Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung: Angestellter in Vorprüfungsstelle

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung eines Angestellten in der Vorprüfungsstelle der Oberfinanzdirektion; Eingruppierung bei wirksamer Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung

 

Normenkette

BAT-O §§ 22-23; Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O § 2 Ziff. 3; BAT-O § 11; Anlage 1 a zum BAT-BL VergGr. VI; Anlage 1 a zum BAT-BL VergGr. Vc; Anlage 1a zum BAT-BL VergGr. Vb; Anlage 1a zum BAT-BL VergGr. IVb; Anlage 1a zum BAT-BL VergGr. IVa; BGB §§ 123, 142, 242, 853; ZPO §§ 256, 561

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 12.04.1996; Aktenzeichen 3 Sa 122/96)

ArbG Dresden (Urteil vom 21.11.1994; Aktenzeichen 10 Ca 3273/94 (8))

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers unter deren Zurückweisung im übrigen wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 12. April 1996 – 3 Sa 122/96 – aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers hinsichtlich seines Hilfsantrages und des entsprechenden Zinsantrages zurückgewiesen hat.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 21. November 1994 – 10 Ca 3273/94 (8) – insoweit abgeändert:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit vom 6. Januar 1992 bis zum 31. August 1994 Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Juni 1994 aus der Summe der rückständigen Nettodifferenzbeträge sowie – jeweils ab Fälligkeit – aus den danach für die Zeit bis zum 31. August 1994 fällig gewordenen Nettodifferenzbeträgen zu zahlen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu 5/6, die Beklagte zu 1/6 zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger für die Zeit vom 6. Januar 1992 bis zum 11. Mai 1995 einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O, hilfsweise für die Zeit vom 6. Januar 1992 bis zum 31. August 1994 auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O hat.

Der am 11. September 1939 geborene Kläger ist Diplom-Ökonom. Er besuchte die „Fachschule für FW Gotha” sowie die Humboldt-Universität zu Berlin. Bis 1990 war er als Revisionsoberinspektor/amtierender Revisionsgruppenleiter bei der Staatlichen Finanzrevision der DDR bzw. dem Rechnungshof tätig. Am 6. Januar 1992 trat er als Vorprüfer in die Dienste der Beklagten. Bis zum 11. Mai 1995 war der Kläger in der Vorprüfungsstelle (Bund) der Oberfinanzdirektion C. tätig.

Das Arbeitsverhältnis richtet sich kraft beiderseitiger Tarifbindung nach dem BAT-O.

Außerdem haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 6. Januar 1992 den BAT-O in Bezug genommen.

Die Aufgaben der Vorprüfungsstellen sind insbesondere in der Vorprüfungsordnung für die Bundesverwaltung (VPOB) beschrieben und finden ihre Grundlagen in der Bundeshaushaltsordnung (BHO), dem Finanzverwaltungsgesetz sowie Art. 108, 109, 114 GG.

Die Vorprüfung hat den Zweck, die Prüfung der Rechnung sowie der Haushalts- und Wirtschaftsführung durch den Bundesrechnungshof vorzubereiten und zu ergänzen (vgl. Ziff. 1.1 VPOB). Dabei erstreckt sich die Vorprüfung darauf, ob die Bundeshaushaltsordnung, das Haushaltsgesetz und der Haushaltsplan sowie die sonstigen für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze eingehalten worden sind (vgl. Ziff. 1.4 VPOB).

Zu diesem Zweck sind bei den zu prüfenden Behörden Vorprüfungsstellen errichtet worden. Eine Vorprüfungsstelle ist Teil der Behörde, bei der sie eingerichtet ist (§ 100 Abs. 3 BHO). Sie unterliegt allerdings bei ihrer Prüfungstätigkeit fachlich nur den Weisungen des Bundesrechnungshofes (§ 100 Abs. 4 BHO). Die Vorprüfungsstelle ist bei der Oberfinanzdirektion C. der Zoll- und Verbrauchssteuerabteilung zugeordnet.

Die Zoll- und Verbrauchssteuerabteilungen sind neben der Bundesvermögensabteilung sowie der Besitz- und Verkehrssteuerabteilung Abteilungen der Oberfinanzdirektionen (§ 8 Abs. 2 Finanzverwaltungsgesetz). Bei der Zoll- und Verbrauchssteuerabteilung sowie der Bundesvermögensabteilung handelt es sich um Bundesabteilungen, bei der Besitz- und Verkehrssteuerabteilung um eine Landesabteilung. Aufgabe des Klägers war die Prüfung auf den Gebieten Besoldung, Vergütung, Entlohnung, Beihilferecht und Versorgungsbezüge (Innendienstaufgaben). Ab dem 16. Februar 1993 vertrat der Kläger darüber hinaus den Sachgebietsleiter in dem Bereich D.. Seine Aufgaben stellte der Kläger in der Tätigkeitsbeschreibung (Stand Mai 1994) wie folgt dar:

„lfd. Nr.

Aufgabe

Ausführliche Beschreibung der dabei anfallenden Arbeitsschritte und ggf. Angabe der anzuwenden Vorschriften

Anteil an der Arbeitszeit

1.

Abwesenheitsvertretung des Sachgebietsleiter (Bereich Dresden)

s. Ziffer 4 (24) der zusätzlichen Weisungen f. d. Behörden der Bundesfinanzverwaltung zur VPOB

10 %

2.

Anleitung und Einarbeitung von Nachwuchsprüfungsbeamten und Mitarbeitern der Verwaltung

bezieht sich vorwiegend auf die komplexe Wertung der anzuwendenden Rechtsvorschriften (u.a. BBG, BBesG, BLV, BAT, BAT-O, MTArb-O, SGB, BKGG usw.) und das Erkennen von neuralgischen Punkten, wie z.B. Besitzstandswahrung, Bewährungs- u. Zeitaufstieg, OZ bzw. kinderbezogener Anteil im OZ usw.

5 %

3.

Pauschalierte Aufwandsentschädigungen an Beamte aus dem Altbundesgebiet

entspr. Ziffer 10.3 der VPOB, dabei sind besondere Probleme des Dienstantritts im Beitrittsgebiet und der ordnungsgemäßen Verrechnung der Vergütung bzw. Besoldung bzw. der pauschal. Aufwandsentschädigung durch die Absenderdienststelle im Altbundesgebiet zu prüfen. Erforderlichenfalls Anforderung von Ausdrucken der Bezügebescheinigungen durch die Bundesbesoldungsstelle Bonn.

5 %

4.

Kontrolle der Festsetzung der Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz und der konkurrierenden Gesetze

entspr. Ziffer 10.3 der VPOB, wobei besonders folgende Gesetze zu beachten sind: (BeamtVG; BBG; HStruktG; BBesG; Härte RegG; VAÜG; BKGG; KEZG; SGB usw.). Ausgehend von den Personal- u. Besoldungsakten ist schrittweise von der Erstverbeamtung die ruhegehaltsfähige Dienstzeit u. die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge unter Beachtung vergleichbarer Zeiten (Wehrdienst, AV im ÖD usw.) zu berechnen. Besonderheiten sind bei Teilzeitbeschäftigten, dem Vorruhestand mit Erreichen des 55. Lebensjahres (Anwendg. des Zollstrukturgesetzes) und den unterschiedlichen Geltungszeitpunkten der Änderungen des BeamtVG zu beachten (Ermittlung der Tätigkeit mit Polizeizulage). Analog ist bei der Hinterbliebenenversorgung, Unfallfürsorge und dem Übergangsgeld zu verfahren. Die besondere Schwierigkeit und Bedeutung wird u.a. durch die monatliche Fälligkeit der Versorgungsbezüge (Auswirkungen falscher Berechnungen summieren sich) unterstrichen.

noch 5 %

5.

Kontrolle der Festsetzung von Beihilfen an Beamte des Altbundesgebietes bzw. des Beitrittsgebiets

entspr. Ziffer 10.3 der VPOB, wobei die BhV des Bundes, die Gebührenverordnungen der Ärzte und Zahnärzte, das Gebührenverzeichnis der Heilpraktiker u. die Hebammen-Gebührenordnung primär von Bedeutung sind. Zu beachten sind spezielle Besonderheiten des Beitrittsgebiets (z.B. Berechng. von 60 % bzw. 75 % der Gebührensätze) und die pers. Daten u. Absicherungen der Beihilfeberechtigten u. ihrer Angeh.

15 %

6.

Durchgängige Prüfung der Beamten unter Einbeziehung der Personalakten und Kindergeldakten

entspr. Ziffer 10.3 der VPOB, wobei besonders das BBesG, die BLV, das BKGG greifen. Primäre Bedeutung haben dabei die exakte Ermittlung des BDA (unter Beachtung der Vordienstzeiten, besonders im Beitrittsgebiet), die Probleme des Ortszuschlags bzw. kinderbezogenen Anteils im OZ, die Polizeizulagen, Wechselschichtzulage und das Vorhandensein entsprechender Dokumente in der Personalakte bzw. Kindergeldakte.

15 %

7.

Überleitung in das Besoldungsverfahren (aus Angestelltenvergütung-Verbeamtungen)

analog Ziffer 6.

noch 5 % (rückläufige Tendenz)

8.

Einstellung von Finanz- u. Zollanwärtern

analog Ziffer 6. (Im Vergleich zu 6. u. 7. relativ unaufwendig, da nur Einstellungsdokumente zu prüfen sind)

5 %

9.

Einstellung von Angestellten u. Arbeitern

analog Ziffer 6. (mit den Hinweisen zu 8.).

5 %

10.

Beförderungen bzw. Umgrupp. von Angest. u. Arbeitern

analog Ziffer 6.

noch 5 % (rückläufige Tendenz)

11.

Prüfung der kompl. Durchsetzung des BKGG

BKGG, Einkommensteuergegesetz Anspruch auf Kindergeld, Kinderanteil im OZ, Sozialzuschlag für Arbeiter, Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen, Kindergeldminderung aufgrund Überschreitung Jahreseinkommensgrenze lt. Steuerbescheid des Vorvorjahres, Zuschlag zum Kindergeld usw.”

25 %

Diese Tätigkeitsbeschreibung konkretisierte und modifizierte er später. Danach macht die Vertretungstätigkeit tatsächlich etwa 38 % aus und die unter Ziff. 2 10 %. Der Anteil der unter Ziff. 3 genannten Aufgaben geht kontinuierlich zurück, während die unter Ziff. 4 aufgeführten Aufgaben ständig anwachsen.

Es handelte sich hierbei ursprünglich um Aufgaben eines nach Besoldungsgruppe A 11 und für die Zeit ab dem 15. Februar 1993 um solche eines nach Besoldungsgruppe A 12 bewerteten Dienstpostens.

Für die Zeit ab dem 1. September 1994 bis zum 11. Mai 1995 erhielt der Kläger Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O.

Am 11. Mai 1995 focht die Beklagte ihre Erklärung im Zusammenhang mit dem Abschluß des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien an und stellte den Kläger ab sofort frei. Sie begründete die Anfechtung damit, daß der Kläger eine Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter für den Staatssicherheitsdienst in der Zeit von 1985 bis zur Auflösung des MfS bei Abschluß des Arbeitsvertrages im Personalfragebogen verschwiegen hatte. Hiergegen wandte sich der Kläger mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht Dresden, welche mit Urteil vom 4. Oktober 1995 (– 7 Ca 4134/95 –) abgewiesen wurde. Die hiergegen beim Sächsischen Landesarbeitsgericht (– 3 Sa 62/96 –) eingelegte Berufung nahm er mit Schreiben vom 29. Januar 1996 zurück, so daß das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden rechtskräftig ist.

Seine mit Schreiben vom 17. Juni 1993 gegenüber der Beklagten geltend gemachten Ansprüche verfolgt der Kläger mit der beim Arbeitsgericht Dresden am 18. Mai 1994 eingereichten und am 1. Juni 1994 zugestellten Klageschrift weiter.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, seine Vergütung habe sich nach der Anlage 1 a zum BAT gerichtet. Danach habe ihm Vergütung nach VergGr. IV a zugestanden.

Die Anfechtung vom 11. Mai 1995 betreffe nicht den zurückliegenden Zeitraum, da sie nur für die Zukunft wirke.

Einer Anwendung der Anlage 1 a zum BAT stehe insbesondere nicht die Ausschlußregelung unter § 2 Ziff. 3 des 1. Änderungstarifvertrages zum BAT-O vom 8. Mai 1991 (ÄndTV) entgegen, da es sich bei seinen Tätigkeiten nicht um „Zolldienst”, Wahrnehmung von „Zollaufgaben” handele. Von den ca. 2.500 Beschäftigten, deren Personalangelegenheiten er zu prüfen gehabt habe, habe etwa jeweils die Hälfte der Zoll- und Verbrauchssteuerabteilung sowie der Bundesvermögensabteilung und ihrer nachgeordneten Einrichtungen angehört. Die Zuordnung zur Zoll- und Verbrauchssteuerabteilung sei nur eine „formelle”.

Voraussetzung für eine Anwendung des § 2 Ziff. 3 ÄndTV sei außerdem, daß die tatsächlichen Anforderungen an eine Anstellung im Beamtenverhältnis vorlägen. Der Kläger habe aber, da er bereits am 11. September i 989 das 50. Lebensjahr erreicht gehabt habe, gerade nicht mehr verbeamtet werden können. Eine Anwendung des Besoldungsrechts der Beamten auf die über 50jährigen Angestellten führe zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung, da eine Beförderung in der Regel nicht mehr stattfinde. Bei anderer Auslegung verstoße der Änderungstarifvertrag gegen den Gleichheitssatz.

Der Kläger hat außerdem die Auffassung vertreten, es hätten auch die Voraussetzungen der VergGr. IV a vorgelegen. Das ergebe sich schon aus der Erklärung der Beklagten zu Protokoll in der Sitzung des Arbeitsgerichts Dresden am 27. Oktober 1994. Er habe im übrigen auch die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der VergGr. IV a BAT-O erfüllt. Dabei seien die in der Arbeitsplatzbeschreibung aufgeführten Aufgabenbereiche jeweils als gesonderte Arbeitsvorgänge anzusehen.

Seine Tätigkeit habe zunächst die Voraussetzungen der VergGr. V b Fallgruppe 1 a BAT-O erfüllt. Sie habe gründliche umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert, was sich aus der Unterschiedlichkeit der zu überprüfenden Komplexe und der „Notwendigkeit der Kenntnisse und des Beherrschens” von mehr als 30 Gesetzen, Richtlinien, Erlassen usw. ergebe. Die Tätigkeit sei auch besonders verantwortungsvoll gewesen, da seine Prüfungsergebnisse – was insoweit unstreitig ist – ohne weitere Kontrolle des Sachgebietsleiters durch die Angabe des Prüfungsvermerks dokumentiert worden seien. Die Prüfungsvermerke seien zahlungsauslösend gewesen. Die Mehrzahl der Arbeitsvorgänge habe die Anforderungen der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung erfüllt, da – was ebenfalls unstreitig ist – die Aufgabe nur durch Analyse von Sachzusammenhängen bei hohem Abstraktionsgrad habe erfüllt werden können mit Auswirkungen auf die Allgemeinheit und Verhältnisse Dritter (Verwaltung und Beschäftigte) von großer Tragweite (Vermeidung von Über-/Unterzahlungen).

In seiner Entscheidung vom 17. Dezember 1980 (– 4 AZR 832/78 – n.v.) habe das Bundesarbeitsgericht bei nahezu gleichen Aufgaben die Voraussetzungen der VergGr. III BAT bejaht.

Im übrigen verstoße die Beklagte auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe in ihrer Abteilung andere Mitarbeiter bei gleichen Aufgaben höher vergütet. Das gelte auch für Mitarbeiter der Bundesvermögensabteilung der Oberfinanzdirektion C.. Außerdem habe eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Prüfern in vergleichbaren Vorprüfungsstellen des Bundes in den alten Bundesländern, insbesondere in M. und N., vorgelegen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

  1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem 6. Januar 1992 Vergütung nach der VergGr. IV a der Anlage 1 a des BAT-O zu zahlen,
  2. hilfsweise festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem 6. Januar 1992 bis zum 31. August 1994 Vergütung nach der VergGr. IV b der Anlage 1 a des BAT-O zu zahlen,
  3. für den Fall des Obsiegens zu 1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Differenzbetrag zwischen der VergGr. IV a und V b des BAT-O ab dem 1. Juni 1994 bzw. bei den nach Klageerhebung monatlich zum 15. fällig werdenden Nettodifferenzbeträgen mit 4 % zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Begriff „Zolldienst” i.S.d. § 2 Ziff. 3 ÄndTV sei nicht funktional zu verstehen, sondern sei auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Behörde bzw. Abteilung bezogen. Unter den sogenannten Zolldienst fielen u.a. alle Beschäftigten einer Zollabteilung in der Oberfinanzdirektion, also auch die der Vorprüfungsstelle.

Eine Ungleichbehandlung habe nicht vorgelegen. Mitarbeiter in der gleichen Abteilung bei gleichen Arbeitsaufgaben seien nicht höher vergütet worden. „Der Kläger mag dazu substantiiert vortragen”. Mitarbeiter der Bundesvermögensabteilung der Oberfinanzdirektion fielen schon nicht unter § 2 Ziff. 3 des Änderungstarifvertrages. Hinsichtlich der Mitarbeiter in anderen Vorprüfungsstellen in den alten Bundesländern scheide ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz deswegen aus, weil diese nicht unter den Geltungsbereich des Änderungstarifvertrages fielen.

Die Beklagte hat außerdem bestritten, daß der Kläger je zur Hälfte Personalangelegenheiten der Zoll- und Verbrauchssteuerabteilung einerseits und der Bundesvermögensabteilung andererseits geprüft habe. Vielmehr seien von 2.500 Beschäftigten in diesen Bereichen 2.048 Mitarbeiter der Zoll- und Verbrauchssteuerabteilung zugehörig gewesen (Stand: Februar 1995).

Im übrigen würden auch die über 50jährigen Angestellten entgegen der Darstellung des Klägers befördert, wie sich gerade aus der Beförderung des Klägers ableiten lasse.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge der Sache nach weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Vorprüfstellen sollen mit Wirkung vom 1. Januar 1998 aufgelöst und organisatorisch selbständige Rechnungsämter eingerichtet werden (Gesetz zur Fortentwicklung des Haushaltsrechts von Bund und Ländern – Haushaltsrechts-Fortentwicklungsgesetz vom 22. Dezember 1997, BGBl I Nr. 88 S. 3251 ff. ≪Art. 2 Nr. 16 [S. 3253 r.Sp.], Art. 3 Nr. 2 [S. 3254], Art. 4 Abs. 4 [S. 3254]≫).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist insoweit begründet, als sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den (ersten) Hilfsantrag richtet. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT-O für den Zeitraum vom 6. Januar 1992 bis zum 31. August 1994. Im übrigen ist die Revision unbegründet.

I. Die Klage ist hinsichtlich sämtlicher Anträge zulässig.

Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die innerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch für in der Vergangenheit liegende Zeiträume keine Bedenken bestehen (BAG Urteile vom 26. Juli 1995 – 4 AZR 280/94 – AP Nr. 203 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 47/93 – AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Daran ändert auch der Hinweis der Revisionsbeantwortung nichts, der Kläger müsse damit rechnen, daß die Beklagte den von ihm behaupteten zusätzlichen Vergütungsansprüchen die Arglisteinrede des § 853 BGB entgegengehalten werde, da er sich eines Eingehungsbetruges schuldig gemacht habe. Der Kläger werde also selbst bei Feststellung der behaupteten Vergütungsansprüche diese ohne weitere Klage nicht durchsetzen können. Sei aber sowieso mit einer Leistungsklage zu rechnen, könne kein besonderes Interesse mehr an einer bloßen Feststellung der richtigen Eingruppierung bestehen.

Das Feststellungsinteresse ist Prozeßvoraussetzung. Der maßgebende Zeitpunkt für das Vorliegen einer Prozeßvoraussetzung ist derjenige der letzten Tatsachenverhandlung (§ 561 ZPO). Die Rechtsprechung läßt die Berücksichtigung bedeutsamer Rechtstatsachen zu, die für die Beurteilung der sachlichen Rechtslage erheblich, aber erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingetreten sind, so z.B. Wegfall des Feststellungsinteresses (BGHZ 18, 98, 106; BGH Urteil vom 22. März 1983 – II ZR 13/81 – VersR 1983, 724, 726). Das ist hier aber nicht der Fall.

Denn daß der Kläger damit rechnen müsse, daß die Beklagte den von ihm behaupteten zusätzlichen Vergütungsansprüchen die Arglist des § 853 BGB entgegenhalten werde, da er sich eines Eingehungsbetruges schuldig gemacht habe, hätte die Beklagte dem Kläger bereits in der Berufungsinstanz entgegenhalten können. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 12. Mai 1995 erklärt, das Anfechtungsschreiben sei dem Kläger am 11. Mai 1995 zugestellt worden. Nach dem Protokoll vom 12. Mai 1995 ist die Sach- und Rechtslage „auch unter Berücksichtigung der in dem Schreiben vom 11.05.1995 enthaltenen Anfechtung des Arbeitsvertrages erörtert” worden. Der Vorsitzende der 3. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts hat die Ansicht geäußert, daß die Anfechtung wohl Konsequenzen hinsichtlich des streitgegenständlichen Anspruches habe. Eine Vorgreiflichkeit sei denkbar. Der Kläger hat nach Rechtskraft des Urteils des Arbeitsgerichts Dresden vom 4. Oktober 1995 – 7 Ca 4134/95 –, das die Klage gegen die Anfechtung des Arbeitsvertrages abgewiesen hatte, mit Schriftsatz vom 31. Januar 1996 den vorliegenden Rechtsstreit wieder aufgenommen. Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer vom 12. April 1996 entschieden, ohne daß die Beklagte einen Schriftsatz vorgelegt hatte. Sie hatte genügend Zeit, die Situation zu überdenken und entsprechend vorzutragen, nachdem rechtskräftig feststand, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung der dem Arbeitsvertrag zugrunde liegenden Willenserklärung sein Ende gefunden hatte.

Ist das Feststellungsinteresse für die Eingruppierungsklage gegeben, gilt dies auch für den Zinsantrag (BAGE 22, 247, 249 = AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT), der zwar als uneigentlicher Hilfsantrag formuliert, aber als normaler Zinsfeststellungsantrag auszulegen war, wie es der Kläger mit dem Revisionsantrag zum Ausdruck gebracht hat. Auch wenn der Zinsantrag sich nach seinem Wortlaut nur auf den Hauptantrag bezieht, kann er nur so verstanden werden, wie ihn der Kläger ursprünglich formuliert hatte, d.h. auch auf den Hilfsantrag bezogen für den Fall, daß dieser an die Stelle des Hauptantrags tritt.

II. Die Klage ist hinsichtlich des Hilfsantrags (Vergütung nach VergGr. IV b) und des entsprechenden Zinsantrags begründet. Im übrigen ist sie unbegründet.

Dem Kläger steht die von ihm geltend gemachte Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O nicht zu. Er hat aber einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O für die Zeit vom 5. Januar 1992 bis zum 31. August 1994. Daran hat die Anfechtung vom 11. Mai 1995 nichts geändert.

1. Für die Zeit vom 6. Januar 1992 bis zum 11. Mai 1995 hat der Kläger keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O. Zwar waren die allgemeinen Vergütungsgruppen der Anlage 1 a zum BAT maßgeblich. Der Kläger erfüllte aber nicht die Voraussetzungen der VergGr. IV a des Allgemeinen Teils der Anlage 1 a zum BAT.

a) Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich kraft beiderseitiger Tarifbindung nach dem BAT-O. Die Parteien haben darüber hinaus im Arbeitsvertrag den BAT-O ausdrücklich in Bezug genommen.

b) Für die Vergütung des Klägers sind die Eingruppierungsmerkmale des Allgemeinen Teils der Anlage 1 a zum BAT/BL maßgeblich.

Gemäß § 2 Satz 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 ist die Anlage 1 a zum BAT/BL mit den unter Ziff. 1 bis 4 genannten Maßgaben anzuwenden. Die sich aus § 2 Ziff. 3 ergebenden Einschränkungen stehen hier der Anwendung der Anlage 1 a zum BAT/BL nicht entgegen.

§ 2 ÄndTV lautet (soweit entscheidungserheblich):

㤠2

Übernahme der Vergütungsordnung des BAT

Die Anlage 1 a – für die Bereiche des Bundes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder mit Ausnahme der Zulagenregelung in Teil II Abschn. N und der entsprechenden Regelungen in Teil III Abschn. L Unterabschn. VII – und die Anlage 1 b zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) sind mit folgenden Maßgaben anzuwenden:

3. Die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die

im Polizeivollzugsdienst,

im Justizvollzugsdienst,

im Zolldienst,

als Richter und Staatsanwälte,

in Funktionen kommunaler Wahlbeamter,

als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 21 I fallen,

beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – ggf. nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Wäre er als Beamter oder Richter in einer Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung B oder R eingestuft, wird die Grundvergütung nach näherer Maßgabe von Richtlinien festgelegt. § 27 Abschn. A BAT-O einschließlich der Übergangsvorschrift ist anzuwenden.”

Der Kläger war nicht Angestellter „im Zolldienst” im Sinne dieser Regelung. Allein die organisatorische Einordnung der Vorprüfungsstelle in die Zoll- und Verbrauchssteuerabteilung der Oberfinanzdirektion machte seine Tätigkeit nicht zu der eines Angestellten „im Zolldienst”.

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Wenn der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 1997 – 4 AZR 274/96 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 3 a der Gründe, m.w.N.).

bb) (1) Nach dem Wortlaut des § 2 Ziff. 3 ÄndTV ist die Anlage 1 a zum BAT/BL u.a. nicht auf Angestellte anzuwenden, die „im Zolldienst” beschäftigt sind. Dieser Wortlaut läßt offen, ob damit sämtliche Angestellte innerhalb einer organisatorischen Einheit oder nur diejenigen Angestellten von der Anwendung der Anlage 1 a ausgenommen werden sollen, die unmittelbar mit den Aufgaben der Zollverwaltung befaßt sind.

Unter dem Wort „Dienst” im Zusammenhang mit einer vorangestellten Bereichsangabe wird u.a. eine Gruppe von Personen verstanden, die bestimmte Aufgaben zu versehen hat, dafür bereitsteht (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 2, 2. Aufl. 1993, Stichwort: Dienst), so z.B. technischer Dienst, Nachrichtendienst bzw. eine Organisation mit der Zuständigkeit für bestimmte Arbeiten (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 2, 1981, Stichwort: Dienst), wie Schleppdienst, Fährdienst, Funkdienst, Warndienst, aber auch die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe, einer Funktion. Nach Grimm (Deutsches Wörterbuch, Bd. 32, 1954/1984) ist unter Zolldienst der „dienstliche Betrieb des Zollwesens” zu verstehen. Bei rein organisatorischer Betrachtungsweise fielen die Angestellten der Vorprüfungsstelle, da der Abteilung für Zoll- und Verbrauchssteuern zugewiesen, unter den Zolldienst im Sinne der Tarifregelung. Wird der Begriff „Zolldienst” aufgaben- bzw. tätigkeitsbezogen verstanden, fallen die Angestellten der Vorprüfungsstelle nicht hierunter, da sie keine Aufgaben des Zollwesens wahrnehmen.

Der Wortlaut läßt danach beide Auslegungen zu.

(2) Sinn und Zweck der Regelung sprechen jedoch dafür, unter Angestellten „im Zolldienst” nicht alle Bediensteten zu verstehen, die nach der Organisation einer Oberfinanzdirektion der Zollverwaltung zugewiesen sind, sondern diejenigen, die wegen der von ihnen auf dem Gebiet des Zollwesens ausgeübten Aufgaben üblicherweise verbeamtet sind. Sinn und Zweck der Ziff. 3 des § 2 ÄndTV ist es, bestimmte Angestellte den Beamten gleichzustellen (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Stand September 1997, BAT-O, J 1, S. 16 b; zur Lehrervergütung vgl. u.a. Senatsurteil vom 24. November 1993 – 4 AZR 16/93 – AP Nr. 1 zu § 2 BAT-O). Erreicht wird das nach § 2 Ziff. 3 Satz 2 ÄndTV dadurch, daß sie nach der Vergütungsgruppe zu vergüten sind, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welche der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Von der Ausnahmevorschrift können danach zunächst alle diejenigen Angestellten in der Zoll- und Verbrauchssteuerabteilung nicht erfaßt sein, die regelmäßig nicht verbeamtet werden, z.B. Schreibkräfte. Daraus ergibt sich bereits, daß es nicht Sinn und Zweck der Regelung sein kann, sämtliche Bedienstete der Zoll- und Verbrauchssteuerabteilung der Anwendung der Anlage 1 a zum BAT/BL zu entziehen.

Zum Zolldienst im tariflichen Sinne gehören nach Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung diejenigen Angestellten nicht, die keine Aufgaben der Zollverwaltung wahrnehmen und damit keinen „Zolldienst” im eigentlichen Sinne versehen. Sinn und Zweck der Regelung ist es gerade, diejenigen Angestellten wie Beamte zu vergüten, deren Tätigkeit solchen Aufgabenkreisen zugeordnet werden kann, die wegen der zu bearbeitenden Materie üblicherweise durch Beamte ausgeübt werden. Die Tarifpartner haben also auch nicht generell alle Tätigkeiten, die auch durch Beamte erledigt werden, dem Geltungsbereich der Anlage 1 a des BAT/BL entzogen, sondern nur diejenigen, die einen konkreten Bezug zu den Aufgaben des Zollwesens aufweisen.

Die Angestellten der Vorprüfungsstellen haben mit der Zollverwaltung aber nur durch ihre Prüftätigkeit zu tun. Sie sind fachlich gegenüber der zu prüfenden Behörde – hier der Oberfinanzdirektion – unabhängig. Lediglich aus organisatorischen Gründen waren sie in diese Behörden bis zum 31. Dezember 1997 eingegliedert. Bei den Aufgaben der Vorprüfungsstellen handelt es sich nicht um Aufgaben des Zollwesens, und zwar auch nicht im weiteren Sinne. Während beispielsweise die Tätigkeit der Personalverwaltung als notwendiger Bestandteil (hierzu Senatsurteil vom 19. August 1987 – 4 AZR 271/87 – n.v.) noch im Zusammenhang zu den Aufgaben der Behörde steht, weil sie die Ausübung der Aufgaben des Zolldienstes gerade ermöglicht, werden mit den Aufgaben der Vorprüfungsstelle andere Ziele verfolgt, nämlich die der Vorbereitung der Rechnungsprüfung durch den Bundesrechnungshof. Deutlich wird das insbesondere durch die unterschiedlichen Normen, aufgrund der die Zollverwaltung einerseits, der Kläger im Rahmen der Vorprüfung andererseits tätig wurde. Die Aufgaben der Zollverwaltung werden durch das Zollrecht, die der Rechnungsprüfung durch das Haushaltsrecht bzw. das Rechnungswesen bestimmt. Ein Bezug besteht nur durch die zu prüfende Materie. Deutlich wird die unterschiedliche Zielrichtung auch dadurch, daß die Tätigkeit des Klägers nicht auf die Prüfung der Zollverwaltung beschränkt war, sondern sich außerdem auf die übrigen Abteilungen der Bundesverwaltung innerhalb der Oberfinanzdirektion erstreckte. Dabei ist es unerheblich, ob sich – wie der Kläger behauptet – seine Tätigkeit im Bereich der Zollverwaltung auf die Hälfte oder – so die Beklagte – auf mehr als 4/5 der Bundesbediensteten bezog. Jedenfalls kommt durch die Ausdehnung des Aufgabengebiets zum Ausdruck, daß sein Aufgabenbereich nicht auf die Zollverwaltung beschränkt war.

(3) Es ist außerdem nicht anzunehmen, daß die Tarifpartner eine Gruppe von Angestellten, die aus rein organisatorischen Gründen dem Bereich der Zollverwaltung zugeordnet sind, der Anwendung der Anlage 1 a zum BAT entziehen wollten.

Hierfür spricht der tarifliche Gesamtzusammenhang. Vorprüfungsstellen sind in zahlreichen zu prüfenden Behörden eingerichtet. Gemäß § 2 Satz 1 ÄndTV gilt für alle Angestellten der anderen Vorprüfungsstellen die Anlage 1 a. Für sie sind nach dem Willen der Tarifvertragsparteien also gerade nicht die beamtenrechtlichen Regelungen maßgeblich, sondern die für Angestellte entwickelten Tätigkeitsmerkmale. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, warum die Tarifpartner bezüglich der Vorprüfer in Oberfinanzdirektionen eine Ausnahme gemacht haben sollten.

Eine andere Auslegung führte hier außerdem zu dem Ergebnis, daß die Anwendung der Anlage 1 a zum BAT/BL auf Angestellte der Vorprüfungsstellen davon abhängig wäre, welcher Abteilung innerhalb der Oberfinanzdirektion die Vorprüfungsstellen zugewiesen sind. Es erscheint ausgeschlossen, daß die Tarifpartner eine rein organisatorische Zuordnung zu einer Dienststelle bzw. einer Abteilung innerhalb der Dienststelle als ausschlaggebend für die Anwendung einer Vergütungsordnung angesehen haben. Insoweit gelten keine anderen Gesichtspunkte als bei der Frage, ob die Tarifvertragsparteien eine rein organisatorische Zuordnung eines Arbeitsplatzes zu einer bestimmten Dienststelle oder Abteilung zu einem tariflichen Eingruppierungsmerkmal erheben wollten. Eine solche Auslegung von Tarifvorschriften lehnt der Senat in ständiger Rechtsprechung ab (Urteil vom 10. Februar 1982 – 4 AZR 464/79 – AP Nr. 3 zu § 22 MTB II SV 2 a; vgl. auch Urteil des Senats vom 25. August 1993 – 4 AZR 566/92 – AP Nr. 10 zu § 21 MTB II; Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 885/93 – AP Nr. 12 zu § 21 MTB II; vgl. auch für eine Betriebsvereinbarung Urteil vom 16. April 1997 – 4 AZR 408/95 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gewerkschaften). Jedenfalls hätten die Tarifvertragsparteien es aber eindeutig formulieren müssen, wenn sie die Anwendung unterschiedlicher Vergütungssysteme ausnahmsweise ausschließlich davon hätten abhängig machen wollen, in welcher organisatorischen Einheit innerhalb einer Dienststelle ein Angestellter tätig ist. In jedem Fall steht bei der Frage der Bewertung die Tätigkeit im Vordergrund, nicht der Ort, wo sie innerhalb einer Dienststelle ausgeübt wird.

c) Findet danach die Anlage 1 a zum BAT/BL Anwendung, hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob mindestens ein Drittel der die Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihm in Anspruch genommenen VergGr. IV a entsprach.

Damit ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Diesen hat der Senat verstanden als eine unter Hinzurechnung von Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ständige Rechtsprechung des Senats). Dabei ist es zwar rechtlich möglich, daß die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1985 – 4 AZR 184/83 – AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Senatsurteil vom 23. Februar 1983 – 4 AZR 222/80 – BAGE 42, 29 = AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 45/93 – AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Senatsurteil vom 20. März 1991 – 4 AZR 471/90 – AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Das Landesarbeitsgericht hat – nach der von ihm vertretenen Rechtsauffassung konsequent – keine Arbeitsvorgänge gebildet. Das ist aber unschädlich, denn der Senat kann – wenn, wie hier, die erforderlichen Tatsachen festgestellt sind – die Arbeitsvorgänge selbst festlegen, da der Begriff des Arbeitsvorgangs ein feststehender Rechtsbegriff ist (Senatsurteil vom 16. Mai 1979 – 4 AZR 680/77 – AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Der Kläger ist von elf Arbeitsvorgängen ausgegangen. Zusammenzufassen sind nach den oben dargelegten Kriterien demgegenüber diejenigen Tätigkeiten, die sich auf die Prüfungsaufgaben beziehen. Arbeitsergebnis der damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten ist die Erfüllung der Aufgaben eines Vorprüfers in einer Vorprüfungsstelle der Oberfinanzdirektion i.S.d. VPOB, letztlich die Erstellung von Prüfberichten. Diesem Ziel dienen alle in der VPOB niedergelegten und von dem Kläger unter Ziff. 3–11 der Tätigkeitsdarstellung aufgezeigten Tätigkeiten (vgl. auch BAG Urteil vom 20. März 1991 – 4 AZR 471/90 – AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975 zu einer Gleichstellungsbeauftragten, Arbeitsergebnis: bei lebensnaher Betrachtungsweise die Erfüllung der in § 6 a Abs. 4 GemO NW vorgegebenen Aufgaben; BAG Urteil vom 29. Juni 1988 – 4 AZR 139/88 – ZTR 1988, 463, hinsichtlich eines Sachbearbeiters, der im Rahmen der Heimaufsicht nach §§ 78, 78 a und 79 JWG eingesetzt wird).

Die Prüftätigkeit ist rechtlich selbständig bewertbar.

Weitere Arbeitsvorgänge sind die Abwesenheitsvertretung des Sachgebietsleiters sowie die Anleitung und Einarbeitung.

Die Prüftätigkeit machte nach der ursprünglichen Aufstellung des Klägers 85 % seiner Arbeitszeit aus. Auch wenn man seine späteren Angaben zur Zeiteinteilung zugrunde legt, nämlich 38 % hinsichtlich der Vertretungstätigkeit und 10 % bezüglich der Einarbeitung und Anleitung von Nachwuchskräften, überwog die Prüftätigkeit.

Im Ergebnis kann es dahinstehen, ob die Prüfungstätigkeit noch in weitere Arbeitsvorgänge zu untergliedern ist, wie der Kläger meint, da er bei jedem Zuschnitt der Arbeitsvorgänge nur die Voraussetzungen der VergGr. IV b, nicht aber die der VergGr. IV a BAT-O erfüllt.

Weder der Arbeitsvorgang „Vertretung des Sachgebietsleiters” noch der Arbeitsvorgang „Prüftätigkeit” erfüllen die Anforderungen der VergGr. IV a, jedenfalls der zuletzt genannte Arbeitsvorgang aber die der VergGr. IV b BAT-O.

d) Die Tätigkeitsmerkmale des Allgemeinen Teils der Anlage 1 a zum BAT/BL haben, soweit für den Rechtsstreit entscheidungserheblich, folgenden Wortlaut:

„Vergütungsgruppe IV a

1 a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a heraushebt.

(Hierzu Protokollnotiz Nr. 9)

1 b. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich mindestens zu 1/3 durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a heraushebt.

(Hierzu Protokollnotiz Nr. 9)

Vergütungsgruppe IV b

1 a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a heraushebt, daß sie besonders verantwortungsvoll ist.

(Hierzu Protokollnotiz Nr. 9)

Vergütungsgruppe V b

1 a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

(Gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in den Fallgruppen 1 a der Vergütungsgruppen VII, VI b und V c geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach.) *

(Hierzu Protokollnotiz Nr. 9)

Vergütungsgruppe V c

1 a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung [des Betriebes], bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den Vorausgesetzen Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)

(Hierzu Protokollnotiz Nr. 9)

Vergütungsgruppe VII

1 b. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert. (Erforderlich sind nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises.)*

Protokollnotiz Nr. 9 ist hier nicht von Bedeutung.

e) Die Tätigkeitsmerkmale der Fallgruppen bauen aufeinander auf. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei Aufbaufallgruppen zunächst zu prüfen, ob der Kläger die allgemeinen Anforderungen der niedrigeren Vergütungsgruppen, hier der VergGr. IV b, v b Fallgr. 1 a sowie VII Fallgr. 1 b BAT erfüllt hat und anschließend, ob die weiterführenden Merkmale der darauf aufbauenden höheren VergGr. IV a vorlagen (vgl. nur Urteil vom 24. September 1980 – 4 AZR 727/78 – BAGE 34, 158 = AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Bei den Tätigkeitsmerkmalen dieser Fallgruppen handelt es sich überwiegend um unbestimmte Rechtsbegriffe. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist bei einem solchen Rechtsbegriff grundsätzlich darauf beschränkt, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Urteil vom 4. August 1993 – 4 AZR 511/92 – AP Nr. 38 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Das Revisionsgericht ist jedoch nur dann auf eine solche beschränkte Überprüfung verwiesen, wenn das Berufungsurteil erkennen läßt, wie das Landesarbeitsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff verstanden hat (Senatsurteil vom 15. November 1995 – 4 AZR 557/94 – AP Nr. 209 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Das Landesarbeitsgericht hat – angesichts der von ihm vertretenen Rechtsauffassung konsequent – den Sachverhalt nicht unter die Eingruppierungsmerkmale der Anlage 1 a zum BAT/BL subsumiert. Es hat jedoch ausreichende Feststellungen getroffen, die es dem Senat ermöglichen, die Überprüfung selbst vorzunehmen. Der festgestellte Sachverhalt unterliegt insoweit der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung. Vom Vorliegen der Voraussetzungen der VergGr. IV a BAT kann auch nicht schon deshalb ohne Prüfung ausgegangen werden, weil diese nach Ansicht der Parteien bei Anwendbarkeit der Anlage 1 a zum BAT/BL erfüllt sind. Über tarifliche Rechtsbegriffe können die Parteien nicht verfügen und diese auch nicht wie Tatsachen unstreitig stellen (BAGE 29, 364, 375 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Senatsurteil vom 27. April 1988 – 4 AZR 690/87 – ZTR 1988, 296).

Nach der Senatsrechtsprechung ist aber eine pauschale Überprüfung ausreichend, wenn die Parteien die Tätigkeit des Arbeitnehmers als unstreitig ansehen und der Arbeitgeber selbst für die Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale als erfüllt erachtet (BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 4 AZR 203/82 – AP Nr. 91 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Eine summarische Überprüfung muß erkennen lassen, aufgrund welcher konkreter Tatsachen die Erfordernisse einer bestimmten Fallgruppe bzw. Vergütungsgruppe als erfüllt angesehen werden und welche Tatumstände für die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale herangezogen worden sind. Die Voraussetzungen für eine summarische Prüfung sind hier erfüllt. Die Beklagte geht (wie der Kläger) davon aus, daß der Kläger bei Anwendung der Anlage 1 a zum BAT/BL die Voraussetzungen der VergGr. IV a Fallgruppe 1 b erfüllt hat. Das hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 1994 ausdrücklich erklärt.

Jedenfalls bei Zugrundelegung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes kann davon ausgegangen werden, daß der Kläger zur Erledigung seiner Aufgaben gründliche und vielseitige Fachkenntnisse benötigte. „Gründliche Fachkenntnisse” liegen vor, wenn der Angestellte über nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises verfügen muß (Klammerdefinition in VergGr. VII Fallgruppe 1 b BAT/BL).

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat dieses Tarifmerkmal sowohl ein quantitatives als auch ein qualitatives Element, wonach Kenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art erforderlich sind (vgl. z.B. BAG Urteil vom 28. September 1994 – 4 AZR 542/93 – AP Nr. 185 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Die Anforderungen an die Tätigkeit des Klägers erfüllten diese Voraussetzungen. Er benötigte Fachkenntnisse insbesondere in den Bereichen des Besoldungsrechts und des Vergütungsrechts. Außerdem verlangte seine Tätigkeit Kenntnisse auf dem Gebiet des Versorgungsrechts, des Kindergeldrechts, des Beihilferechts sowie des Bundeshaushaltsrechts.

Darüber hinaus benötigte der Kläger „vielseitige” Fachkenntnisse. Nach dem Klammerzusatz zur VergGr. V c Fallgruppe 1 a brauchen sich die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), bei dem der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Gefordert wird eine Erweiterung der Fachkenntnisse dem Umfang nach (vgl. z.B. BAG Urteil vom 28. September 1994 – 4 AZR 542/93 – aaO, m.w.N.). Die Vielseitigkeit kann sich insbesondere aus der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen ergeben. Allseitige Fachkenntnisse auf dem gesamten Gebiet der Verwaltung, bei der er arbeitet, sind nicht erforderlich (BAG Urteil vom 17. November 1955 – 2 AZR 367/54 – AP Nr. 7 zu § 3 TAO). Ein eng abgegrenztes Teilgebiet mit etwa nur routinemäßiger Bearbeitung genügt allerdings nicht. Bei Zugrundelegung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs kann vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen werden. Der Kläger muß mehr als 30 Gesetze sowie Richtlinien und die maßgeblichen Kommentare sowie Erlasse kennen und anwenden.

Die Tätigkeit des Klägers erforderte auch „selbständige Leistungen” im Sinne der oben aufgeführten Tarifvorschriften.

Nach dem Klammerzusatz zur VergGr. V c Fallgr. 1 a erfordern selbständige Leistungen ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative, wobei eine leichte geistige Arbeit diese Anforderungen nicht erfüllen kann. Dabei darf das Tätigkeitsmerkmal „selbständige Leistungen” nicht mit dem Begriff „selbständig arbeiten” im Sinne von „allein arbeiten”, d.h. ohne direkte Aufsicht oder Lenkung durch Weisung tätig zu sein, verwechselt werden. Unter selbständiger Leistung ist vielmehr eine Gedankenarbeit zu verstehen, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges wie insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1957 – 4 AZR 592/55 – AP Nr. 29 zu § 3 TOA; vom 18. Mai 1994 – 4 AZR 461/93 – AP Nr. 178 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 28. September 1994 – 4 AZR 542/93 – AP Nr. 185 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Kennzeichnend für selbständige Leistungen im tariflichen Sinne können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe – ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Bearbeitung eines Arbeitsergebnisses sein (vgl. Senatsurteil vom 14. August 1985 – 4 AZR 21/84 – BAGE 49, 250 = AP Nr. 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Vom Angestellten werden Abwägungsprozesse verlangt, es werden Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt; der Angestellte muß also unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung kommen. Dieser Prozeß geistiger Arbeit kann bei entsprechender Routine durchaus schneller ablaufen. Trotzdem bleibt das Faktum der geistigen Arbeit bestehen. Geistige Arbeit wird also geleistet, wenn der Angestellte sich bei der Arbeit fragen muß: Wie geht es nun weiter? Worauf kommt es nun an? Was muß als nächstes geschehen?

Die Tätigkeit des Klägers erfüllte auch diese Anforderungen. Sie erforderte eigene Gedankenarbeit im dargestellten Sinn. Im Rahmen seiner Prüfungstätigkeit mußte er insbesondere die Ergebnisse der Tätigkeit der Personalsachbearbeiter (zur Eingruppierung einer Personalsachbearbeiterin in VergGr. IV b vgl. Senatsurteil vom 12. November 1980 – 4 AZR 797/78 – n.v.) beurteilen. Gedankenarbeit ist regelmäßig erforderlich, wenn es darum geht, einen Sachverhalt unter Rechtsnormen zu subsumieren. Eigene Beurteilung und eigene Entschließung sind jedenfalls notwendig, wenn es darum geht, ob die durch unbestimmte Rechtsbegriffe beschriebenen Anforderungen erfüllt sind. Hier kommt hinzu, daß nur bei einer Analyse von Sachzusammenhängen auf hohem Abstraktionsgrad die geforderten Ergebnisse erzielt werden konnten.

Die Tätigkeit des Klägers erforderte auch gründliche, umfassende Fachkenntnisse i.S.d. VergGr. V b Fallgruppe 1 a des Allgemeinen Teils der Anlage 1 a zum BAT/BL.

Nach dem Klammerzusatz zu VergGr. V b Fallgruppe 1 a BAT bedeuten gründliche, umfassende Fachkenntnisse gegenüber den in der Fallgruppe 1 a der VergGr. VII, VI b und V c geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach. Das bedeutet, daß der Begriff der „gründlichen” Fachkenntnisse der ersten Fallgruppe der VergGr. VII, VI b und V c BAT, obwohl wortgleich, nicht identisch ist. In der VergGr. V c BAT ist das Merkmal „gründliche” ebenso wie in der VergGr. VI b BAT bezogen auf die vorausgesetzten „vielseitigen Fachkenntnisse. Dabei bedeuten „gründliche” Fachkenntnisse den erforderlichen Grad der Vertiefung, der in VergGr. VII BAT als „nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften, Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises” umschrieben ist. Dies gilt ebenso für die auf VergGr. VII BAT aufbauenden VergGr. VI b und V c, bei denen das Merkmal „gründlich” i.V.m. mit dem den Umfang der Fachkenntnisse bezeichnenden Merkmal „vielseitig” wiederkehrt. In VergGr. V b BAT sind die Anforderungen an die Gründlichkeit nicht mehr dieselben wie in den niedrigeren Vergütungsgruppen. Nunmehr wird nach dem erläuternden Klammerzusatz ausdrücklich eine Steigerung nicht nur der Breite (= Umfang), sondern auch nach der Tiefe der einzusetzenden Fachkenntnisse gefordert (Senatsurteil vom 18. März 1970 – 4 AZR 234/69 – n.v.). Die Begriffe „gründlich” und „umfassend” sind also nicht getrennt zu beurteilen. Vielmehr ist das Tätigkeitsmerkmal „gründliche, umfassende Fachkenntnisse” den „gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen” zusammenfassend gegenüberzustellen und einheitlich zu bewerten. Nur wenn dann eine entsprechende Steigerung nach Tiefe und Breite, nach Qualität und Quantität, gegenüber dem Tätigkeitsmerkmal „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse” festgestellt werden kann, ist das Tätigkeitsmerkmal „gründliche, umfassende Fachkenntnisse” erfüllt (BAG Urteil vom 8. November 1967 – 4 AZR 9/67 – AP Nr. 12 zu §§ 22, 23 BAT).

Der Kläger begründet das Erfordernis gründlicher, umfassender Fachkenntnisse und selbständiger Leistungen mit der Breite und der Unterschiedlichkeit der zu prüfenden Komplexe sowie der Notwendigkeit der Kenntnisse und des „Beherrschens” zahlreicher Vorschriften. Hieraus resultiert zunächst nur die notwendige Breite. Die erforderliche Tiefe ergibt sich aber daraus, daß es sich nicht um ganz einfache Vorschriften handelt, für deren Anwendung es neben den Rechtsprechungskenntnissen (u.a. zum Besoldungsrecht sowie zum Eingruppierungsrecht und zum Versorgungsrecht) nicht unerheblicher Erfahrung bedarf.

Die Tätigkeit des Klägers hebt sich auch in dem erforderlichen Umfang durch das Maß der geforderten Verantwortung aus der Summe der Erfordernisse der VergGr. V b Fallgruppe 1 a BAT heraus. Dieses Qualifikationsmerkmal der VergGr. IV b Fallgruppe 1 a BAT ist dann erfüllt, wenn sich die Tätigkeit des Angestellten, gemessen an und ausgehend von der Summe der Erfordernisse der VergGr. V b Fallgruppe 1 a BAT, daraus durch das Maß der geforderten Verantwortung in gewichtiger, beträchtlicher Weise heraushebt (BAG Urteil vom 19. März 1986 – 4 AZR 642/84 – BAGE 51, 282 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Dabei ist es allerdings nicht erforderlich, daß der Kläger bei der sachlichen und rechtlichen Bearbeitung nicht „letzte” bzw. „allein” Verantwortung trägt. Es kann nämlich im Einzelfall durchaus so liegen, daß der Angestellte, obwohl er als der Verantwortliche gar nicht in Erscheinung tritt, an Maßnahmen mit erheblichen Auswirkungen gegenüber dem öffentlichen Arbeitgeber oder Dritten deshalb wesentlich beteiligt ist, weil sein Vorgesetzter zur Nachprüfung aller vom Angestellten bearbeiteten Vorgänge schon zeitlich nicht in der Lage und deshalb nicht dazu verpflichtet ist. In solchen Fällen kann eine bestehende Mitverantwortung je nach Umfang und Bedeutung der Beteiligung des Angestellten eine besondere Verantwortung i.S.d. VergGr. IV b BAT begründen. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob und inwieweit eine echte Nachprüfung der vom Angestellten vorgelegten Sachen erfolgt (BAG Urteile vom 15. November 1961 – 4 AZR 227/61 – BAGE 12, 36 = AP Nr. 81 zu § 3 TOA; vom 20. Oktober 1971 – 4 AZR 10/71 – AP Nr. 47 zu §§ 22, 23 BAT). In dem Urteil vom 17. Dezember 1980 (– 4 AZR 832/78 – n.v.) hat der Senat es für einen Vorprüfer in einem Rechnungsprüfungsamt insoweit als ausreichend angesehen, daß vom Ergebnis der Prüftätigkeit abhing, ob die zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel der öffentlichen Hand richtig eingesetzt worden waren und ob außenstehende Dritte die ihnen gesetzlich zustehenden und ggf. ihre Existenz unmittelbar berührenden Entschädigungen, Beihilfen und sonstigen Gelder erhielten oder behielten. Hieran ist festzuhalten. Die Prüftätigkeit des Klägers wirkt sich mittelbar, in Fällen der Korrektur auch unmittelbar, auf die materiellen Belange des öffentlichen Arbeitgebers sowie die Lebensverhältnisse der Betroffenen aus.

Bei der gebotenen pauschalen Prüfung erfüllte der Kläger auch diese Voraussetzungen. Die Ergebnisse seiner Prüfung wurden ohne weitere Kontrolle des Sachgebietsleiters durch die Abgabe des Prüfvermerks dokumentiert. Diese Prüfvermerke waren u.a. für die Bundesbesoldungsstellen in Bonn und Berlin der zahlungsauslösende Anlaß für laufende Zahlungen von Besoldung, Gehalt, Lohn und Versorgungsbezügen. Dementsprechend waren die Ergebnisse der Tätigkeiten auch von gewisser Tragweite für die betroffenen Personen.

Die Tätigkeit des Klägers erfüllte jedoch nicht die Voraussetzungen der VergGr. IV a Fallgruppe 1 a oder 1 b des Allgemeinen Teils der Anlage 1 a. Sie hob sich nicht durch ihre Bedeutung deutlich wahrnehmbar aus der VergGr. IV b Fallgruppe 1 a BAT heraus. Daher kommt es nicht darauf an, ob sie besonders schwierig i.S.d. VergGr. IV a BAT war.

Bei der „Bedeutung” des Aufgabengebietes knüpfen die Tarifvertragsparteien an die Auswirkungen der Tätigkeit an, so daß es bei der Anwendung der Merkmale der VergGr. IV a Fallgruppen 1 a und I b lediglich darauf ankommt, ob gemessen an den Anforderungen der VergGr. IV b Fallgruppe 1 a BAT/BL die Auswirkungen oder die Tragweite der Tätigkeit des Angestellten, aus welchem Grund auch immer, deutlich wahrnehmbar bedeutungsvoller sind (BAG Urteil vom 4. September 1996 – 4 AZR 174/95 – AP Nr. 217 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Senat hat die insoweit erforderliche Tragweite der Tätigkeit beispielsweise für den Fall einer Frauenbeauftragten bejaht, deren Arbeit sich nicht nur auf Frauen auswirkt, die in der Verwaltung eines Zweckverbandes beschäftigt sind, sondern auf sämtliche Einwohnerinnen des Großraums Hannover (Senatsurteil vom 20. September 1995 – 4 AZR 685/94 – BAGE 81, 47 = AP Nr. 206 zu §§ 22, 23 BAT).

Die Tätigkeit des Klägers war begrenzt auf die Abteilungen der Oberfinanzdirektion C.. Die Prüftätigkeit war auch nicht umfassend, sondern beschränkt auf die Überprüfung von Einzelfällen, wobei mangels entsprechender Angaben des Klägers nicht festgestellt ist, in welchem Umfang seine Tätigkeit zu Korrekturen geführt hat, d.h. in welchem Umfang sie sich auf Dritte auswirkte. Jedenfalls waren sie beschränkt auf Einzelfälle, in denen Fehler unterlaufen waren. Der Kläger beruft sich selbst auf die Entscheidung des Senats vom 17. Dezember 1980 (– 4 AZR 832/78 – n.v.). Die Tätigkeit jenes Klägers sei mit seiner vergleichbar. Entgegen der Darstellung des Klägers hat der Senat aber bereits in der zitierten Entscheidung gerade die Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht beanstandet, wonach die finanziellen Auswirkungen der Prüftätigkeit gegenüber den betroffenen Dritten, gegenüber den Behörden und gegenüber der Allgemeinheit nur die besonders verantwortungsvolle Tätigkeit im Sinne des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. IV b BAT begründet haben. Durch die Tätigkeit, die gerade die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der VergGr. IV b BAT erfüllt, kann sich der Kläger aber aus dieser nicht herausheben.

Auch seine Tätigkeit als Vertreter des Sachgebietsleiters hat er nicht näher dargestellt. Insbesondere hat er nicht begründet, inwieweit sie sich hinsichtlich Schwierigkeit und Bedeutung aus der übrigen Tätigkeit heraushob. Es kommt hinzu, daß die Angaben zu ihrem zeitlichen Umfang jegliche Konkretisierung vermissen lassen. Danach ist nicht feststellbar, ab wann die Vertretungstätigkeit ein Drittel seiner Arbeitszeit überschritten hatte. Diese Angaben sind auch bei einer nur pauschalen Prüfung nicht ausreichend.

Auch die Besoldung von Beamten mit entsprechender Tätigkeit läßt keine Schlüsse darauf zu, daß die tariflichen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. IV a BAT erfüllt sind (BAG Urteile vom 23. Mai 1979 – 4 AZR 576/77 – AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 17. Dezember 1980 – 4 AZR 832/78 – n.v.).

2. Auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kann der Kläger seinen Anspruch mit Erfolg nicht stützen. Insoweit fehlt es an einer konkreten Vergleichsbetrachtung in bezug auf die Tätigkeit anderer Vorprüfungsstellenmitarbeiter durch den Kläger. Darauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen.

3. Es verbleibt danach bei dem Anspruch des Klägers auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O, den er mit seinem Hilfsantrag geltend macht.

4. Die wirksame Anfechtung wegen arglistiger Täuschung der dem Arbeitsvertrag zugrunde liegenden Willenserklärung der Beklagten steht dem Anspruch des Klägers auf Vergütung nach VergGr. IV b für den genannten Zeitraum nicht entgegen.

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, einer Abkehr der sich aus § 142 BGB ergebenden Nichtigkeitsfolge einer Anfechtung ex nunc bedürfe es nicht, weil das Arbeitsverhältnis nur durch eine arglistige Täuschung des Klägers zustande gekommen sei. Lediglich die Möglichkeit einer Rückabwicklung sei beschränkt.

b) Der Annahme einer Rückwirkung der Anfechtung steht nicht bereits das rechtskräftige Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 4. Oktober 1995 – 7 Ca 4134/95 – entgegen. Zwar heißt es in den Gründen dieses Urteils, daß die Anfechtung nur Wirkung für die Zukunft entfalte. Die Urteilsgründe erwachsen jedoch nicht in Rechtskraft. Die Frage, ob die Anfechtung der Beklagten rückwirkende Kraft hat oder nur für die Zukunft wirkt, war nicht Streitgegenstand des damaligen Rechtsstreits (vgl. dazu auch BAG Urteil vom 29. August 1984 – 7 AZR 34/83 – AP Nr. 27 zu § 123 BGB).

c) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wirkt die durch Anfechtung herbeigeführte Nichtigkeit eines bereits in Vollzug gesetzten Arbeitsvertrages abweichend von § 142 Abs. 1 BGB nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurück; vielmehr ist ein in Funktion gesetztes Arbeitsverhältnis für die Vergangenheit grundsätzlich wie ein fehlerfrei zustande gekommenes zu behandeln (BAGE 5, 159 = AP Nr. 2 zu § 123 BGB und BAGE 11, 270 = AP Nr. 15 zu § 123 BGB; BAGE 22, 344, 353 = AP Nr. 4 zu § 60 HGB, zu II 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 25. März 1976 – 2 AZR 136/75 – AP Nr. 19 zu § 123 BGB; BAG Urteil vom 29. August 1984 – 7 AZR 34/83 – AP Nr. 27 zu § 123 BGB).

Nach § 142 Abs. 1 BGB ist zwar ein anfechtbares Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen, wenn es angefochten wird. Im arbeitsgerichtlichen Schrifttum und in der Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, daß die Regelung des § 142 Abs. 1 BGB grundsätzlich auch für den Arbeitsvertrag gilt. Im Hinblick auf den Charakter des Arbeitsverhältnisses als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis und wegen der Schwierigkeit einer Rückabwicklung hat sich aber – ebenso wie bei anderen Dauerschuldverhältnissen – die Meinung durchgesetzt, daß ein bereits in Vollzug gesetzter Arbeitsvertrag nicht mit rückwirkender Kraft angefochten werden kann. § 142 Abs. 1 BGB finde auf das bereits begründete Arbeitsverhältnis als Dauerrechtsverhältnis keine Anwendung. Anstelle der rückwirkenden Nichtigkeit wird der Anfechtung nur die kündigungsähnliche Wirkung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft zugeschrieben (BAG Urteil vom 20. Februar 1986 – 2 AZR 244/85 – BAGE 51, 167 = AP Nr. 31 zu § 123 BGB, m.w.N.).

Der Zweite Senat hat insoweit jedoch betont, daß die Anfechtung mit ex nunc-Wirkung eine Ausnahme von dem durch den Gesetzgeber in § 142 BGB aufgestellten Grundsatz darstelle und sich eine Abweichung hiervon demnach nur dann und nur insoweit auch dogmatisch rechtfertigen lasse, als diese durch sachliche Gründe geboten erscheine. Seien solche Gründe nicht vorhanden, entstünden insbesondere keine Rückabwicklungsschwierigkeiten, sei es nicht gerechtfertigt, der Anfechtung nur Wirkung für die Zukunft beizumessen (BAG Urteile vom 16. September 1982 – 2 AZR 228/80 – BAGE 41, 54 = AP Nr. 24 zu § 123 BGB; vom 20. Februar 1986 – 2 AZR 244/85 – aaO). Einen sachlichen Grund hat der Zweite Senat in den zitierten Entscheidungen für die Fälle abgelehnt, in denen ein Arbeitsvertrag noch nicht in Funktion gesetzt ist oder zu einem späteren Zeitpunkt wieder außer Funktion gesetzt wird und der Arbeitnehmer von da ab keine Arbeitsleistungen erbracht hat bzw. solche nicht mehr erbringt, wobei allerdings eine Außerfunktionssetzung des Arbeitsverhältnisses noch nicht vorliegt, wenn die Arbeitsleistung unterbleibt, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist (so schon Urteil des Zweiten Senats vom 18. April 1968 – 2 AZR 145/67 – AP Nr. 32 zu § 63 HGB). Dem ist der Siebte Senat im Urteil vom 29. August 1984 (– 7 AZR 34/83 – AP Nr. 27 zu § 123 BGB) gefolgt.

Ein solcher Fall liegt nicht vor. Der Kläger hat seine Arbeitsleistung bereits erbracht. Das Arbeitsverhältnis ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch nicht vor dem 11. Mai 1995 außer Funktion gesetzt worden. Wirkt die Anfechtung danach nur für die Zukunft, bestehen die Ansprüche des Klägers für den davorliegenden Zeitraum weiter, und zwar auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis durch eine arglistige Täuschung zustande gekommen ist. Sie sind nicht auf das beschränkt, was der Arbeitnehmer als Ausgleich für seine Arbeitsleistung bis dahin tatsächlich erhalten hat. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG Urteile vom 16. September 1982, aaO; vom 20. Februar 1986, aaO).

Das Landesarbeitsgericht übersieht, daß die Verpflichtungen zur Arbeitsleistung sowie zur Zahlung der Vergütung im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Ist die Arbeitsleistung erbracht, ist sie auch entsprechend der vertraglichen bzw. tariflichen Bestimmungen zu vergüten. Dabei ändert sich – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – auch nicht der Prüfungsmaßstab bei der Untersuchung, ob die Voraussetzungen für die Vergütung vorliegen. Die Vergütung richtet sich nicht nach einer „vertretbaren”, wie das Landesarbeitsgericht meint, sondern nach der zutreffenden Auslegung der für die Vergütung maßgeblichen Normen.

Etwas anderes würde gemäß § 853 BGB nur dann gelten, wenn der Kläger durch seine arglistige Täuschung bei Vertragsabschluß auch gleichzeitig eine unerlaubte Handlung i.S.d. §§ 823 ff. BGB begangen hätte. Das setzt aber nicht nur eine arglistige Täuschung des Klägers, sondern auch einen durch diese Täuschung hervorgerufenen Vermögensschaden der Beklagten voraus. Bei einem durch Täuschung herbeigeführten Abschluß eines Arbeitsvertrages liegt ein Vermögensschaden nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer nicht die versprochenen und der Vergütung entsprechenden Leistungen erbringen kann, ihm also mehr Arbeitsentgelt zugesagt worden ist als seine Arbeit wert ist. Dafür, daß seine Arbeitsleistung wegen der Täuschung nicht die tarifliche Vergütung wert ist, sind Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Auch dann liegt ein Vermögensschaden vor, wenn die Einstellung und die Höhe der Vergütung auf besonderem Vertrauen oder auf einer besonderen Ausbildung beruhen und weder das Vertrauen noch die Ausbildung vorhanden sind. Dagegen ist ein Vermögensschaden nicht schon dann anzunehmen, wenn der Getäuschte bei Kenntnis des Sachverhalts den Täuschenden nicht eingestellt hätte. Danach fehlt es hier an einem Vermögensschaden. Daß der Kläger die ihm von der Beklagten übertragenen Aufgaben nicht sachgerecht bewältigen konnte, ist weder vorgetragen noch festgestellt. Die Beklagte hat lediglich im Zusammenhang mit dem nach ihrer Auffassung nicht mehr gegebenen Feststellungsinteresse des Klägers vorgetragen, der Kläger müsse damit rechnen, daß die Beklagte den zusätzlichen Vergütungsansprüchen die Arglisteinrede des § 853 BGB entgegenhalten werde.

5. Die Geltendmachung des Anspruchs verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Das Landesarbeitsgericht hat unter Berufung auf Picker (ZfA 1981, 1, 61) ohne nähere Begründung ausgeführt, auch wenn man von einer ex nunc-Wirkung ausgehe, führe jedenfalls die Arglisteinrede zu seinem Ergebnis. Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Arglisteinrede gegenüber Ansprüchen nach wirksamer Anfechtung für den Zeitraum vor der Anfechtungserklärung begründet ist (vgl. Urteil vom 16. September 1982, aaO, zu IV 3 c der Gründe), offengelassen. Auch der Senat braucht über diese Frage nicht abschließend zu befinden. Selbst wenn man z.B. mit Richardi (MünchArbR, Bd. 1., § 44 Rz 66; Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 611 Rz 183 f., 185 ff.) die Beschränkung der Nichtigkeitswirkung nur für den Fall ablehnt, daß die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers aufgrund der Täuschung für den Arbeitgeber ohne jedes Interesse ist, oder mit Hueck/Nipperdey, (Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. I, S. 186 Fußnote 8) und mit Nikisch, (Arbeitsrecht, 3. Aufl., Bd. 1,

5. 226) auch bei ex nunc-Wirkung der Anfechtung des Arbeitgebers Ansprüchen des Arbeitnehmers den Einwand der Arglist entgegenhalten kann, wenn wegen der arglistigen Täuschung die Arbeit für den Arbeitgeber wertlos war, fehlt es an tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die auszumachen vermöchten, daß die Erbringung der Arbeitsleistung durch die Mitarbeit für das Ministerium für Staatssicherheit eingeschränkt war, es also nicht gerechtfertigt ist, dem Kläger den tariflichen Gegenwert seiner Arbeitsleistung zu geben oder zu belassen. Die Beklagte hat auch keine Verfahrensrüge erhoben, daß bestimmter Sachvortrag der Beklagten fehlerhaft nicht berücksichtigt worden sei. In der Revisionsbeantwortung findet sich lediglich der schlagwortartige Hinweis, die vom Kläger faktisch erbrachte Leistung habe keine objektiv feststellbare Wertigkeit. Ein Bezug zu tatsächlichem Vorbringen in der Berufungsinstanz wird nicht hergestellt. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte nach dem Akteninhalt insoweit auch nichts vorgetragen.

Es findet sich auch kein Hinweis darauf, daß die Beklagte in Rechtfertigungszwang gegenüber den 2.500 Mitarbeitern oder einigen von ihnen geraten wäre, in deren Personalakten der Kläger einsehen konnte, daß und warum sie gerade den Kläger mit Prüfungsaufgaben betraut hat.

6. Der Anspruch auf Verzinsung der Nettodifferenzbeträge zwischen VergGr. V b und IV b, die bis zur Rechtshängigkeit der Eingruppierungsklage fällig geworden sind, beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Für die später fällig gewordenen Differenzbeträge schuldet die Beklagte die zuerkannten Zinsen nach § 284 Abs. 2, § 288 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 36 Abs. 1 BAT-O (vgl. BAG Urteil vom 29. September 1993 – 4 AZR 693/92 – BAGE 74, 268 = AP Nr. 4 zu § 20 BMT-G II). Der Anspruch auf die tariflich zustehenden monatlichen Gehälter wurde am 15. des jeweiligen Abrechnungsmonats fällig.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 ZPO.

 

Unterschriften

Schneider, Bott, Friedrich, Kiefer, Seifner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1126903

ZTR 1998, 329

ZTR 1998, 411

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