BeA: Zugang von Willenserklärungen zwischen Anwälten

Für den Zeitpunkt des Zugangs von über das beA von Anwalt zu Anwalt übermittelten Willenserklärungen ist der Eingang im BeA-Postfach des Empfängers zu den üblichen Geschäftszeiten entscheidend.

Die Gerichte haben sich in der Vergangenheit häufig mit der Kommunikation zwischen Anwalt und Gerichten unter Nutzung des BeA befassen müssen. Eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamm betrifft die ebenso interessante Frage des Zugangs von Dokumenten im Rahmen der BeA-basierten Kommunikation zwischen Anwalt und Anwalt.

Klage auf Schadenersatz aus Grundstückskauf

Gegenstand des vom OLG entschiedenen Falls war ein Rechtsstreit über Schadenersatz in Höhe von über 100.000 EUR aus einem Grundstückskaufvertrag. Die Entscheidung des Rechtsstreits hing maßgeblich von der Frage ab, zu welchem Zeitpunkt eine an die Prozessbevollmächtigte der klagenden Käuferin per BeA übersandte Erklärung dieser zugegangen war.

Grundstückskaufvertrag schwebend unwirksam

Im Juli 2020 hatten die Parteien einen notariellen Vertrag über den Kauf des streitgegenständlichen Grundstücks geschlossen. Wie sich anschließend herausstellte, besaß der bei Abschluss des Kaufvertrages für die Käuferin tätige Vertreter keine wirksame Vollmacht. Der Grundstückskaufvertrag war damit schwebend unwirksam. Die Wirksamkeit hing damit von einer möglichen nachträglichen Genehmigung ab.

Aufforderung zur Genehmigung des Grundstückskaufvertrags

Wegen einer von der Käuferin behaupteten Wohnflächenabweichung und eines behaupteten Feuchtigkeitsschadens hatten die Parteien in der Folgezeit intensiv über eine Reduktion des Kaufpreises verhandelt. Im Zuge der Verhandlungen forderten die Verkäufer die Käuferin mit Schreiben vom 5.3.2021 ultimativ auf, sich „innerhalb der gesetzlichen Frist“ über die Genehmigung des Kaufvertrages zu erklären. Das entsprechende Schreiben übermittelte der bevollmächtigte Anwalt der Verkäufer über sein beA der bevollmächtigten Anwältin der Käuferin am selben Tag. Streitig ist zwischen den Parteien der Zeitpunkt des Zugangs dieser Aufforderung bei der Käuferanwältin.

Frist für Vertragsgenehmigung: 2 Wochen nach Aufforderung

Der Zeitpunkt des Zugangs der Genehmigungsaufforderung war für die Entscheidung des Rechtsstreits von entscheidender Bedeutung. Im Falle des Abschlusses eines Vertrages durch einen vollmachtlosen Vertreter hängt die Wirksamkeit des Vertrages gemäß § 177 Abs. 1 BGB von der nachträglichen Genehmigung des Vertretenen abhängt. Gemäß § 177 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der andere Teil den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auffordern. Nach § 177 Abs. 2 Satz 2 BGB kann eine auf diese Weise eingeforderte Genehmigung nur bis zum Ablauf von 2 Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden, andernfalls gilt die Genehmigung kraft Gesetzes als verweigert.

Zeitpunkt des Zugangs der Aufforderung zur Genehmigung streitig

Im konkreten Fall hatte die Käuferanwältin im Auftrag ihrer Mandantin die Genehmigung gegenüber dem beurkundenden Notar zwar erteilt, jedoch ging diesem die Genehmigung erst am 22.3.2021 zu, also deutlich später als 2 Wochen nach Eingang der Genehmigungsaufforderung vom 5.3.2021 im BeA der Käuferanwältin. Die Käuferanwältin war der Meinung, die Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung sei ihr erst am 9.3.2021 zugegangen, denn erst zu diesem Zeitpunkt habe sie die Aufforderung wegen mehrtägiger Kanzleiabwesenheit zur Kenntnis genommen bzw. nehmen können. Die Genehmigung sei gegenüber dem Notar somit rechtzeitig innerhalb der Zweiwochenfrist erteilt worden.

Zugang der Willenserklärung mit Eingang im BeA

Das OLG verwies in seiner Entscheidung auf die ständige Rechtsprechung des BGH, wonach eine Willenserklärung gemäß § 130 BGB dann als zugegangen gilt, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann (BGH, Urteil v. 26.11.1998, VIII ZR 22/97). Deshalb komme es allein darauf an, ob

  • die betreffende Nachricht während der üblichen Geschäftszeiten
  • abrufbereit im BeA des Empfängeranwalts eingegangen sei.

Das OLG war – wie schon die Vorinstanz – der Überzeugung, dass das Schreiben der Beklagten vom 5.3.2021 während der üblichen Geschäftszeit der Käuferanwältin in deren beA eingegangen und die Aufforderung zur Vertragsgenehmigung damit zu diesem Zeitpunkt wirksam zugegangen war.

Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme ist unerheblich

Entgegen der Auffassung der Käuferanwältin ist nach der Entscheidung des OLG der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme des im BeA eingegangenen Schriftstücks für die Bestimmung des Zugangszeitpunktes unerheblich. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des BGH zum Eingang einer E-Mail auf dem Mailserver des Empfängers (BGH, Urteil v. 6.10.2022, VII ZR 895/21) und sei im Fall des Eingangs eines elektronischen Dokuments im BeA nicht anders zu beurteilen.

Benachrichtigungsmail über Posteingang berührt nicht den Zugangszeitpunkt

Unerheblich ist nach Auffassung des Senats auch, ob die Empfängeranwältin über den Eingang des Schriftstücks im BeA eine Benachrichtigungsmail erhalten hat. Diese Funktion des BeA, bei der das Programm eine Benachrichtigung über einen Posteingang an die E-Mail-Adresse des Anwalts versendet, sei eine optionale Zusatzfunktion und berühre nicht den eigentlichen Zugangszeitpunkt.

Genehmigungserklärung kam zu spät

Da nach diesen Grundsätzen die Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung des Grundstücksgeschäfts der Anwältin der Käuferin am 5.3.2021 wirksam zugegangen war, war die Frist zur Genehmigung des Geschäfts am 19.3.2021 abgelaufen und der Zugang der Genehmigung beim Notar am 22.3.2021 ebenso verspätet wie der noch spätere Zugang der Genehmigungserklärung bei der Verkäuferseite. Damit galt gemäß § 177 Abs. 2 Satz 2 BGB die Genehmigung als endgültig nicht erteilt.

Kein Schadenersatz mangels wirksamen Grundstückskaufvertrags

Im Ergebnis war nach der Entscheidung des OLG ein wirksamer Grundstückskaufvertrag nicht zustande gekommen. Somit lief auch der erklärte Rücktritt ins Leere, mit der Folge, dass ein Anspruch auf Schadenersatz gemäß §§ 433, 434 a.F., 437, 280, 281 BGB in Zusammenhang mit dem erklärten Rücktritt nicht in Betracht kam.

(OLG Hamm, Urteil v.22.2.2024, 22 U 29/23)

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