Alle in der KW 26 veröffentlichten BGH-Leitsatzentscheidungen

Kompakt und aktuell: Hier finden Sie einen Überblick der in der KW 26 vom Bundesgerichtshof veröffentlichten sog. Leitsatzentscheidungen.

Senat

Leitsatz

Datum und Az.

6a. Zivilsenat

Hat das Kraftfahrt-Bundesamt vor Erwerb des Fahrzeugs durch den Geschädigten wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen Maßnahmen angeordnet und wurde darüber in den Medien berichtet, obliegt es dem Geschädigten, das Nichtvorliegen vom Schädiger behaupteter Umstände zu beweisen, welche die Beurteilung seines Verhaltens als nicht sittenwidrig wegen einer Verhaltensänderung rechtfertigen.

BGH-Urteil v. 26.6.2023, VIa ZR 533/21

6a. Zivilsenat

1. Unter den Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV steht dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehenen Kraftfahrzeugs ein Anspruch gegen den Fahrzeughersteller auf Ersatz des Differenzschadens zu.

2. Die Tatbestandswirkung einer EG-Typgenehmigung kann einem Anspruch des Fahrzeugkäufers auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung nicht entgegengehalten werden.

BGH-Urteil v.26.6.2023, VIa ZR 335/21

4. Zivilsenat

Zum Auskunftsanspruch des Gebäudeversicherers gegen den Mieter bezüglich des Inhalts eines von diesem abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages (hier: Versicherungsverhältnis einer Gemeinde mit dem Kommunalen Schadensausgleich).

BGH-Urteil v. 7.6.2023,  IV ZR 252/22

2. Zivilsenat

1. Die Benennung der Zwecke der Ermächtigung zur Ausnutzung eines genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts muss nicht im Ermächtigungsbeschluss, sondern kann auch in einem nach § 203 Abs. 2 Satz 2, § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG der Hauptversammlung zugänglich zu machenden Vorstandsbericht durch eine nicht abschließende, beispielhafte Aufzählung von Ausschlussfällen erfolgen.

2. Beschließt die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft eine Satzungsänderung, durch die der Vorstand bei der Nutzung eines genehmigten Kapitals ermächtigt wird, über den Ausschluss des Bezugsrechts zu entscheiden, ist der entsprechend § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG zu erstellende Vorstandsbericht bei der Auslegung des Hauptversammlungsbeschlusses heranzuziehen.

BGH-Urteil v. 23.5.2023, II ZR 141/21

8. Zivilsenat

Eine Verzinsung eines materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs für verauslagte Gerichtskostenvorschüsse gemäß § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, soweit dieser materiell-rechtliche Erstattungsanspruch wegen des Vorrangs des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nicht durchgesetzt werden kann.

BGH-Urteil v. 26.4.2023, VIII ZR 125/21

2. Strafsenat

Einen erlaubnispflichtigen Zahlungsdienst im Sinne der § 63 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (ZAG) erbringt auch derjenige, der gegenüber den Zahlungsdienstnutzern nur zum Schein als Zahlungsdienstleister auftritt.

BGH-Beschluss v. 28.2.2023, 2 StR 371/22

2. Strafsenat

§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass der Täter mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich die Körperverletzung begeht. Das ist bei einem Unterlassen durch zwei Garanten nicht der Fall.

BGH-Beschluss v. 17.1.2023, 2 StR 459/21

3. Zivilsenat

Mobilfunkvertrag, Endgerätewahlfreiheit

1. Das Recht der Endnutzer eines Internetzugangsdienstes, Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen (Endgerätewahlfreiheit), kann vertraglich nicht abbedungen werden.

2. Die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Telekommunikationsunternehmens, mit der die vertragsgemäße Nutzung des Internetzugangs auf Endgeräte beschränkt wird, die eine mobile Nutzung unabhängig von einem permanenten kabelgebundenen Stromanschluss ermöglichen, verstößt gegen die Endgerätewahlfreiheit und ist damit unwirksam.

Zur Besprechung.

BGH-Urteil v. 4.5.2023, III ZR 88/22

8. Zivilsenat

1. Die Erneuerung von Rauchwarnmeldern stellt - anders als deren erstmaliger Einbau (vgl. dazu Senatsurteile vom 17. Juni 2015 - VIII ZR 216/14, NJW 2015, 2488 Rn. 12 f., und VIII ZR 290/14, NJW 2015, 2487 Rn. 11 ff., 23) - grundsätzlich keine Modernisierung im Sinne von § 555b BGB dar, wenn mit ihr eine technische Verbesserung oder sonstige Aufwertung nicht verbunden ist.

2. Der Vermieter ist aufgrund einer solchen Erneuerungsmaßnahme deshalb auch dann nicht zu einer Erhöhung der Miete nach §§ 559 ff. BGB berechtigt, wenn die zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte erstmalige Ausstattung der Mietwohnung mit Rauchwarnmeldern weder zu einer zusätzlichen Belastung des Mieters mit Betriebskosten noch zu einer Mieterhöhung geführt hat.

Zur Besprechung.

BGH-Urteil v. 24.5.2023, VIII ZR 213/21

1. Zivilsenat

1. Erklärt der Schuldner noch vor Fälligkeit, dass er nicht rechtzeitig leisten könne, würde es eine reine Förmelei darstellen, den Eintritt des Verzugs von einer Mahnung des Gläubigers nach Fälligkeit abhängig zu machen, der der Schuldner seinen Erklärungen zufolge ohnehin nicht Folge leisten kann. In einem solche Fall ist eine Mahnung nach Fälligkeit entbehrlich.

2. Der Gläubiger kann vom Schuldner den Ersatz erforderlicher Kosten der Schadensabwendung anstelle des höheren originären Verzögerungsschadens verlangen, der nach Verzugseintritt ohne die Maßnahmen des Gläubigers entstanden wäre.

BGH-Urteil v. 20.4.2023, I ZR 140/22

3. Zivilsenat

1. Zur Verhältnismäßigkeit einer sechswöchigen Betriebsuntersagung für Frisörgeschäfte im Frühjahr 2020 zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus.

2. Eine solche Betriebsuntersagung war angesichts der gesamten wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und unter Berücksichtigung des den Betriebsinhaber grundsätzlichen treffenden Unternehmerrisikos nicht derart gravierend, dass gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eine verfassungsrechtliche Pflicht bestand, hierfür Entschädigungsansprüche zu normieren. Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Staates ist begrenzt. Dementsprechend muss er sich in Pandemiezeiten gegebenenfalls auf seine Kardinalpflichten zum Schutz der Bevölkerung beschränken (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 17. März 2022 - III ZR 79/21, BGHZ 233, 107).

BGH-Urteil v. 11.5.2023, III ZR 41/22

4. Zivilsenat

Bei einer Dienstunfähigkeitsklausel, nach der es für bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ausreicht, wenn die versicherte Person als Beamter infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig ist und dazu wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt oder entlassen worden ist, begründet nicht schon der Umstand, dass der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde, eine unwiderlegbare Vermutung seiner vollständigen Berufsunfähigkeit.

BGH-Urteil v. 31.5.2023, IV ZR 58/22

13. Zivilsenat

GAEB-Dateiformat

1. Der Auftraggeber kann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016 festlegen, welche elektronischen Mittel (§§ 11, 11a VOB/A) bei der Einreichung von elektronischen Angeboten zu verwenden sind.

2. Werden vorgegebene elektronische Mittel bei der Einreichung des Angebots nicht verwendet, ist das Angebot nicht formgerecht übermittelt und gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 auszuschließen.

BGH-Urteil v. 16.5.2023, XIII ZR 14/21

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