Gesetzestext

 

Ein Gesellschafter hat bei der Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.

 

Gestaltungsfreiheit. (zum 1.1.24)

Von den Vorschriften dieses Kapitels kann durch den Gesellschaftsvertrag abgewichen werden, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift des § 708 definiert den Haftungsmaßstab im Innenverhältnis der Gesellschaft als die sog eigenübliche Sorgfalt, diligentia quam in suis, s § 277. Hintergrund der Regelung ist der Gedanke, zwischen den Gesellschaftern bestehe eine Art ›Schicksalsgemeinschaft‹ aufgrund ihrer selbst gewählten engen Verbundenheit und der damit verbundenen Konsequenz, die Mitgesellschafter so zu akzeptieren, ›wie sie einmal seien‹ (Mugdan II, 985). Aus diesem Grund sei eine Haftungserleichterung dahingehend, dass jeder nur für das einzustehen habe, was nicht über seine in eigenen Angelegenheiten angewandte Sorgfalt hinausgehe, angemessen (zur Ausnahme bei Publikums-GbR vgl Rn 3).

 

Rn 2

§ 708 ist dispositives Recht. Bei der Frage nach dem Haftungsmaßstab sind daher vorrangig gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen heranzuziehen, aus denen Haftungserleichterungen oder -verschärfungen folgen können. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist nicht auf vertragliche Ansprüche beschränkt, sondern gilt auch im deliktischen Bereich (BGH NJW 93, 23, 29; 85, 794 [BGH 20.11.1984 - IVa ZR 104/83]). Andernfalls würde über das Deliktsrecht dem Haftungsprivileg des § 708 seine Wirkung genommen. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Gesellschaftsverhältnis ist in diesen Fällen dann gegeben, wenn auch zugleich eine gesellschaftsvertragliche Pflicht verletzt wird. Zudem muss die Pflichtverletzung in Erfüllung gesellschaftsvertraglicher Pflichten entstanden sein und nicht lediglich bei deren Gelegenheit (s Rn 5).

B. Anwendungsbereich.

I. Gesellschaftsverhältnis.

 

Rn 3

Über die §§ 161, 105 HGB gilt § 708 auch für die Personenhandelsgesellschaften der OHG und KG, über § 1 IV PartGG auch für die Partnerschaftsgesellschaft. Dagegen ist die Vorschrift entgegen § 54 1 nicht auf den nicht-rechtsfähigen Verein anzuwenden, da dieser körperschaftlich strukturiert ist und nicht dem Normzweck unterfällt (Erman/Westermann § 708 Rz 3). Gleiches gilt im Ergebnis für Publikumspersonengesellschaften. Diese werden als kapitalistisch geprägter Zusammenschluss durch teleologische Reduktion des § 708 seinem Anwendungsbereich entzogen (BGHZ 75, 321, 327; 69, 207, 209), weil es an dem personalistischen Element unter den Gesellschaftern fehlt, das der Grund des Haftungsprivilegs ist. Die Differenzierung zwischen personalistisch oder kapitalistisch geprägten Rechtsverhältnissen gilt auch bei sonstigen der Gesellschaft ähnlichen Rechtsverbindungen wie der Gemeinschaft, nicht aber bei GmbH & Co KGs (BGH WM 20, 2035 Rz 36 ff, wonach auch bei personalistischer GmbH & Co KG stets § 43 GmbHG gilt; aA MüKo/Schäfer § 708 Rz 5; Erman/Westermann § 708 Rz 3). Partiarische Rechtsverhältnisse fallen laut BGH (WM 88, 172) regelmäßig nicht unter § 708. Für nichteheliche Lebensgemeinschaften in Form einer GbR gilt § 708 (Erman/Westermann § 708 Rz 3).

 

Rn 4

Trotz Vorliegens eines Gesellschaftsverhältnisses macht der BGH bei einem Handeln im Straßenverkehr deutliche Einschränkungen. Häufig wird es sich hier um Innengesellschaften in Form von Gelegenheitsgesellschaften wie zB Fahrgemeinschaften handeln. Die Rspr reduziert den Anwendungsbereich jedoch für alle Gesellschaftsformen bis zum völligen Ausschluss des § 708 (BGHZ 46, 313, 317; Soergel/Hadding/Kießling § 708 Rz 3; aA Erman/Westermann § 708 Rz 6; MüKo/Schäfer § 708 Rz 13 f). Begründet wird die Reduktion mit den Anforderungen des Straßenverkehrs, welcher keinen Raum für individuelle Sorglosigkeit biete. Diese Auffassung überzeugt angesichts des Normzwecks der Vorschrift nicht. § 708 findet lediglich im Binnenverhältnis der Gesellschaft Anwendung; wer sich seinen Mitgesellschafter selber aussucht, soll auch dessen individuellen Sorgfaltsmaßstab in Kauf nehmen müssen. Die Sorgfaltsanforderungen des Straßenverkehrs und dessen beabsichtigter Schutz können aus diesem Grund eine Nichtanwendbarkeit der Vorschrift im Innenverhältnis nicht begründen (Erman/Westermann § 708 Rz 6; MüKo/Schäfer § 708 Rz 13 f).

II. Beschränkung auf das Innenverhältnis.

 

Rn 5

Das Haftungsprivileg des § 708 ist auf das Innenverhältnis der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter beschränkt. Dem Anwendungsbereich entzogen sind dagegen Beziehungen zu Gläubigern der Gesellschaft sowie sog Drittverhältnisse (§ 705 Rn 31) zwischen Gesellschaft und Gesellschafter (MüKo/Schäfer § 708 Rz 7; BRHP/Schöne § 708 Rz 8).

 

Rn 6

Das Tatbestandsmerkmal ›bei der Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen‹ begrenzt den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Handlungen, welche ihre Begründung im Gesellschaftsvertrag finden. Dies geschieht analog §§ 31, 831 in Abgrenzung zu Verrichtungen ›bei Gelegenheit‹ der Erfüllung gesellschaftlicher Pflichten. Erforderlich ist demnach ein unmittelbarer innerer Zusammenhan...

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