Zustellzertifikat kein Ersatz für gerichtliches-EB

Die „Zustellbestätigung“ einer Kanzleisoftware, die über eine Schnittstelle zum beA verfügt, ist regelmäßig kein Ersatz für die elektronische gerichtliche Eingangsbestätigung.

Nach einer aktuellen Entscheidung des OLG Hamm dürfen Rechtsanwälte sich bei der Überprüfung des Eingangs der über ihr beA versandten fristgebundenen Schriftsätze bei Gericht nicht ohne Weiteres auf „Zustellbestätigungen“ ihrer Kanzlei-Software verlassen.

Wiedereinsetzungsantrag trotz „Zustellbestätigung“ zurückgewiesen

Das OLG hat den von einem Rechtsanwalt wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist eingereichten Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen, obwohl nach seiner Darstellung die von ihm verwendete Anwaltssoftware eine Zustellbestätigung über den ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründungsschrift bei Gericht ausgegeben hatte.

Rechtsanwalt vermutete technische Störung des Justizservers

In seinem Wiedereinsetzungsantrag hatte der Rechtsanwalt die versäumte Berufungsbegründungsfrist mit einer technischen Störung im Justizserver zu erklären versucht. Die Berufungsbegründungsschrift sei über sein beA rechtzeitig versandt worden. Das für die Überprüfung von Fristen zuständige Büropersonal sei angewiesen, die ordnungsgemäße Übersendung fristgebundener Schriftsätze sorgfältig zu überprüfen und erst danach die Frist im Fristenkalender zu streichen. Im konkreten Fall habe die verwendete Anwaltssoftware unter der Rubrik „Zustellbestätigung“ ein grünes Häkchen und damit eine ordnungsgemäße Übermittlung des Schriftsatzes angezeigt. Tatsächlich sei der Schriftsatz aufgrund eines Fehlers im Justizserver bei Gericht nicht eingegangen.

Überprüfung der originären Eingangsbestätigung erforderlich

Diese Argumentation überzeugte das OLG nicht. Die Kontrollmechanismen in der Kanzlei des Prozessvertreters des Beschwerdeführers genügten nach der Entscheidung des Senats nicht den für die Überprüfung des Eingangs von fristgebundenen Schriftsätzen geltenden Sorgfaltsanforderungen. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs erforderten gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO eine Kontrolle der originären gerichtlichen Eingangsbestätigung (BGH, Beschluss v. 15.12.2022, IZB 35/22).

Anweisungslage der Kanzlei unzureichend

Nach der Anweisungslage in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers seien die Mitarbeiter lediglich gehalten, das von der Kanzlei-Software ausgegebene „Zustellzertifikat“ zu überprüfen. Selbst diese Anweisung sei möglicherweise lückenhaft, da aus der Antragsbegründung des Rechtsanwalts nicht einmal hervorgehe, auf welche spezifischen Merkmale die Zustellbestätigungen, die verschiedene Angaben enthielten, genau überprüft werden sollten.

Überprüfung des Meldetextes der Eingangsbestätigung erforderlich

Erforderlich ist nach der Entscheidung des OLG die Überprüfung der automatisierten Eingangsbestätigung im Sinne des § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO. Nur diese verschaffe dem Absender Gewissheit über eine erfolgreiche Übermittlung des elektronischen Dokuments. Die in das BeA-System eingebettete Eingangsbestätigung enthalte den Meldetext „request executed“, das Eingangsdatum sowie den Zusatz „Erfolgreich“. Erst hieraus könne der Anwalt den Rückschluss auf eine erfolgreiche Übermittlung des Schriftsatzes ziehen (BGH, Beschluss v. 18.4.2023, IV ZB 36/22). Bei Übertragung dieser Prüfungspflichten auf Kanzleimitarbeiter seien diese entsprechend zu schulen und zu unterweisen.

Zustellbestätigung ist kein Surrogat für gerichtliche Eingangsbestätigung

Nach der Beurteilung des OLG entspricht eine über die Rechtsanwaltssoftware generierte „Zustellbestätigung“ nicht den Anforderungen des § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO. Demgemäß entsprächen auch die von dem Anwalt in seinem Wiedereinsetzungsantrag dargelegten Anweisungen an das Personal seiner Kanzlei zur Überprüfung des ordnungsgemäßen Eingangs fristgebundener Schriftsätze bei Gericht nicht den rechtlichen Anforderungen und seien daher nicht geeignet, eine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen.

Screenshot der gerichtlichen Eingangsbestätigung ist als Nachweis zulässig

An diesem Ergebnis ändert es nach Auffassung des Senats auch nichts, dass nach der Rechtsprechung des BGH der Export einer in der Webanwendung des beA hinterlegten automatisierten Eingangsbestätigung und somit die Schaffung eines Ersatzdokuments (Screenshot) für den Zustellungsnachweis grundsätzlich zulässig ist, solange sichergestellt wird, dass die Informationen über Absender, Empfänger, übermitteltes Dokument sowie Versand und Zugangszeitpunkt dauerhaft gespeichert werden können (BGH, Beschluss v. 30.3.2023, III ZB 13/22). Um einen solchen anerkannten Ersatznachweis handelte es sich nach Auffassung des OLG-Senats bei der von der Klägerin vorgelegten und von der Kanzleisoftware generierten „Zustellbestätigung“ aber nicht.

Technische Störung im Justizserver nicht entscheidungserheblich

Nach Auffassung des OLG kam es nicht mehr darauf an, ob die von dem Anwalt behauptete technische Störung der Eingangssoftware des Gerichts tatsächlich vorgelegen hatte. Hätte eine solche technische Störung des Justizservers vorgelegen, so hätte die Überprüfung der gerichtlichen Eingangsbestätigung im beA ergeben, dass der Schriftsatz nicht ordnungsgemäß eingegangen war. In der Folge hätte zur Fristwahrung die Berufungsbegründung – so das OLG – vorsorglich per Fax oder schriftlich unter Hinweis auf die Zugangsstörung beim Rechtsmittelgericht eingereicht werden müssen.

Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen

Im Ergebnis war nach Auffassung des OLG die Kontrolle des Eingangs der Berufungsbegründung beim Rechtsmittelgericht in der Kanzlei des Prozessvertreters des Beschwerdeführers unzureichend. Damit war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen.

(OLG Hamm, Beschluss v. 15.1.2024, 22 U 13/23)

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