Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung. Angestellter in Getränke-Shop

 

Leitsatz (amtlich)

  • Enthält die Rechtsmittelschrift bereits einzelne, aber nicht alle vom Rechtsmittelführer in der Vorinstanz gestellten Anträge, so kann allein hieraus nicht auf eine entsprechende Beschränkung des Rechtsmittels geschlossen werden (im Anschluß an BGH Urteil vom 30. März 1983 – IVb ZR 19/82 – NJW 1983, 1561, 1562).
  • Eine Tätigkeit erfordert dann erweiterte Fachkenntnisse und größere Verantwortung i.S.v. § 3 Gehaltsgruppe II des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen, wenn diese qualifizierenden Merkmale für Tätigkeiten zutreffen, die mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Angestellten in Anspruch nehmen. Dabei ist es jedoch nicht erforderlich, daß der Arbeitnehmer jeweils auch während mehr als der Hälfte der jeweiligen Tätigkeit tatsächlich seine erweiterten Fachkenntnisse einsetzen und eine größere Verantwortung übernehmen muß.
 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel; Manteltarifvertrag für Nordrhein-Westfalen § 8; Gehaltstarifvertrag Nordrhein-Westfalen § 2, Gehaltsgruppen I und II, § 3, Gehaltsgruppen I und II; ZPO § 518

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 10.07.1992; Aktenzeichen 15 Sa 530/92)

ArbG Krefeld (Urteil vom 12.02.1992; Aktenzeichen 1 Ca 2748/91)

 

Tenor

  • Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Juli 1992 – 15 Sa 530/92 – wird zurückgewiesen.
  • Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger ist seit 1960 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis wenden die Parteien die Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen an.

Der Kläger ist seit längerer Zeit, mindestens seit über 4 Jahren, in kaufmännischen Tätigkeiten im Getränke-Shop der Beklagten in D… eingesetzt. Eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung hat er nicht. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts übt der Kläger folgende Tätigkeiten aus: Er nimmt angelieferte Ware entgegen, bestätigt dem Lieferanten den Empfang, lagert die Ware ein, führt sie dem Getränke-Shop zu, zeichnet sie aus und kontrolliert die Einhaltung der Mindesthaltbarkeitsdaten. Er überwacht die vorhandenen Bestände des Vollund Leerguts und nimmt bei den feststehenden Lieferanten Nachbestellungen vor. Dabei hat er auch zu erwartende außergewöhnliche, z. B. durch Feiertage oder die Witterung bedingte Nachfrageschwankungen zu berücksichtigen. Bei den regelmäßig jeweils im Abstand von wenigen Wochen im Getränke-Shop stattfindenden Werbeaktionen erfaßt er die Arbeitszeiten der eingesetzten Propagandisten und die mit diesen Aktionen verbundenen Umsätze. Ob der Kläger weitere kaufmännische Tätigkeiten und eine Aufsichtsfunktion gegenüber den im Getränke-Shop eingesetzten Kassiererinnen ausübt, ist zwischen den Parteien streitig. Als Verkäufer betätigt er sich nicht. Mit den Tätigkeiten in Warenannahme und Lager sind außer dem Kläger keine weiteren Arbeitnehmer beschäftigt.

Der Kläger wird nach Gehaltsgruppe I des für die kaufmännischen und technischen Angestellten im Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen bestehenden Gehaltstarifvertrages (GTV) vergütet. Er hat die Auffassung vertreten, er übe die Tätigkeit eines Disponenten, zumindest aber eine gegenüber Gehaltsgruppe I erweiterte Fachkenntnisse und größere Verantwortung erfordernde kaufmännische Tätigkeit aus. Daher stehe ihm seit dem 1. April 1991 Vergütung nach Gehaltsgruppe III Gehaltsstaffel a, hilfsweise nach Gehaltsgruppe II GTV (B. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß für die Monate April bis November 1991 der Unterschiedsbetrag zwischen den Gehaltsgruppen I und III 4.851,00 DM brutto, zwischen den Gehaltsgruppen I und II 3.906,00 DM brutto beträgt. Für die Monate Dezember 1991 und Januar 1992 belaufen sich die entsprechenden Beträge auf 2.079,00 DM und 1.674,00 DM brutto.

Der Kläger hat beantragt

  • festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm Vergütung nach der Gehaltsgruppe III, Gehaltsstaffel a, hilfsweise nach der Gehaltsgruppe II des Gehaltstarifvertrages Einzelhandel NRW vom 21. Juni 1991 zu zahlen seit dem 1. April 1991,
  • die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.851,00 DM brutto, hilfsweise 3.906,00 DM brutto, nebst 4 % Zinsen von dem Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
  • die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.079,00 DM brutto, hilfsweise 1.674,00 DM brutto, nebst 4 % Zinsen von dem jeweiligen Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Meinung erfüllt der Kläger weder die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in Gehaltsgruppe III noch diejenigen der Gehaltsgruppe II. Seine Tätigkeit, die überwiegend körperlicher Art sei, erfordere keine gegenüber Vergütungsgruppe I erweiterten Fachkenntnisse und bringe auch keine größere Verantwortung mit sich.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und bereits in seiner Berufungsschrift die Anträge zu 1) und 2) gestellt, den Antrag zu 3) dagegen erst in der Berufungsbegründung “avisiert”. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage mit den Hilfsanträgen stattgegeben, im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hatte über die Klageanträge zu 1) bis 3) zu entscheiden und hat der Klage zu Recht mit den jeweiligen Hilfsanträgen stattgegeben.

I. Das Landesarbeitsgericht hatte entgegen der Auffassung der Beklagten auch über den Klageantrag zu 3) zu entscheiden. Der Kläger hat seine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil nicht auf die in der Berufungsschrift gestellten Anträge zu 1) und 2) beschränkt. Daraus, daß der Kläger in der Berufungsschrift nur diese Anträge gestellt hat, konnte nicht geschlossen werden, er wolle das Rechtsmittel entsprechend beschränken und seinen Klageantrag zu 3) in der Berufungsinstanz nicht mehr weiterverfolgen.

1. Dies ergibt sich schon daraus, daß nach § 518 ZPO die Berufungsschrift Anträge noch nicht enthalten muß. Daher kann nach allgemeiner Meinung der Ankündigung beschränkter Anträge in der Berufungsschrift eine entsprechende Beschränkung des Rechtsmittels regelmäßig nicht entnommen werden. Dies gilt auch dann, wenn sich der Rechtsmittelführer eine Erweiterung der Anträge nicht ausdrücklich vorbehalten hat. Von einer Beschränkung des Rechtsmittels kann nur dann ausgegangen werden, wenn der klare und eindeutige Wille zum Ausdruck gebracht worden ist, daß das erstinstanzliche Urteil insoweit hingenommen und nicht angefochten werden soll (vgl. BGH Urteil vom 30. März 1983 – IVb ZR 19/82 – NJW 1983, 1561, 1562).

2. Aus der Berufungsschrift des Klägers ergibt sich ein solcher Wille nicht. Der Kläger hat in der Berufungsschrift die Erklärung, daß er gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung einlege, in ihrem Umfang nicht ausdrücklich beschränkt. Er hat sich auch nicht zum weiteren Schicksal des Antrags zu 3) geäußert. Zwar konnte es, weil er bereits mit der Einlegung der Berufung die Anträge zu 1) und 2) gestellt hat, zweifelhaft erscheinen, ob er auch seinen Antrag zu 3) noch weiterverfolgen wollte. Dieser Zweifel genügt aber nicht, um eine entsprechende Beschränkung des Rechtsmittels anzunehmen.

3. In der Berufungsbegründung hat der Kläger auch den Antrag zu 3) gestellt und damit § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO genügt. Unschädlich ist hierbei, daß er diesen Antrag nicht ausdrücklich gestellt, sondern lediglich “avisiert” hat. Diese Ankündigung der für die mündliche Verhandlung beabsichtigten Antragstellung macht nämlich hinreichend deutlich, inwieweit und mit welchen prozessualen Mitteln das angefochtene Urteil angegriffen wird. Damit sind, wie der Senat selbst für den Fall des Fehlens eines förmlichen Antrags erkannt hat (Senatsurteile vom 4. Juli 1973 – 4 AZR 475/72 – AP Nr. 122 zu § 1 TVG Auslegung; vom 11. September 1974 – 4 AZR 560/73 – AP Nr. 5 zu § 44 BAT), die Voraussetzungen des § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erfüllt.

II. Die Klage ist auch mit dem Feststellungsantrag zu 1) zulässig. Es handelt sich hierbei um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch in der Privatwirtschaft allgemein üblich ist und nach ständiger Senatsrechtsprechung keinen prozeßrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Senatsurteil vom 25. September 1991 – 4 AZR 87/91 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I der Gründe; vom 11. November 1992 – 4 AZR 117/92 –, zu II 1 der Gründe, n.v.).

Der Zulässigkeit des Feststellungsantrags steht auch nicht entgegen, daß er Zeiten mitumfaßt, für die der Kläger zugleich Leistungsanträge gestellt hat. Der Kläger begehrt nämlich mit dem Antrag zu 1) die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, das für die mit den Anträgen zu 2) und 3) verfolgten Ansprüche vorgreiflich ist und damit nach § 256 Abs. 2 ZPO neben diesen Leistungsansprüchen im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht werden kann. Die Voraussetzungen einer solchen Zwischenfeststellungsklage sind hier erfüllt, da der in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzte Feststellungsantrag über die auf bestimmte Zeiträume beschränkten Leistungsanträge zu 2) und 3) hinausreicht.

III. Die gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts erhobenen materiellen Rügen sind unbegründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, wonach der Kläger nach Gehaltsgruppe II GTV zu vergüten ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind folgende Bestimmungen der auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbaren Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen maßgeblich:

Manteltarifvertrag

vom 15. Mai 1985

§ 8

Gehalts- und Lohnregelung

  • Die Festsetzung der Gehälter und Löhne erfolgt in einer besonderen tariflichen Regelung. Der Arbeitnehmer wird in die seiner überwiegend ausgeübten Tätigkeit entsprechende Gehaltsoder Lohngruppe eingeordnet.

Gehaltstarifvertrag

vom 21. Juni 1991

§ 2

Gehaltsregelung

  • Die Angestellten sind nach der von ihnen tatsächlich verrichteten Tätigkeit in einer der nachstehenden Beschäftigungsgruppen einzugliedern. Die unter den Gehaltsgruppen aufgeführten Beispiele gelten als Richtbeispiele.
  • Die Gehaltsgruppen I – IV der Beschäftigungsgruppen B des § 3 umfassen die kaufmännischen Tätigkeiten, für die in der Regel eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung (zwei- bzw. dreijährige Ausbildungszeit mit Abschlußprüfung) erforderlich ist.
  • Der abgeschlossenen kaufmännischen Berufsausbildung (zweijährige Ausbildungszeit mit Abschlußprüfung “VerkäuferIn”) werden gleichgesetzt:

    • eine abgeschlossene zweijährige Ausbildung als Büro- oder Gewerbegehilfin mit einem weiteren Jahr kaufmännischer Tätigkeit;
    • eine kaufmännische Berufstätigkeit überwiegend im Verkauf von drei Jahren, im übrigen von vier Jahren;
    • eine andersartige abgeschlossene dreijährige Berufsausbildung.

§ 3

Beschäftigungsgruppen

  • Angestellte mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung

Gehaltsgruppe I

Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit

Beispiele:

VerkäuferIn

KassiererIn mit einfacher Tätigkeit

StenotypistIn für einfache Tätigkeit

TelefonistIn

SchauwerbegestalterIn

Angestellte mit einfachen Büroarbeiten in allgemeiner Buchhaltung, Einkauf, Kalkulation, Kreditbüro, Lohnbuchhaltung, Rechnungsprüfung, Registratur, Statistik usw.

Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit in Warenannahme, Lager und Versand

Angestellte in Werbeabteilungen (Gebrauchswerber)

Kontrolleure an Packtischen bzw. Warenausgaben.

Gehaltsgruppe II

Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung erfordern.

Beispiele:

Erste VerkäuferIn

Lagererste, Abteilungsaufsichten

TelefonistIn, die mehr als drei Amtsanschlüsse zu bedienen haben

Erste SchauwerbegestalterIn

Erste Kräfte in Buchhaltung, Einkauf, Kalkulation, Kreditbüro, Lohnbuchhaltung, Rechnungsprüfung, Registratur, Statistik, Warenannahme, Lager, Versand usw.

KassiererIn mit gehobener Tätigkeit

ExportfakturistIn

ImportfakturistIn

Erste GebrauchswerberIn

StenotypistIn mit gehobener Tätigkeit

Krankenschwester

2. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Bewertung, wonach die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit unter die Gehaltsgruppe II GTV fällt, läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Das Landesarbeitsgericht hat sich bei der Subsumtion unter die Merkmale der Gehaltsgruppe II im Rahmen seines Beurteilungsspielraums gehalten.

a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht zunächst erkannt, daß der Kläger nach § 2 Abs. 3 Buchst. b GTV trotz Fehlens einer kaufmännischen Berufsausbildung aufgrund der von ihm ausgeübten mehr als vierjährigen kaufmännischen Berufstätigkeit nach § 3 Beschäftigungsgruppe B GTV zu vergüten ist.

b) Weiter ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, daß der Kläger unter keines der der Gehaltsgruppe II zugeordneten Richtbeispiele fällt. So ist er weder Lagererster noch Erste Kraft in Warenannahme und Lager, schon weil er als einziger Arbeitnehmer der Beklagten in diesem Bereich tätig ist. Eine Tätigkeit als “Erster” setzt aber das Vorhandensein weiterer Arbeitnehmer voraus. Auch als Erster Verkäufer kommt er unabhängig von den behaupteten Kontrollfunktionen gegenüber den Kassiererinnen nicht in Betracht, schon weil er keinerlei Verkaufstätigkeit ausübt.

c) Zutreffend hat das Berufungsgericht daher für die Eingruppierung des Klägers auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppe II abgestellt und deren Vorliegen rechtsfehlerfrei bejaht.

aa) Die im GTV für eine Eingruppierung in Gehaltsgruppe II genannten allgemeinen Tätigkeitsmerkmale “erweiterte Fachkenntnisse” und “größere Verantwortung” sind unbestimmte Rechtsbegriffe, bei deren Anwendung den Tatsacheninstanzen nach der ständigen Senatsrechtsprechung ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt. Die bei der Auslegung eines solchen unbestimmten Rechtsbegriffs vom Berufungsgericht vorgenommene Subsumtion kann der Senat daher nur daraufhin überprüfen, ob der Rechtsbegriff verkannt, bei der Subsumtion gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen worden oder die Beurteilung wegen Außerachtlassung wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist (vgl. Senatsurteil vom 11. September 1991 – 4 AZR 64/91 – AP Nr. 7 zu § 51 TVAL II, zu 3a der Gründe).

bb) Dieser eingeschränkten Prüfung hält das angefochtene Urteil stand.

(1) Zunächst ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, daß die Tragweite der in Gehaltsgruppe II genannten allgemeinen Tätigkeitsmerkmale durch einen Vergleich mit der in Gehaltsgruppe I geforderten einfachen kaufmännischen Tätigkeit zu ermitteln ist. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Tarifbestimmung, auf den bei deren Auslegung nach ständiger Senatsrechtsprechung in erster Linie abzustellen ist (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1992 – 4 AZR 66/92 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I 2a der Gründe, m.w.N.). Für eine Eingruppierung in Gehaltsgruppe II werden nämlich “erweiterte” Fachkenntnisse und “größere” Verantwortung vorausgesetzt.

(2) Das Landesarbeitsgericht hat bei der Subsumtion unter diese beiden Tatbestandsmerkmale auf die Tätigkeit des Klägers bei der Warenannahme, in der Überprüfung des Warenbestandes und in seiner Ergänzung durch Nachbestellungen abgehoben. Es hat im einzelnen ausgeführt, daß der Kläger für diese Tätigkeiten erweiterte Fachkenntnisse im Vergleich zu den unter Gehaltsgruppe I fallenden kaufmännischen Angestellten benötige und daß er dabei auch eine Verantwortung zu tragen habe, die größer sei als diejenige eines Angestellten mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts lassen weder einen Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze erkennen, noch sind sie wegen Außerachtlassung wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft.

(3) Die mit der Revision erhobene Rüge, das Landesarbeitsgericht habe den Rechtsbegriff verkannt, weil es das sich aus § 8 Nr. 1 Satz 2 des Manteltarifvertrags ergebende Erfordernis des Überwiegens der unter die Gehaltsgruppe II GTV fallenden Tätigkeit nicht berücksichtigt habe, greift nicht durch.

Zwar hat die Beklagte zu Recht geltend gemacht, daß für die Eingruppierung nach § 8 Nr. 1 Satz 2 des Manteltarifvertrags die überwiegend ausgeübte Tätigkeit maßgeblich ist. Dies ist die Tätigkeit, die mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers in Anspruch nimmt (Senatsurteil vom 29. Juli 1992 – 4 AZR 502/91 – AP Nr. 32 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, zu 2a der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Der Beklagten ist auch zuzugeben, daß das Landesarbeitsgericht diese Voraussetzung in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich genannt und auch keine ausdrücklichen Feststellungen dazu getroffen hat, welche Anteile die einzelnen vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten an seiner Gesamtarbeitszeit haben.

Hieraus ergibt sich aber nicht, daß das Berufungsgericht die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt hätte. Es hat nämlich ausgeführt, daß die von ihm für die Eingruppierung des Klägers in Gehaltsgruppe II als maßgeblich angesehenen Aufgaben das “Schwergewicht” seiner Tätigkeit darstellten. Daß damit – zumindest auch – ein zeitliches Überwiegen gemeint ist, ergibt sich schon daraus, daß mit diesen Tätigkeiten nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien fast die gesamte Beschäftigung des Klägers erfaßt ist. Die Beklagte hat auch keine Berichtigung der insoweit im Tatbestand des angefochtenen Urteils enthaltenen Feststellungen verlangt.

Unerheblich ist dabei, ob der Kläger auch während mehr als der Hälfte der jeweiligen Tätigkeit, z. B. bei der Warenannahme oder bei der Überwachung der Lagerbestände, tatsächlich seine erweiterten Fachkenntnisse einsetzen und eine größere Verantwortung übernehmen muß als ein Angestellter der Gehaltsgruppe I. Eine Tätigkeit wie die Warenannahme erfüllt nämlich bereits dann die qualifizierenden Merkmale der Gehaltsgruppe II, wenn der Arbeitnehmer für diese Tätigkeit erweiterte Fachkenntnisse vorhalten und in nicht nur unerheblichem Maß auch tatsächlich einsetzen muß, und wenn diese Tätigkeit insgesamt für ihn eine größere Verantwortung mit sich bringt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1993 – 4 AZR 314/92 –, zu II 3c der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Daher kommt es nicht darauf an, ob der Kläger, wie die Beklagte behauptet, im Rahmen der Warenannahme in erheblichem Umfang körperliche Arbeiten verrichtet.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Dr. Wißmann, Dr. Knapp, Kamm

 

Fundstellen

Haufe-Index 848141

NZA 1994, 271

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