Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung: Keine Besorgnis der Befangenheit bei Ehe mit befassten Kollegen

 

Leitsatz (amtlich)

Der bloße Umstand, dass die abgelehnte Richterin mit dem Landgerichtspräsidenten, der an der im Verfahren der weiteren Beschwerde angegriffenen Kollegialentscheidung zweiter Instanz mitgewirkt hat, verheiratet ist, reicht für eine Ablehnung nach der zitierten Rechtsprechung des BGH nicht aus.

 

Normenkette

ZPO §§ 42 ff.

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Verfahrenspflegerin zu 2) vom 2.9.2005 wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Das Ablehnungsgesuch ist zulässig.

Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) enthält keine eigenen Vorschriften über die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit durch einen Verfahrensbeteiligten. Für derartige Fälle werden deshalb die Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 42 ff. ZPO) entsprechend angewendet (BayObLG NJOZ 2002, 2155 [2156]).

Das Ablehnungsgesuch ist statthaft und formgerecht eingelegt (§ 42 Abs. 1, § 44 Abs. 1 ZPO).

2. Das Ablehnungsgesuch ist jedoch unbegründet.

a) Richterin am Bayer. Obersten LG X. ist nicht nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramts im Verfahren der weiteren Beschwerde kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil sie bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung des LG nicht selbst mitgewirkt hat. Die Mitwirkung ihres Ehemannes, des Präsidenten des LG X., an diesem Beschluss ist dem nicht gleichzusetzen, weil § 41 ZPO die Ausschließungsgründe abschließend aufführt; schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im Voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG), ist die Vorschrift einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich (BGH NJW 2004, 163, m.w.N.).

b) Ein Fall der Besorgnis der Befangenheit gem. § 42 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor.

aa) Entsprechend § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei muss es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige oder eingebildete Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (st. Rspr., z.B. BayObLG WuM 2002, 47).

Die Mitwirkung des Ehemannes einer Rechtsmittelrichterin an der angefochtenen Entscheidung stellt keinen generellen Ablehnungsgrund gem. § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf deren Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar. Eine solche generalisierende, allein auf die Tatsache des ehelichen Näheverhältnisses abstellende, Betrachtung würde auf dem Umweg über § 42 ZPO zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 41 ZPO führen, da sie faktisch einem Ausschluss kraft Gesetzes gleichkäme. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit vielmehr nur dann statt, wenn ein konkreter Grund vorgetragen und glaubhaft gemacht wird, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (BGH NJW 2004, 163 f.).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist das Ablehnungsgesuch unbegründet. Der bloße Umstand, dass die abgelehnte Richterin mit dem Landgerichtspräsidenten, der an der im Verfahren der weiteren Beschwerde angegriffenen Kollegialentscheidung zweiter Instanz mitgewirkt hat, verheiratet ist, reicht für eine Ablehnung nach der zitierten Rechtsprechung des BGH nicht aus. Konkrete Umstände, aus denen sich eine Befangenheit im hier vorliegenden Fall ergeben könnte, hat die Verfahrenspflegerin nicht dargetan, erst recht nicht glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO). Sie hat nur allgemeine Vermutungen geäußert: Es sei davon auszugehen, dass man innerhalb einer Ehe auch über berufliche Angelegenheiten spreche, insb. dann, wenn ein Ehepartner über eine Entscheidung des anderen Ehepartners entscheiden müsse. Auch ohne Gespräche sei die Richterin aufgrund der Ehe nicht unvoreingenommen. Aus der dienstlichen Äußerung der Richterin am BayObLG X. ergibt sich hierzu kein Anhaltspunkt. Sie hat ausgeführt, ihr Mann und sie würden grundsätzlich nicht über diejenigen Verfahren reden, die sie zu bearbeiten hätten. Da sie unter der Woche getrennt an verschiedenen Orten wohnen, würden sie ihr gemeinsames Wochenende nicht mit dem Durchsprechen von gerichtlichen Verfahren verbringen.

Sonstige Anhaltspunkte, aus denen sich die Befürchtung ergeben könnte, die abgelehnte Richterin könnte geneigt sein, die Entscheidung, die ihr Ehemann nicht allein getroffen, sondern an der er als Vorsitzender eines Kollegialgerichts lediglich mitgewirkt hat, aus sachfremden Erwägungen zu bestätigen oder zu ändern bzw. in die kollegiale Senatsentscheidung derartige sachfremde Erwägungen einfließen zu lassen, sind nicht ersichtlich.

Das Gesuch war daher als unbegründet zurückzuwe...

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