Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung im allgemeinen Ermittlungsdienst. Eingruppierung eines Kriminalaktenverwalters bei einer Kreispolizeibehörde in Nordrhein-Westfalen

 

Leitsatz (amtlich)

Kriminalaktenverwaltung (Kriminalaktenhaltung) erfordert in der Regel zwar gründliche und vielseitige Fachkenntnisse, nicht aber selbständige Leistungen im Sinne der VergGr. Vc Fallgr. 1a, 1b.

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23; BAT Anlage 1a VergGr. VII, VIb, Vc

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 25.05.1994; Aktenzeichen 2 Sa 443/93)

ArbG Aachen (Urteil vom 20.01.1993; Aktenzeichen 4 h Ca 79/92)

 

Tenor

  • Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 25. Mai 1994 – 2 Sa 443/93 – aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers stattgegeben hat.
  • Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 20. Januar 1993 – 4 h Ca 79/92 – wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat auch die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers, der als Kriminalaktenverwalter bei einer Kreispolizeibehörde tätig ist. Der Kläger verlangt die Vergütung der VergGr. Vc des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT).

Er schloß im Januar 1975 eine Umschulung zum Industriekaufmann ab. Seit dem 2. Mai 1975 ist er bei dem beklagten Land tätig. Zunächst war er als Tagebuchführer eingesetzt; seit Februar 1978 verwaltet er die Kriminalakten der Kreispolizeibehörde H…. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der BAT Anwendung. Der Kläger erhält zur Zeit die Vergütung der VergGr. VIb BAT.

Bei der Kreispolizeibehörde H… werden ca. 18.000 Kriminalakten geführt. Etwa 12.000 von diesen Akten sind sogenannte Blattsammlungen, die aus maximal fünf Blättern bestehen. Die übrigen 6.000 Akten sind geheftet und haben einen durchschnittlichen Umfang von 80 bis 100 Seiten. Eine Blattsammlung wird in eine geheftete Akte umgewandelt, wenn sie einen Umfang von mehr als fünf Blättern erreicht. Zu den Aufgaben des Klägers gehört es insbesondere, derartige Akten anzulegen, die eingehenden Schriftstücke in den Akten anzuschließen, die Personendaten in den Akten zu überprüfen, Auskünfte über ihren Inhalt zu erteilen und Akten aus Gründen des Datenschutzes auszusondern. Neben der Aktenverwaltung nimmt der Kläger vertretungsweise erkennungsdienstliche Aufgaben wahr.

Zur Führung von Kriminalakten hat der Innenminister durch Runderlaß vom 21. März 1988 (MBl NW 1988 S. 472) u. a. folgende Regelungen getroffen:

  • Allgemeines

    Zur Abwehr von Gefahren, zur Verhütung und Aufklärung von Straftaten sowie zur Ermittlung von Straftätern führt die Kriminalpolizei Kriminalakten (KA).

    KA sind personenbezogene Sammlungen im Sinne der KpS-Richtlinien (vgl. RdErl. v. 10.2.1981 – SMBl. NW 20531). Die KpS-Richtlinien gelten daher auch für die KA, sofern dieser Erlaß keine andere Regelung trifft.

    • KA enthalten grundsätzlich nur für den innerdienstlichen polizeilichen Gebrauch bestimmte Unterlagen über namentlich bekannte Personen, die als Verurteilte, Beschuldigte, Verdächtige oder Gesuchte kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten sind, sowie über Vermißte und über Personen, die der Anlage einer KA zugestimmt haben (vgl. Nrn. 2.2.1 – 2.2.8; 2.2.12 der KpS-Richtlinien).
    • Die KA soll einen Überblick über den kriminellen Lebenslauf des Betroffenen, sein Vorgehen bei der Vorbereitung und Ausführung von Straftaten sowie sein Verhalten danach und gegenüber Polizeibeamten vermitteln. Sie soll außerdem Personen- und Sachzusammenhänge offenbaren und damit die Möglichkeit geben,

      • künftige Gefahren abzuwehren
      • Straftaten zu verhüten
      • eine Person als tatverdächtig zu ermitteln oder auszuschließen
      • eine Person zu identifizieren
      • sich schon vor Ermittlungshandlungen über eine Person zu informieren, um Hinweise für das taktische Vorgehen einschließlich der Eigensicherung zu gewinnen.
  • Inhalt

      • In die KA werden folgende Unterlagen aufgenommen:
      • Personenblatt (NW Pol 21)
      • Erkennungsdienstliche Unterlagen
      • Auszüge aus dem Bundeszentralregister
      • Merkblätter und vorläufige Merkblätter
      • Personengebundene Hinweise (PHW) auf besondere Gefährlichkeit, Suchtkrankheiten, psychische Störungen oder andere persönliche Eigenschaften und Verhaltensweisen, die beim Einschreiten für die Eigensicherung und/oder zum Schutz des Betroffenen von Bedeutung sind
      • Unterlagen über personengebundene Hinweise und andere personengebundene Merkmale von polizeilichem Interesse
      • Mitteilungen über Verurteilungen, Freisprüche, Verfahrenseinstellungen, Straf- und Haftzeiten
      • Hinweise über Namensänderung, Staatsangehörigkeitswechsel, Ausweisung, Aufenthaltsverbot, Versagung oder Entziehung von Paß oder Fahrerlaubnis, Bewährungszeiten, Führungsaufsicht, Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten.
      • In die KA können außerdem folgende Unterlagen aufgenommen werden:
      • Fahndungsunterlagen einschl. Lichtbilder
      • Vermißtenvorgänge
      • Merkblätter über Selbsttötungen und Selbsttötungsversuche
      • Tatortbefundberichte, Untersuchungsberichte und Gutachten, Durchsuchungs- und Beschlagnahmeprotokolle, Vernehmungsniederschriften, Zwischenberichte, Abschlußvermerke, Anklageschriften und Urteilsausfertigungen, wenn dies wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles geboten erscheint
      • Hinweise von Auskunftspersonen
      • Aktenvermerke
      • Hinweise aus dem kriminalpolizeilichen Meldedienst
      • Schriftproben
      • Hinweise über Erteilung, Versagung oder Entziehung von Berechtigungsscheinen (z.B. Waffenschein, Jagdschein oder Konzession)
      • Hinweise auf ein Berufsverbot oder auf eine Pflegschaft
      • Ersuchen anderer Dienststellen um Unterrichtung bei Eingang weiterer Nachrichten.
  • Ordnung des Inhalts

    • KA über Personen, die nicht erkennungsdienstlich behandelt sind, können bis zum Umfang von 10 Blättern als Loseblattsammlung aufbewahrt werden.
    • KA über erkennungsdienstlich behandelte Personen und KA mit mehr als 10 Blättern sind zu heften.
      • Der Inhalt der KA ist wie folgt zu ordnen:
      • Personalblatt NW Pol 21
      • Lichtbild(er) – in einem Umschlag
      • Erkennungsdienstliche Unterlagen
      • Auszug aus dem Bundeszentralregister
      • andere Unterlagen, chronologisch abgelegt
      • Nachweis gemäß Nummer 6 als letztes Blatt.
  • Registratur

    • KA sind fortlaufend zu numerieren. Die Nummern ausgesonderter KA sind erst dann neu zu vergeben, wenn durch technische oder organisatorische Maßnahmen eine Doppelbelegung ausgeschlossen ist.
    • KA werden im Kriminalaktennachweis NW (KAN Land), ggf. zusätzlich im Kriminalaktennachweis Bund (KAN Bund) des Inpol-Systems nachgewiesen. Als Speicherungsbeleg dient der als Durchschlag des Personalblattes NW Pol 21 zu erstellende Beleg NW Pol ADV 10.
  • Führung

    • Über eine Person wird in Nordrhein-Westfalen nur eine KA geführt. Die KA führt die für den ständigen Aufenthaltsort der Person zuständige Kreispolizeibehörde (KPB). Die Führung von Akten beim 14.K bleibt hiervon unberührt. Gleiches gilt für die Führung von KA über Minderjährige.
  • Einsichtnahme, Auswertung, Übermittlung

    • Einsicht/Auskunft erhalten kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter und Beamte der Schutzpolizei, die ständig Strafermittlungsvorgänge bearbeiten.

      Jede Einsichtnahme/Auskunfterteilung ist nachzuweisen.

      Als Nachweis ist als letztes Blatt jeder KA eine Übersicht zu führen, die Name und Dienststelle des Auskunftersuchenden, Namenszeichen des Auskunfterteilenden und Datum zu enthalten hat.

    • KA müssen jederzeit verfügbar sein. Sie können zur Auswertung für kurze Zeit gegen Empfangsbescheinigung an kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter und Beamte der Schutzpolizei, die ständig Strafermittlungsvorgänge bearbeiten, ausgegeben werden. Entnahme und Verbleib der KA sind in einem in der Kriminalaktenhaltung zu führenden Verzeichnis zu dokumentieren. Zur Übermittlung von Akteninhalten vgl. Nummer 3 der KpS-Richtlinien.
    • Die Übernahme von Inhalten aus der KA in eine Datei oder sonstige Sammlung ist in der KA zu vermerken. Das gilt auch für die Entnahme von Lichtbildern.
  • Erkenntnisanfragen und -mitteilungen

    Eine Erkenntnisanfrage ist ein Übermittlungsersuchen im Sinne der Nummer 3 der KpS-Richtlinien. Erkenntnisanfragen müssen die Zuständigkeit der anfragenden Stelle für die Aufgabe, zu deren rechtmäßiger Erfüllung die Daten benötigt werden, und den Anlaß der Anfrage erkennen lassen.

    Bei allgemein gehaltenen Anfragen ist eine Konkretisierung der benötigten Daten zu fordern. Telefonische Ersuchen dürfen nur beantwortet werden, wenn Identität und Berechtigung des Anrufers feststehen (vgl. 3.4 der KpS-Richtlinien).

Ergänzend sind die Richtlinien für die Führung Kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen (RdErl. des Innenministers vom 10. Februar 1981, MBl NW 1981 S. 192) heranzuziehen, in denen u. a. festgelegt ist:

  • Aufgaben und Gegenstand

    • Zur Erfüllung der Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr werden von der Polizei “Kriminalpolizeiliche personenbezogene Sammlungen (KpS)” geführt.
  • Umfang

    • Unterlagen mit personenbezogenen Angaben dürfen in die KpS nur aufgenommen werden, wenn es zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben der KpS-führenden Dienststelle erforderlich ist. Dies gilt auch für personenbezogene Angaben, die nicht zur Übermittlung an andere Stellen bestimmt sind und lediglich manuell verarbeitet werden.
    • In die KpS können Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse folgender Personen aufgenommen werden:

      • Beschuldigte im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie Betroffene im Rahmen eines Bußgeldverfahrens nach Maßgabe der Nr. 2.4,
      • Verdächtige (Personen, die nicht Beschuldigte sind, bei denen aber Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie Täter oder Teilnehmer einer Straftat sind),
      • Personen, die richterlich angeordneter Freiheitsentziehung unterliegen,
      • Personen, bei denen erkennungsdienstliche Maßnahmen vorgenommen worden sind,
      • zur Festnahme oder Inverwahrungnahme Gesuchte,
      • Personen, die von Gerichten, Staatsanwaltschaften oder anderen Behörden in Strafverfahren oder von Polizeien zur Aufenthaltsermittlung gesucht werden,
      • Personen, die unter Führungsaufsicht stehen (§ 68 StGB), wenn der Leiter der zuständigen Aufsichtsstelle um Unterstützung durch die Polizei ersucht hat,
      • Vermißte oder nicht identifizierte hilflose Personen,
      • Personen, bei denen nach grenzpolizeilichen, ausländerrechtlichen, paßrechtlichen oder sonstigen Rechtsvorschriften zur Gefahrenabwehr die Führung von Unterlagen erforderlich ist,
      • gefährdete Personen, Anzeigeerstatter und Hinweisgeber, Zeugen und Geschädigte,
      • andere Personen, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß dies zur Aufklärung oder vorbeugenden Bekämpfung schwerwiegender Straftaten, zur Ergreifung von zur Festnahme gesuchten Personen oder zur Abwehr einer in einzelnen Fall bestehenden erheblichen Gefahr erforderlich ist,
      • Personen, die unter Beachtung der Anforderungen des § 3 DSG NW in die Aufnahme in die KpS eingewilligt haben.
  • Aufbewahrungsdauer

    • Die Aufbewahrung ist so lange zulässig, wie es zur rechtmäßigen Erfüllung der in der Zuständigkeit der aufbewahrenden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist.

      Hierbei ist abzuwägen

      • das öffentliche Interesse, zu Zwecken der Strafverfolgung, Strafvollstreckung oder Gefahrenabwehr auf polizeiliche Erkenntnisse zurückgreifen zu können mit
      • dem durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit geschützten Interesse des einzelnen, solchen Einwirkungen der öffentlichen Gewalt nicht ausgesetzt zu sein.

      Ist die Aufbewahrung nicht mehr zulässig, sind nach Maßgabe der Nr. 6 grundsätzlich die Unterlagen zu vernichten und die gespeicherten Daten zu löschen.

    • Die folgenden Fristen für die regelmäßige Aussonderung aus den KpS beruhen auf einer verallgemeinernden Interessenabwägung (vgl. 5.1).

      • Im Sinne der verallgemeinernden Interessenabwägung sind nach vorheriger Prüfung Unterlagen regelmäßig dann auszusondern, wenn

        • bei dem Betroffenen 10 Jahre lang die Voraussetzungen für eine Aufnahme von Erkenntnissen in die KpS nicht vorlagen, jedoch nicht vor Ablauf von 10 Jahren nach der Entlassung aus einer Justizvollzugsanstalt oder nach Beendigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung,
        • der Betroffene das 70. Lebensjahr vollendet hat, es sei denn, daß in den zurückliegenden 5 Jahren für seine Person die Voraussetzungen für die Aufnahme von Erkenntnissen in die KpS gegeben waren.
      • Abweichend von Nr. 5.2.1 hat

        • in Fällen von geringer Bedeutung sowie
        • bei in Dateien geführten Unterlagen über die in den Nrn. 2.2.9 bis 2.2.12 genannten Personen

        die Aussonderung grundsätzlich nach kürzerer Frist zu erfolgen. Bereits bei der Einstellung sind entsprechend verkürzte Fristen festzulegen.

      • Unbeschadet der Regelung nach Nr. 5.2.2 ist bei Kindern spätestens nach 2 Jahren, bei Jugendlichen spätestens nach 5 Jahren zu prüfen, ob eine Aussonderung möglich ist.
      • Beim Tod des Betroffenen sind die Unterlagen grundsätzlich spätestens nach 2 Jahren auszusondern. Eine längere Aufbewahrung kann geboten sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Unterlagen der Aufklärung von Straftaten dienen können oder der Betroffene eines unnatürlichen Todes gestorben ist.
      • Unterlagen über Vermißte sind, sofern sie nicht aus anderen Gründen aufbewahrt werden müssen,

        • 5 Jahre nach Klärung des Falles,
        • in unaufgeklärten Fällen 30 Jahre nach der Vermißtenmeldung, spätestens aber zu dem Zeitpunkt, an dem der Vermißte das 90. Lebensjahr vollenden würde,

        auszusondern.

    • Die Aufbewahrung der Unterlagen über die in Nr. 5.2 genannten Fristen hinaus ist zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß wegen Art und Ausführung der Tat, die der Betroffene begangen hat oder derer er verdächtigt war, die Gefahr der Wiederholung besteht oder die Aufbewahrung der Unterlagen aus anderen schwerwiegenden Gründen zur Aufgabenerfüllung nach Nr. 1.1 weiterhin erforderlich ist. Die Gründe für die Verlängerung sind aktenkundig zu machen. Spätestens nach 3 Jahren hat eine erneute Prüfung der Aussonderungsmöglichkeit zu erfolgen.
    • Abweichend von den in den Nr. 5.2 und 5.3 getroffenen Regelungen sind Unterlagen im Rahmen laufender Sachbearbeitung stets auszusondern, wenn

      • ihre Kenntnis für die KpS-führende Dienststelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist,
      • sie unzulässigerweise aufgenommen worden sind,
      • die Ermittlungen oder eine der Polizei bekannte Entscheidung der Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts ergeben, daß die Gründe, die zur Aufnahme in die KpS geführt haben, nicht zutreffen,
      • sie Verhaltensweisen betreffen, die nach geltendem Recht nicht mehr strafbar sind, soweit nicht ihre weitere Aufbewahrung wegen des Sachzusammenhangs zu anderen Straftaten, die der Betroffene begangen hat oder derer er verdächtigt war, geboten ist,
      • die Aussonderung kraft Gesetzes von Amts wegen, aufgrund eines rechtskräftigen Urteils oder auf Antrag des Betroffenen zu erfolgen hat.
    • Sofern der Zeitpunkt der Aussonderung der Unterlagen sich nicht nach den Lebensdaten des Betroffenen richtet, beginnt die jeweils genannte Frist an dem Tag, an dem das letzte Ereignis eingetreten ist, das die Aufnahme von Unterlagen in die KpS begründet hat.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 1990 bat der Leiter der Kriminalpolizei den im Hause ansässigen Behördenleiter, den Kläger aufgrund einer beigefügten neu erstellten Arbeitsplatzbeschreibung in die VergGr. Vc BAT höherzugruppieren. Der Oberkreisdirektor als Kreispolizeibehörde H… teilte dem Kläger die ablehnende Verfügung des Regierungspräsidenten in Köln mit Schreiben vom 6. November 1991 mit. Mit der am 5. Februar 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihm ab 1. Juni 1990 die Vergütung der VergGr. Vc BAT nebst Zinsen zu zahlen.

Er hat zuletzt die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit bilde zwei Arbeitsvorgänge, nämlich zum einen die Aktenverwaltung und zum anderen die erkennungsdienstlichen Aufgaben. Im einzelnen führe er die folgenden Arbeiten aus:

Arbeitsvorgang I

1. 

Tägliche Eingangspost

1,78 %

2.

O-Gruppen auf Eigensicherung überprüfen

3,02 %

(Vor Ausführung eines Haftbefehls ist anhand der entsprechenden Kriminalakte festzustellen, ob für den betreffenden Polizeibeamten eine Gefährdung besteht; ggf. ist auf dem Haftbefehl ein entsprechender Vermerk anzubringen.)

3.

Änderungen von Akten

10,31 %

(Aktualisierung und Änderung der Personendaten, insbesondere bei später bekannt gewordenen Spitznamen, Familienstandsänderungen, Berichtigungen der Schreibweise; ggf. sind Daten von Einwohnermeldeämtern, Standesämtern oder Ausländerämtern anzufordern. Des weiteren ist bei jeder Änderung zu überprüfen, ob das Aussonderungsdatum neu festzusetzen ist oder nicht.)

4.

Aktenausgabe

2,4 %

5.

Versand von Kriminalakten, Ablage von Schriftstücken, Fahndungsabgleiche, Eintrag von Sterbefällen

8,07 %

6.

Neuanlage von Akten

19,67 %

7.

Umwandlung von Blattsammlungen in Kriminalakten

6,96 %

8.

Telefonische Auskunft

7,4 %

9.

Aussonderungen

31,07 %

Arbeitsvorgang II

Erkennungsdienstliche Behandlungen

9,32 % der Arbeitszeit

Anders als der Arbeitsvorgang II (Erkennungsdienstliche Tätigkeiten) erfordere der Arbeitsvorgang I sowohl gründliche und vielseitige Fachkenntnisse als auch selbständige Leistungen. Insbesondere handele es sich bei der Änderung von Akten, der Neuanlage von Akten, der Erteilung telefonischer Auskünfte und der Aussonderung von Akten um selbständige Leistungen im tariflichen Sinne.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an ihn ab dem 1. Juni 1990, hilfsweise ab dem 1. Juli 1991, Vergütung nach der VergGr. Vc BAT zu zahlen und die rückständigen Nettodifferenzbeträge zwischen den VergGr. Vc und VIb BAT ab Klagezustellung jeweils mit 4 % zu verzinsen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keine selbständigen Leistungen im Sinne des Tarifrechts zu erbringen. Es fehle an einem entsprechenden Entscheidungsspielraum.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. August 1991 Vergütung nach der VergGr. Vc BAT nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit dieses der Klage stattgegeben hat, und zur vollständigen Zurückweisung der Berufung. Der Kläger hat auch für den Zeitraum ab 1. August 1991 keinen Anspruch darauf, nach der VergGr. Vc BAT vergütet zu werden.

I. Die Klage ist zulässig.

Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (z. B. Senatsurteil vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Feststellungsantrag ist auch insoweit zulässig, als er Zinsforderungen zum Gegenstand hat (z. B. Senatsurteil vom 9. Februar 1983 – 4 AZR 267/80 – BAGE 41, 358 = AP Nr. 1 zu § 21 MTL II).

II. Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger hat auch für den Zeitraum ab 1. August 1991 keinen Anspruch auf die Vergütung der VergGr. Vc BAT.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet mit unmittelbarer und zwingender Wirkung der BAT kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).

2. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt damit davon ab, ob mindestens ein Drittel der die Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihm in Anspruch genommenen VergGr. Vc der Anlage 1a zum BAT entsprechen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT).

a) Damit ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Diesen hat der Senat verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ständige Rechtsprechung des Senats). Dabei ist es zwar rechtlich möglich, daß die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist (vgl. Urteil des Senats vom 30. Januar 1985 – 4 AZR 184/83 – AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil des Senats vom 23. Februar 1983 – 4 AZR 222/80 – BAGE 42, 29 = AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (vgl. Urteil des Senats vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 45/93 – AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil des Senats vom 20. März 1991 – 4 AZR 471/90 – AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Von diesem Rechtsbegriff ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat drei Arbeitsvorgänge gebildet, nämlich

  • die Neuanlage, Umwandlung und Führung der Kriminalakten, davon miterfaßt Aktenversendungen, das Ablegen von Unterlagen, das Erteilen telefonischer Auskünfte aus den Kriminalakten, Aktualisierungen und Fahndungsabgleiche,
  • die erkennungsdienstliche Behandlung von Verdächtigen und
  • die Aussonderung von Kriminalakten.

b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die erkennungsdienstliche Tätigkeit des Klägers als eigenen Arbeitsvorgang angesehen. Diese Tätigkeit hat das Ziel, bestimmte körperliche Eigenschaften eines Verdächtigen festzustellen und zu dokumentieren. Die zum Zwecke des Erkennungsdienstes ausgeführten Arbeiten lassen sich von den übrigen Tätigkeiten des Klägers, der Kriminalaktenverwaltung, ohne weiteres trennen und einem eigenen Arbeitsergebnis zuordnen. Die dem Erkennungsdienst dienenden Tätigkeiten überschneiden sich nicht mit Tätigkeiten, die der Kläger zum Zwecke der Kriminalaktenverwaltung erbringt.

c) Soweit der Kläger Kriminalakten zu verwalten hat, sind nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts zwei Arbeitsvorgänge zu bilden, und zwar zum einen die Aussonderung von Akten und zum anderen die Neuanlage, Umwandlung und Führung der Akten. Gegen eine solche rechtliche Bewertung spricht jedoch, daß der Kläger bei jeder Änderung in einer Akte auch deren Aussonderungstermin überprüfen und ggf. neu festlegen muß. Führung und Aussonderung einer Kriminalakte lassen sich nicht voneinander trennen. Ob der Kläger den Aussonderungstermin im Rahmen der laufenden Aktenführung oder aufgrund der von den zentralen polizeitechnischen Diensten erstellten Liste prüft, ist für die Bewertung der Tätigkeit unerheblich. Arbeitsergebnis dieser Tätigkeiten ist, im Rahmen des aus Datenschutzgründen Zulässigen aktuelle personenbezogene Informationen bereitzuhalten. Die Aktenaussonderung bildet kein eigenes Arbeitsergebnis. Vielmehr handelt es sich nur um einen Teil der Aktenverwaltung, zu der ebenso wie die Neuanlage auch die Vernichtung der Akten gehört. Während der gesamten Laufzeit einer Akte, d. h. bei Neuanlage, Fortführung und Aussonderung, sind datenschutzrechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Es handelt sich nicht um ein eigenes, von der eigentlichen Aktenverwaltung trennbares Arbeitsergebnis.

Es bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, ob die Verwaltung der Kriminalakten einen oder mehrere Arbeitsvorgänge bildet. Bei jedem denkbaren Zuschnitt steht dem Kläger nach seinem Tatsachenvortrag ein Anspruch auf die Vergütung der VergGr. Vc BAT nicht zu.

3. Die Eingruppierung des Klägers richtet sich nach Teil I (Allgemeiner Teil) der Anlage 1a zum BAT in der für den Bund und die Länder geltenden Fassung. Die Vergütungsordnung enthält, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, die folgenden Regelungen:

“…

Vergütungsgruppe Vc

  • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

    (Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung ≪des Betriebes≫, bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)

  • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Drittel selbständige Leistungen erfordert.

    (Die Klammersätze zu Fallgruppe 1a gelten.)

Vergütungsgruppe VIb

  • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Fünftel selbständige Leistungen erfordert.

    (Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung ≪des Betriebes≫, bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)

  • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert,

    nach sechsjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1a.

    (Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung ≪des Betriebes≫, bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.)

Vergütungsgruppe VII

  • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert.

    (Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung ≪des Betriebes≫, bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.)

  • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert.

    (Erforderlich sind nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises).

Zwar fällt der Kläger unter die Angestellten im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst; auch fordert seine Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse. Es handelt sich jedoch nicht um selbständige Leistungen im Sinne der von ihm in Anspruch genommenen VergGr. Vc Fallgr. 1a und Fallgr. 1b BAT.

a) Dem Landesarbeitsgericht kann darin gefolgt werden, daß der Kläger zur Erledigung seiner Aufgaben gründliche und vielseitige Fachkenntnisse benötigt.

“Gründliche Fachkenntnisse” liegen vor, wenn der Angestellte über nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises verfügen muß (Klammerdefinition zur VergGr. VII Fallgruppe 1b BAT). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat dieses Tarifmerkmal sowohl ein quantitatives als auch ein qualitatives Element, wonach Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art erforderlich sind (vgl. z. B. BAG Urteil vom 28. September 1994 – 4 AZR 542/93 – AP Nr. 185 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Diese Anforderungen erfüllt der Kläger. Er hat eine Reihe von Rechtsvorschriften anzuwenden, die er zum Teil auch in Einzelheiten kennen muß. Insbesondere muß er sich mit datenschutzrechtlichen Vorschriften näher auseinandersetzen. Entsprechendes gilt für strafrechtliche und strafverfahrensrechtliche Gesetze.

Der Kläger benötigt zudem “vielseitige Fachkenntnisse”. Gefordert wird eine Erweiterung der Fachkenntnisse dem Umfange nach (vgl. z. B. BAG Urteil vom 28. September 1994 – 4 AZR 542/93 – AP, aaO, m.w.N.). Die Vielseitigkeit kann sich insbesondere aus der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen ergeben. Er benötigt Kenntnisse aus verschiedenen Bundes- und Landesgesetzen sowie mehreren Runderlassen und Dienstanweisungen. Der Kläger hat einen umfangreichen Vorschriftenkatalog zu beachten. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht daher vielseitige Fachkenntnisse für erforderlich gehalten.

Weitergehende Ausführungen zu diesen Tätigkeitsmerkmalen erübrigen sich, da hierüber zwischen den Parteien kein Streit besteht.

b) Die Tätigkeit des Klägers erfordert jedoch keine selbständigen Leistungen im Sinne der oben angeführten Tarifvorschriften.

Nach dem Klammerzusatz zu VergGr. Vc Fallgr. 1a erfordern selbständige Leistungen ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative, wobei eine leichte geistige Arbeit diese Anforderung nicht erfüllen kann.

Das Tätigkeitsmerkmal “selbständige Leistungen” darf nicht mit dem Begriff “selbständig arbeiten” im Sinne von “allein arbeiten”, d. h. ohne direkte Aufsicht oder Lenkung durch Weisungen tätig zu sein, verwechselt werden. Unter selbständiger Leistung ist vielmehr eine Gedankenarbeit zu verstehen, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, wie insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1957 – 4 AZR 592/55 – AP Nr. 29 zu § 3 TOA; vom 18. Mai 1994 – 4 AZR 461/93 – AP Nr. 178 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 28. September 1994 – 4 AZR 542/93 – AP, aaO). Kennzeichnend für selbständige Leistungen im tariflichen Sinne können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vielmehr – ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe – ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses sein (vgl. Urteil vom 14. August 1985 – 4 AZR 21/84 – BAGE 49, 250 = AP Nr. 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Vom Angestellten werden Abwägungsprozesse verlangt, es werden Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt; der Angestellte muß also unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung kommen. Dieser Prozeß geistiger Arbeit kann bei entsprechender Routine durchaus schnell ablaufen. Trotzdem bleibt das Faktum der geistigen Arbeit bestehen. Geistige Arbeit wird also geleistet, wenn der Angestellte sich bei der Arbeit fragen muß: Wie geht es nun weiter? Worauf kommt es nun an? Was muß als nächstes geschehen?

Das Tätigkeitsmerkmal “selbständige Leistungen” ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die revisionsrechtliche Überprüfung ist bei einem solchen Rechtsbegriff darauf beschränkt, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatbestände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. Urteil vom 18. Juni 1975 – 4 AZR 398/74 – AP Nr. 87 zu §§ 22, 23 BAT; Urteil vom 14. August 1985 – 4 AZR 322/84 – AP Nr. 105 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 4. August 1993 – 4 AZR 511/92 – AP Nr. 38 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Das Revisionsgericht ist jedoch nur dann auf eine solchermaßen beschränkte Überprüfung verwiesen, wenn das Berufungsurteil erkennen läßt, wie das Landesarbeitsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff verstanden hat. In dem angegriffenen Berufungsurteil ist der Begriff der selbständigen Leistungen nicht näher definiert. Auch die Ausführungen im Zusammenhang mit der Subsumtion lassen diesbezüglich keine eindeutigen Rückschlüsse zu. Somit unterliegt das angegriffene Berufungsurteil insoweit der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung.

Die erkennungsdienstliche Behandlung von Verdächtigen enthält keine selbständigen Leistungen im tariflichen Sinne. Die Tätigkeiten sind im einzelnen vorgegeben. Im übrigen ist auch der Kläger der Ansicht, daß es sich hierbei nicht um selbständige Leistungen handelt.

Die mit der Kriminalaktenverwaltung zusammenhängenden Tätigkeiten erfüllen ebenfalls nicht das Tarifmerkmal “selbständige Leistungen”. Das Holen und Weiterleiten der täglichen Eingangspost erfordert keine eigene geistige Initiative. Es handelt sich lediglich um eine leichte geistige Arbeit. Gleiches gilt, soweit der Kläger sogenannte O-Gruppen auf Eigensicherung zu überprüfen hat. Ob Polizeibeamte bei der Vollstreckung eines Haftbefehls durch den Beschuldigten gefährdet sind oder nicht, läßt sich ohne größere Gedankenarbeit aus der Kriminalakte entnehmen. Der Katalog der in Betracht kommenden Gefährdungsgründe ist begrenzt. Es müssen nicht verschiedene Informationen verknüpft und abgewogen werden, um eine Gefährdung feststellen zu können.

Die vom Kläger vorzunehmenden Änderungen in den Kriminalakten, insbesondere die Aktualisierung und Berichtigung von Personendaten sowie die (Neu)Festsetzung des Aussonderungsdatums, erfüllen das in Anspruch genommene Tätigkeitsmerkmal nicht. Die Überprüfung der Personendaten ist nur eine leichte geistige Arbeit. Die Anzahl der in Verbindung zu setzenden Personendaten ist begrenzt. Es handelt sich insbesondere um Vor- und Zunamen, Alias- und Spitznamen, Geburtsort und -datum, Wohnort, Beruf, Namen und Wohnort der Eltern sowie ggf. besondere persönliche Merkmale. Aufgabe des Klägers ist es, diese Daten von anderen Ämtern abzufragen und mit den Daten der Kriminalakte zu vergleichen. Gegebenenfalls sind die Personalangaben in der Kriminalakte zu ergänzen oder zu berichtigen. Abwägungsprozesse sind hierzu jedoch nicht erforderlich. Der Kläger hat lediglich festzustellen, ob die maßgeblichen Personendaten übereinstimmen. Anhand der von den anderen Behörden eingeholten Personendaten läßt sich ohne weiteres feststellen, ob es sich um die gleiche Person handelt oder nicht. Auch die Ursachen möglicher Fehler bei den Personendaten lassen sich ohne größere Gedankenarbeit erkennen. Wie die vom Kläger geschilderten Beispiele zeigen, handelt es sich hierbei um Fehler in der Schreibweise, Verwechslungen von Vor- und Familiennamen und ähnliches.

Soweit der Kläger das Aussonderungsdatum zu überprüfen und ggf. neu festzusetzen hat, ist seine Tätigkeit im wesentlichen durch die Richtlinien für die Führung kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen vorgegeben. Dort sind bestimmte Fristen je nach betroffenem Personenkreis festgelegt. Für den Regelfall gelten die unter 5.2 der Richtlinien genannten Fristen. Eine darüber hinausgehende Aufbewahrung der Unterlagen ist zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß wegen Art und Ausführung der Tat, die der Betroffene begangen hat oder deren er verdächtigt war, die Gefahr der Wiederholung besteht oder die Aufbewahrung der Unterlagen aus anderen schwerwiegenden Gründen zur Erfüllung der Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr weiterhin erforderlich ist (5.3 der Richtlinien). Um über eine Verlängerung der Aufbewahrungsfrist entscheiden zu können, muß der Kläger u. a. mit dem Begriff der Wiederholungsgefahr vertraut sein. Er muß wissen, bei welchen Taten mit Wiederholungen zu rechnen ist. Diese Fachkenntnisse genügen für eine Entscheidung über die Fristverlängerung. Dementsprechend hat der Kläger bei der Aussonderung folgende Kriterien zu berücksichtigen: Rückfalltäter, Triebtäter, Gewalttäter, Betäubungsmittelsüchtiger, bundesweite Tätigkeit, Geldfälscher, Querverbindungen zu anderen Tätern, Bandenverbrechen, Gewohnheitsverbrecher, Beschaffungskriminalität, krankhafter Ladendiebstahl, gewerbemäßige Delikte, Straftaten mit Schußwaffen und Straffälligkeit im Ausland. Innerhalb dieser Vorgaben verbleibt ihm kein nennenswerter Entscheidungs- oder Beurteilungsspielraum. Eine eigene geistige Initiative ist nicht zu entwickeln.

Die Ausgabe von Akten an Mitarbeiter der Polizei stellt ebenfalls keine selbständige Leistung im tariflichen Sinne dar. Dies wird vom Kläger auch nicht behauptet.

Des weiteren ist er damit betraut, Kriminalakten an andere Kreispolizeibehörden zu versenden, die eingehenden Unterlagen den Kriminalakten zuzuordnen, Fahndungsabgleiche durchzuführen und Sterbefälle in den Akten zu vermerken. Bei dieser Tätigkeit verfügt der Kläger nicht über einen Entscheidungs- oder Beurteilungsspielraum, aufgrund dessen er zwischen verschiedenen Möglichkeiten abwägen müßte. Die Aufgaben lassen sich ohne größere geistige Anstrengungen erledigen. Soweit er bei der Ablage ggf. die Identität der Personen zu überprüfen hat, um die Schriftstükke der richtigen Akte zuordnen zu können, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Bei der Neuanlage von Kriminalakten und der Umwandlung von Blattsammlungen in Kriminalakten hat der Kläger ebenfalls die Personendaten zu überprüfen und ein Aussonderungsprüfdatum festzusetzen bzw. neu festzusetzen. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei diesen Tätigkeiten jedoch nicht um selbständige Leistungen im tariflichen Sinne.

Zum Aufgabenbereich des Klägers gehört des weiteren, den Mitarbeitern der Polizei auf telefonische Anfrage Auskünfte aus den Kriminalakten zu erteilen. Er muß dabei in der Lage sein, die gewünschte Information möglichst schnell aus der Akte zu ermitteln. Der Kläger hat je nach Anfrage bestimmte Teile des Akteninhalts wiederzugeben. Eigene Beurteilungen oder Wertungen sind hierbei jedoch nicht zu treffen. Die Auskünfte können allein aufgrund der vorausgesetzten gründlichen Fachkenntnisse erteilt werden. Der Kläger muß wissen, wo er die gewünschten Informationen in der Akte finden kann. Abwägungsprozesse werden in diesem Zusammenhang nicht verlangt. Er muß keine Überlegungen anstellen, auf welchem Wege er an die gewünschten Informationen herankommt. Daß er ggf. weitere sich aus der Akte ergebende, für den Nachfrager interessante Informationen mitteilt, macht die Tätigkeit nicht zu einer selbständigen Leistung. Welche Umstände wichtig sein können, ergibt sich aus den entsprechenden kriminalistischen Fachkenntnissen. Als selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative kann diese Tätigkeit nicht bezeichnet werden.

Der Kläger entscheidet schließlich darüber, ob eine bestimmte Akte zusätzlich zum Kriminalaktennachweis Nordrhein-Westfalen auch im Kriminalaktennachweis des Bundes gespeichert wird (vgl. Ziff. 4.2 des RdErl. zur Führung von Kriminalakten). Das richtet sich danach, ob entweder eine schwere Straftat gemäß einer vorgegebenen Straftatenaufzählung vorliegt oder es sich um eine überregional bedeutsame Straftat handelt. Die Einzelheiten hierzu sind jedoch in der Dienstanweisung für den Kriminalaktennachweis des Landes, die zentrale Jugendschutzdatei und den Kriminalaktennachweis des Bundes im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen von April 1991 detailliert geregelt. Die Prüfung der dort genannten Kriterien und Straftatbestände erfordert keine eigene Beurteilungen oder Abwägungsvorgänge. Das Arbeitsergebnis ist durch die Dienstanweisung im wesentlichen vorgegeben. Umfangreichere Überlegungen muß der Kläger nicht anstellen. Dies gilt auch dann, wenn der Straftatbestand nicht durch Angabe des maßgeblichen Paragraphen exakt bezeichnet ist. Allein aufgrund seiner Fachkenntnisse ist er im Regelfall in der Lage, den Straftatbestand anhand des Sachverhalts zu bestimmen. Er hat nur festzustellen, welche Delikte in Betracht kommen. Eine ins Detail gehende Subsumtion unter einen Straftatbestand wird von ihm nicht verlangt.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Friedrich, Gotsche, Winterholler

 

Fundstellen

Haufe-Index 872269

BB 1996, 384

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