Rn 5

Realakte sind Handlungen ohne Mitteilungs- oder Kundgabefunktion (Neuner AT § 28 Rz 13), als rechtmäßige Handlungen, wie beim Besitzerwerb nach § 854 I, oder als unrechtmäßige, wie der unerlaubten Handlung gem § 823. Die Rechtsfolgen ergeben sich aus dem Gesetz, rechtsgeschäftliche Regeln sind prinzipiell unanwendbar. Eine Betriebskostenabrechnung ist eine Wissenserklärung oder Wissensmitteilung ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen (BGH NJW 14, 2780 [BGH 28.05.2014 - XII ZR 6/13] Tz 27). Für sie kann eine Haftung nach §§ 280 I, 241 II, 311 II begründet sein (BGH NJW 08, 1517 [BGH 12.03.2008 - VIII ZR 253/05]).

 

Rn 6

Gefälligkeitsverhältnisse bestehen bei Handlungen, die in rechtsgeschäftlicher Gestalt vorgenommen werden könnten, bei denen den Beteiligten aber in concreto ein Rechtsbindungswille fehlt (BGHZ 21, 102, 106), zB Einladung zum Abendessen. Wichtige Indizien zur Bestimmung des Rechtsbindungswillens bilden die soziale Nähe, die Interessenlage der Beteiligten sowie die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit (BGHZ 56, 204, 210; 88, 373, 382), aber auch der gesellschaftliche Verkehr (BGH NJW 12, 3366 Tz 14). Eine Haftungsmilderung analog §§ 521, 599, 690 lehnt die Rspr ab, weil auch beim unentgeltlichen Auftrag eine Haftungsmilderung fehlt (BGH NJW 92, 2475 [BGH 09.06.1992 - VI ZR 49/91]); ggf kann ein konkludenter Haftungsausschluss vorliegen (BGH NJW 79, 415 [BGH 13.12.1978 - VIII ZR 266/77]). Demgegenüber ist von einer Haftungsmilderung auszugehen, wenn sie bei Vorliegen eines Rechtsbindungswillens eingreifen würde (Staud/Bork Vorbem zu §§ 145–156 Rz 86), wobei auch an § 708 – beachte nF zum 1.1.24 – zu denken ist.

 

Rn 7

Als rechtsgeschäftsähnliche Handlung wird eine willentliche Erklärung bezeichnet, bei der die Rechtsfolge eintritt, weil das Gesetz sie anordnet und nicht, weil sie gewollt ist. Die Erklärungen werden vielfach auf Ansprüche oder Rechtsverhältnisse Bezug nehmen und im Bewusstsein der dadurch ausgelösten Rechtsfolgen ausgesprochen werden, doch müssen sie nicht unmittelbar darauf gerichtet sein (BGH NJW 01, 290). Hierzu gehören Willensäußerungen, wie Mahnungen, § 286 I 1, Fristsetzungen, §§ 281 I 1, 323 I 1, Aufforderungen zur Genehmigung, §§ 108 II 1, 177 II 1, Abhilfeverlangen, § 651c, die Anmeldung von Ansprüchen gem § 651g I 1 (BGH NJW 01, 290 [BGH 17.10.2000 - X ZR 97/99]), (Abschlags-)Rechnungen (Stuttg NJW 12, 2360, 2361 [OLG Stuttgart 06.03.2012 - 10 U 102/11]) sowie Wissensmitteilungen, zB nach den §§ 149, 409 I 1. Die Rechtsgeschäftsregeln sind grds analog anwendbar (BGHZ 47, 352, 357), doch kann im Einzelfall eine abweichende Beurteilung geboten sein. § 130 ist regelmäßig anwendbar (BGH NJW 87, 2236 [BGH 13.05.1987 - VIII ZR 137/86]). § 174 gilt entspr für die Mahnung (BGH NJW 83, 1542 [BGH 25.11.1982 - III ZR 92/81]), nicht aber für die Geltendmachung tariflicher Ansprüche (BAG NJW 03, 236 [BAG 14.08.2002 - 5 AZR 341/01]). Die Anfechtungsregeln sind nur anwendbar, wenn an die Äußerung eine dem Mitteilenden ungünstige Folge geknüpft ist, zB § 171 (Neuner AT § 28 Rz 11). Keine rechtsgeschäftsähnliche Handlung begründet die Geschäftsführung ohne Auftrag (MüKo/Schäfer § 677 Rz 14; aA LG Aachen NJW 63, 1253 [LG Aachen 25.04.1963 - 6 S 17/63]).

 

Rn 8

Die Einwilligung in die Verletzung eines absolut geschützten Rechts(guts), insb in eine ärztliche Heilbehandlung, stellt kein Rechtsgeschäft dar. Im Einzelfall können rechtsgeschäftliche Regelungen anwendbar sein (§ 823 Rn 17). Beim einwilligungsfähigen Minderjährigen ist grds die doppelte Einwilligung des Minderjährigen und der Eltern (BGHZ 105, 48) zu verlangen. Nach der Rspr genügt für die Einwilligungsfähigkeit in den ärztlichen Heileingriff, ob der Einwilligende nach seiner geistigen Veranlagung und Entwicklung sowie seiner sittlichen Reife befähigt ist, die Erheblichkeit und möglichen Folgen des Eingriffs zu erkennen (BGHZ 29, 33, 37), s.a. § 40 IV Nr 3 AMG. Beim Schwangerschaftsabbruch ist grds allein auf die Einwilligung der Minderjährigen abzustellen.

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