Experten beurteilen Entwurf für neues WEG unterschiedlich

Im Rechtsausschuss des Bundestages fand am 27.5.2020 eine Expertenanhörung zur WEG-Reform statt. Die vorab veröffentlichen Stellungnahmen der Experten fallen höchst unterschiedlich aus.

Am 6.5.2020 hat der Bundestag in erster Lesung über den Gesetzentwurf zur WEG-Reform beraten und den Entwurf zu weiteren Beratungen in die Ausschüsse verwiesen. Im federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz fand am 27.5.2020 eine auf zwei Stunden angesetzte Expertenanhörung statt. Insgesamt neun WEG-Experten, darunter Vertreter mehrerer Verbände, hatten Gelegenheit, den Abgeordneten ihren Standpunkt zur geplanten WEG-Novelle darzulegen. Die schriftlichen Stellungnahmen der Experten wurden vorab auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht.

WEG-Experten beurteilen Gesetzentwurf sehr unterschiedlich

Die Stellungnahmen ergeben ein sehr uneinheitliches Bild: Von grundsätzlicher Zustimmung mit nur wenigen Änderungsvorschlägen bis zur Ablehnung des vorliegenden Gesetzentwurfs sind unter den Experten alle Meinungen vertreten.

VDIV sieht nur wenig Änderungsbedarf am Gesetzentwurf

Nach Meinung des Verbandes der Immobilienverwalter Deutschlands e.V. (VDIV), der in der Anhörung von Geschäftsführer Martin Kaßler vertreten wird, ist der Gesetzentwurf „von hoher Qualität, rechtsdogmatisch konsistent und löst viele Probleme der Praxis“. Änderungen aus der WEG-Reform 2007 würden vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich gesammelten Erfahrungen fortgesetzt und vollendet, während Regelungen, die sich praktisch nicht bewährt hätten, aufgehoben oder modifiziert würden.

Als positiv bewertet der VDIV unter anderem, dass die Beschlussfassung über bauliche Veränderungen vereinfacht werden soll, Verwalter mehr Möglichkeiten erhalten sollen, bei Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung ohne vorherige Beschlussfassung der Eigentümer zu handeln, die Gemeinschaft als Träger der Verwaltung festgeschrieben werden soll sowie die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit, Vertragsstrafen einzuführen.

Lediglich an wenigen Stellen sieht der VDIV Nachbesserungsbedarf. So spricht sich der Verband dafür aus, reine Online-Eigentümerversammlungen zu ermöglichen, das Quorum für Umlaufbeschlüsse – nach aktueller Rechtslage Allstimmigkeit – auf eine 2/3-Mehrheit zu senken und die Ladungsfrist für Eigentümerversammlungen bei zwei Wochen zu belassen (der Entwurf sieht eine Verlängerung auf vier Wochen vor). Nicht zuletzt wiederholt der VDIV seine Forderung, einen Sachkundenachweis für Immobilienverwalter einzuführen. Diese Forderung wird von einer Vielzahl der Experten geteilt und auch bei der ersten Lesung im Bundestag von Rednern mehrerer Fraktionen befürwortet.

Stellungnahme des VDIV (pdf)

BGH-Richterin Johanna Schmidt-Räntsch: Angst vor zu viel Verwaltermacht unbegründet

Positiv bewertet auch Prof. Dr. Johanna Schmidt-Räntsch, Richterin im 5. Zivilsenat des BGH („WEG-Senat“), die geplanten Änderungen. Positiv hervorzuheben sei, dass die Rolle der WEG als Verband gestärkt werden solle. Die vielfach geäußerten Bedenken, Verwalter würden zu viel Macht erhalten, seien unbegründet. Auch nach dem neuen Regelungskonzept erhielten Verwalter deutlich weniger Macht als beispielsweise Vorstände einer Aktiengesellschaft oder Geschäftsführer einer GmbH und ihre Befugnisse hielten sich in traditionellen Grenzen.

Positiv zu bewerten seien auch die geplanten Änderungen der Vorschriften über bauliche Veränderungen. Allerdings bestehe hier noch Anpassungsbedarf, weil die geplanten Regelungen zur Kostenverteilung (Kostentragung im Grundsatz nur bei denjenigen, die für die Maßnahme gestimmt haben oder in deren Individualinteresse sie liegt) Sanierungsmaßnahmen eher bremsen könnten.

Die praktisch wichtigste Verbesserung sei, dass Beschlussmängelklagen künftig gegen die WEG als Verband geführt werden sollen anstatt – wie bisher – gegen die übrigen Wohnungseigentümer, was sich als ungemein streitanfällig erwiesen habe. Wie der VDIV plädiert auch Prof. Schmidt-Räntsch dafür, die Bedeutung des Umlaufverfahrens durch eine Absenkung des Quorums zu stärken.

Stellungnahme von Dr. Johanna Schmidt Räntsch (pdf)

Haus & Grund Deutschland: Harmonisierung von Miet- und WEG-Recht geht nicht weit genug

Vom Ansatz her positiv bewertet auch der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland e.V., für den Präsident Kai H. Warnecke an der Anhörung teilnehmen wird, den Entwurf, sieht allerdings an vielen Stellen noch Nachbesserungsbedarf. So geht dem Verband die geplante Harmonisierung von Miet- und Wohnungseigentumsrecht nicht weit genug. Es reiche nicht, nur die Betriebskosten zu harmonisieren und die Durchsetzung von Modernisierungen gegenüber Mietern direkt durch die Wohnungseigentümer zu ermöglichen. Auch im Hinblick auf Gebrauchsregelungen müssten beide Rechtsgebiete harmonisiert werden. So müsse geregelt werden, dass sich das mietvertragliche Gebrauchsrecht nach dem in der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zulässigen Gebrauch – also etwa nach der Teilungserklärung, der Gemeinschaftsordnung oder der Hausordnung – richtet.

Die geplante Vereinfachung von Beschlussfassungen über bauliche Veränderungen begrüßt der Verband; unter anderem müsse aber noch bei den Regelungen über die Kostentragung nachgebessert werden.

Kritisch sieht Haus & Grund Deutschland, dass die Befugnisse von Verwaltern erweitert werden sollen und regt an, zwei Stufen von Verwaltern (Basis- und Premiumverwalter) einzuführen, zwischen denen die Eigentümer wählen können. Alternativ kämen erweiterte Informationspflichten des Verwalters in Betracht. Schließlich fordert der Verband neben weiteren Änderungen am Gesetzentwurf ebenfalls, einen Sachkundenachweis für Verwalter einzuführen.

Stellungnahme von Haus & Grund Deutschland (pdf)

Dr. Oliver Elzer: Zahlreiche Änderungen im Detail

Zahlreiche Änderungsvorschläge enthält auch die Stellungnahme von Dr. Oliver Elzer, Richter am Kammergericht Berlin. Zu Beginn gibt Dr. Elzer zu bedenken, dass der im Gesetzentwurf zur WEG-Reform eingeschlagene Weg, die Stellung der Wohnungseigentümer an die von Gesellschaftern heranzuführen, im Kern zwar widerspruchsfrei, aber keinesfalls zwingend sei. Es sei auch denkbar gewesen, die Wohnungseigentümer als Eigentümer von Gebäude und Grundstück zu stärken.

Unter anderem plädiert Dr. Elzer dafür, die geplante Einführung der Sondereigentumsfähigkeit von Stellplätzen aus dem Gesetzentwurf zu streichen. Die mit der Schaffung von Sondereigentum an Flächen verbundenen Schwierigkeiten rechtfertigten es nach einer Abwägung nicht ansatzweise, die damit gegebenenfalls verbundenen Erleichterungen zu schaffen und das Sondernutzungsrecht unnötig zurückzudrängen.

Ferner spricht sich Dr. Elzer dafür aus, ein zentrales Verwalterregister einzuführen. Dies würde es im Rechtsverkehr deutlich erleichtern, die für die Vertretung einer WEG zuständige Person zu ermitteln.

Erheblichen Nachbesserungsbedarf sieht Dr. Elzer unter anderem bei der Neufassung von § 14 WEG, der die Pflichten der Wohnungseigentümer regelt, der Neufassung der Vorschriften über bauliche Veränderungen und die diesbezügliche Kostenverteilung sowie den im Entwurf vorgesehen Änderungen der Vorschriften über die Beschluss-Sammlung.

Wie andere Experten auch spricht sich Dr. Elzer dafür aus, das Quorum für Umlaufbeschlüsse zu senken, um diesen mehr praktische Bedeutung zu verleihen. Zudem sei es denkbar, im Gesetz Bedingungen zu definieren, unter denen rein virtuelle Eigentümerversammlungen stattfinden könnten; der Entwurf sieht bislang nur die Möglichkeit vor, dass einzelne Eigentümer per elektronischer Kommunikation an einer (Präsenz-)Versammlung teilnehmen können.

Im Kern nicht zu beanstanden seien die neuen Vorschriften, die die Befugnisse des Verwalters regeln. Allerdings seien diese noch zu intransparent. Daher solle ins Gesetz ein Katalog der Maßnahmen aufgenommen werden, für die der Verwalter nach Vorstellung des Gesetzgebers in der Regel auch ohne vorherige Beschlussfassung der Eigentümer handeln kann. Ebenso sollten Fälle definiert werden, die eine Beschlussfassung erfordern, etwa die Entscheidung über langfristige Verträge.

Schließlich plädiert auch Dr. Elzer dafür, einen Sachkundenachweis für Verwalter einzuführen. Die Regulierung müsse streng sein. Es ginge um eine erworbene und ständig vertiefte Sachkunde, nicht um deren Behauptung.

Stellungnahme von Dr. Oliver Elzer (pdf)

Wohnen im Eigentum: Aktueller Gesetzentwurf kann Ziele nicht erreichen

Der Eigentümerverband Wohnen im Eigentum e.V., der in der Anhörung durch Vorstand Gabriele Heinrich vertreten wird, geht mit dem Gesetzentwurf hart ins Gericht und fordert umfangreiche Nachbesserungen. In der vorliegenden Form sei der Entwurf nicht geeignet, mehr Rechtsklarheit, mehr Rechtssicherheit, weniger Gerichtsverfahren sowie ein Abbau von Sanierungsstaus zu erreichen. Vielmehr hätten die geplanten Neuregelungen eine Vielzahl neuer hoher Risiken und teilweise auch unkalkulierbarer Gefahren für die Wohnungseigentümer zur Folge.

Kernpunkt der Kritik sind die im Gesetzentwurf vorgesehene unbeschränkte Vertretungsmacht des Verwalters im Außenverhältnis und die geplante Befugnis für Verwalter, zahlreiche Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung auch ohne vorherigen Eigentümerbeschluss durchzuführen. Die Vertretungsbefugnis müsse deutlich eingeschränkt werden und die Maßnahmen, die Verwalter auch ohne Beschluss durchführen dürfen, müssten zumindest konkretisiert werden. Besser noch sei es, einen Katalog mit Verwalter-Basisaufgaben gesetzlich festzuschreiben.

Weiter fordert Wohnen im Eigentum, die Bedeutung des Verwaltungsbeirats aufzuwerten und diesen zu einem starken Kontrollgremium umzuformen, das die Eigentümer bei der Verwaltung unterstützt und nicht den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben.

Auch bei den Vorschriften über bauliche Veränderungen sieht Wohnen im Eigentum erheblichen Nachbesserungsbedarf. So müsse über ein Quorum für Beschlussfassungen über Baumaßnahmen gewährleistet werden, dass die Rechte finanzschwacher Einzeleigentümer gegenüber Investoren geschützt werden. Zudem müsse geklärt werden, wie sich die zunehmende Unübersichtlichkeit der Folgekosten vermeiden lasse.

Schließlich müsse der notwendige Inhalt der Jahresabrechnung gesetzlich normiert werden. Zu wenige gesetzlichen Vorgaben seien die Hauptursache dafür, dass intransparente, fehlerhafte Jahresabrechnungen eines der größten Praxisprobleme für die Wohnungseigentümer und für die Verwalter seien.

Stellungnahme von Wohnen im Eigentum (pdf)

Weitere Stellungnahmen

Weitere Stellungnahmen zum Gesetzentwurf haben der Deutsche Anwaltverein e.V., der Verband Wohneigentum e.V., der Deutsche Richterbund e.V. sowie Haus & Grund Dresden e.V. abgegeben.

Abgeordnete fordern bei erster Lesung schon Änderungen am Gesetzentwurf zur WEG-Reform

Am 06.05.2020 stand der Gesetzentwurf zu einer umfassenden Änderung des WEG sowie zur Anpassung des Mietrechts Entwurf im Bundestag zur ersten Lesung auf der Tagesordnung.

In der Debatte äußerten Abgeordnete von Union, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP grundsätzliche Zustimmung zu dem Entwurf, den die Bundesregierung im März verabschiedet hatte. Gleichzeitig mahnten sie an verschiedenen Stellen Änderungsbedarf an.

Zu weit ging den Rednern von Union, SPD und FDP die geplante Ausweitung der Befugnisse des Verwalters. Es müsse sichergestellt werden, dass Verwalter nicht zu viel Macht bekämen und der Einfluss der Eigentümer gesichert bleibe. Katharina Willkomm (FDP) kritisierte die geplante Regelung, dass Verwalter die Kompetenz erhalten sollen, über Maßnahmen „über die eine Beschlussfassung nicht geboten ist“, selbst zu entscheiden. Dies gehe zu weit. Stattdessen müsse ein Katalog mit Basispflichten von Verwaltern in das Gesetz aufgenommen werden. Diese Forderung findet sich auch in einem Antrag der FDP, der ebenfalls in die Beratungen der Ausschüsse verwiesen wurde. In dem Antrag fordert die FDP zudem, die rechtlichen Grundlagen für eine vollständige Digitalisierung der WEG-Verwaltung zu schaffen. (Für Online-Eigentümerversammlungen spricht sich VDIV-Geschäftsführer Martin Kassler im L'Immo-Podcast vom 07.05.2020 aus.)

Auch Dr. Jan-Marco Luczak (CDU) betonte, dass die Rechte von Eigentümern gewahrt bleiben müssten. Einerseits müssten Wohnungseigentümergemeinschaften handlungsfähig sein und einen starken Verwalter haben, während andererseits auch der Einfluss von Eigentümern gesichert bleiben müsse. Luczak verwies auf den „sehr ambitionierten Zeitplan“ für das Gesetz, stellte zugleich aber klar, dass sich die Union die notwendige Zeit nehmen und nicht überstürzen werde.

Die Redner von Union, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sprachen sich dafür aus, die Einführung eines Sachkundenachweises für Immobilienverwalter in das Gesetz aufzunehmen und griffen damit ein Thema auf, für das sich der Verband der Immobilienverwalter Deutschlands (VDIV) seit Jahren stark macht. Der Sachkundenachweis war 2018 bei der Einführung des „Gesetzes zur Einführung einer Berufszulassungsregelung für gewerbliche Immobilienmakler und Wohnimmobilienverwalter“ auf Betreiben der Union in letzter Sekunde aus dem Gesetzentwurf gestrichen worden. Stattdessen wurde eine Fortbildungspflicht eingeführt.

Der vorliegende Gesetzentwurf zu einer WEG-Reform sieht vor, dass Umlaufbeschlüsse künftig auch per E-Mail gefasst werden können. Der CDU und der FDP geht dies nicht weit genug: Sie fordern, Umlaufbeschlüsse mit Stimmenmehrheit zu ermöglichen. Nach aktueller Rechtslage bedarf ein Umlaufbeschluss der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer.

Linke und AfD lehnen WEG-Reform ab

Friedrich Straetemanns (Die Linke) lehnte den Gesetzentwurf ab. Der einzig gute Punkt darin sei der geplante Anspruch auf Genehmigung einer Ladestation für Elektroautos. Er kritisierte insbesondere, dass Mieter von Eigentumswohnungen benachteiligt würden, wenn der Entwurf Gesetz würde.

Auch der Redner der AfD-Fraktion, Udo Hemmelgarn, sprach sich gegen die WEG-Reform aus. Die geplanten Änderungen ließen befürchten, dass Großinvestoren ganze Anlagen übernehmen und finanziell schwache Eigentümer aus Gemeinschaften herausdrängen.

Plenarprotokoll des Bundestages v. 06.05.2020 mit allen Reden zur WEG-Reform (pdf)