Ermittlungen nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern von der Verwaltungsbehörde geführt wurden, die auch den Bußgeldbescheid erlassen hat. Denn nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und Vorlage der Akten an die Staatsanwaltschaft gehen die Aufgaben der Verfolgungsbehörde auf diese über (§ 40 Abs. 4 S. 1 OWiG).

Unerheblich ist dabei auch, ob sich der sachbearbeitende Staatsanwalt vor Übersendung der Akten gemäß § 40 Abs. 4 S. 2 OWiG an das Amtsgericht zur Entscheidung über den Einspruch mit der Sache eingehend auseinandergesetzt oder ein eigenes Interesse an der Ahndung der dem Betroffenen vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit hat.

Bedeutung des Verfahrens für den Staatsanwalt nicht ausschlaggebend

Ebenso unerheblich ist der Inhalt der Übersendungsverfügung.  Im konkreten Fall war das Verfahren für den sachbearbeitenden Staatsanwalt eines von vielen und von untergeordneter Bedeutung.  So erklärte der Staatsanwalt in einem Formular, einer Entscheidung durch Beschluss nicht zu widersprechen, und dass er beabsichtige, nicht an der Verhandlung teilzunehmen, auf Terminsnachricht verzichte und keinen Antrag auf eine schriftliche Begründung des Urteils stelle.

  • Denn den Schluss auf eine untergeordnete Bedeutung des Verfahrens kann allenfalls derjenige ziehen, der die Praxis der Bearbeitung von Bußgeldverfahren durch die Staatsanwaltschaft kennt, befand das Amtsgericht Kehl.
  • Das sei weder im Allgemeinen noch hier im Besonderen anzunehmen.
  • Im Übrigen ist der sachbearbeitende Staatsanwalt nicht gehindert, jederzeit ein stärkeres Interesse an der Sache zu entwickeln und sich unmittelbar ins Verfahren einzuschalten.

(AG Kehl, Beschluss v. 15.04.2014, 5 OWi 304 Js 2546/14).


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Schlagworte zum Thema:  Befangenheit, Richter, Gerichtsverfahren