Rdn 121

 

Literaturhinweise:

Bottke, Rechtsbehelfe der Verteidigung im Ermittlungsverfahren – eine Systematisierung, StV 1986, 120

ders., Rechtsschutzsystem gegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, NStZ 2001, 120

Füßer/Viertel, Der Anspruch auf Abschlußverfügung im Ermittlungsverfahren und seine Durchsetzung, NStZ 1999, 116

Hildenstab, Das Ende der Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft – Eine Entgegnung zu Strauß NStZ 2006, 556, NStZ 2008, 249

Laser, Rechtsschutzsystem gegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, NStZ 2001, 120

Meineke, Ermittlungsverfahren ohne Anhörung? Zur Unzulässigkeit der "Überraschungsanklage", StV 2015, 325

Nagel, Rechtsschutz gegen verfahrenseinleitende und -fortführende Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren, StV 2001, 185

Strauß, Das Ende der Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft, NStZ 2006, 556.

 

Rdn 122

1. Sind die Ermittlungen abgeschlossen und erwägt die StA, Anklage zu erheben (→ Erhebung der Anklage, Teil E Rdn 2282), vermerkt sie gem. § 169a den Abschluss der Ermittlungen in den Akten (zur Form s. Nr. 109 Abs. 3 RiStBV). Das gilt auch, wenn sie den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls nach den §§ 407 ff. (→ Strafbefehlsverfahren, Teil S Rdn 4204) oder den Antrag auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren nach §§ 417 ff. (→ Beschleunigtes Verfahren, Teil B Rdn 1136) stellen will.

 

☆ Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss der Beschuldigte vernommen werden (zur Unzulässigkeit einer Überraschungsanklage Meineke StV 2015, 325). Ohne Anhörung des Beschuldigten nach § 163a Abs. 1 S, 1 StPO spätestens vor dem Abschluss der Ermittlungen ist weder die → Erhebung der Anklage , Teil E Rdn  2282 , noch im → Strafbefehlsverfahren , Teil S Rdn  4204 , der Erlass eines Strafbefehls zulässig (AG Dillingen, Beschl. v. 29.4.2019 – 306 Cs 303 Js 112693/19; AG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 3.12.2019 – 412 Cs 166/19; a.A: LG Augsburg, Beschl. v. 9.5.2019 – 8 Qs 189/19)."Überraschungsanklage" Meineke StV 2015, 325). Ohne Anhörung des Beschuldigten nach § 163a Abs. 1 S, 1 StPO spätestens vor dem Abschluss der Ermittlungen ist weder die → Erhebung der Anklage, Teil E Rdn 2282, noch im → Strafbefehlsverfahren, Teil S Rdn 4204, der Erlass eines Strafbefehls zulässig (AG Dillingen, Beschl. v. 29.4.2019 – 306 Cs 303 Js 112693/19; AG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 3.12.2019 – 412 Cs 166/19; a.A: LG Augsburg, Beschl. v. 9.5.2019 – 8 Qs 189/19).

 

Rdn 123

2. Der Abschlussvermerk ist keine Prozessvoraussetzung. Er kann nicht, insbesondere auch nicht mit dem → Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG, Teil A Rdn 617, angefochten werden (Meyer-Goßner/Schmitt, § 169a Rn 1; Bottke StV 1986, 123; dazu auch Nagel StV 2001, 190). Nach Füßer/Viertel soll der Beschuldigte ein Recht auf Abschluss der Ermittlungen (in angemessener Zeit) haben. Dieses Recht soll ggf. mit der Untätigkeitsklage nach § 27 EGGVG durchgesetzt werden können (s. NStZ 1999, 118 f., zugleich auch zu der Frage, ob infolge eines verschleppten EV dem Beschuldigten ggf. Schadensersatzansprüche zustehen können; → Verzögerungsrüge/Verfahrensverzögerung, Teil V Rdn 5088).

 

Rdn 124

Folge des Abschlussvermerks ist:

Dem Verteidiger ist unbeschränkte AE zu gewähren (§ 147 Abs. 2, 6), sein AER ist auch nicht mehr beschränkbar; → Akteneinsicht, Allgemeines, Teil A Rdn 225 m.w.N.; → Akteneinsicht, Beschränkung, Teil A Rdn 302; → Akteneinsicht, elektronische Akte, Teil A Rdn 394; zum Umfang a. KG StV 2016, 545),
dem (unverteidigten) Beschuldigten ist ebenfalls unbeschränkte AE zu gewähren (§ 147 Abs. 4; → Akteneinsicht, Berechtigter, Teil A Rdn 285 ff.),
Umstr. ist, ob die StA nach dem Abschlussvermerk noch eigenständige Ermittlungen durchführen kann. Dies wird von Strauß (NStZ 2006, 556) unter Hinweis darauf, dass mit Streichung des früheren sog. "Schlussgehörs" die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers, weitere Ermittlungen nach Fertigung des Abschlussvermerks zuzulassen, entfallen sei, verneint. Er fordert für die Ergebnisse trotzdem durchgeführter Ermittlungen ein BVV (NStZ 2006, 556, 560). Dem gegenüber ist Hildenstab (NStZ 2008, 249) – unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks 4/178, S. 27) – der Auffassung, dass dem Abschlussvermerk diese Bedeutung nicht zukommt (s.a. zust. Meyer-Goßner/Schmitt, § 169a Rn 2). Das dürfte zutreffend sein, obwohl Nachermittlungen ggf. damit kollidieren, dass die StA nach Abschluss der Ermittlungen – zumindest aber nach Erhebung der Anklage – nicht (mehr) "Herrin des Verfahrens" ist. Das ist dann das (zuständige) Gericht, bei dem dann auch die Anordnungskompetenz für "Nachermittlungsmaßnahmen" liegt.

Siehe auch: → Anfangsverdacht, Teil A Rdn 562 ff., m.w.N.; → Anklageschrift, Teil A Rdn 573.

[Autor] Burhoff

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge