Taugt grüner Wasserstoff für den Heizungskeller?
Ein treibhausgasneutrales Energie- und Wirtschaftssystem ist zwingend auf CO2-frei produzierten Wasserstoff (H2) angewiesen. Der chemische Energieträger kann im großen Stil dort erzeugt werden, wo ausreichend erneuerbarer Strom und Wasser zur Verfügung stehen. Er lässt sich flexibel herstellen und nutzen.
Große Hoffnungen liegen auch auf dem Einsatz von Wasserstoff in der Wärmeversorgung von Gebäuden. Der Einbau neuer mit Erdgas betriebener Heizungen wird künftig eingeschränkt. Erlaubt bleibt der Einsatz von Gasheizungen jedoch für Anlagen, die sich mit klimaneutralem Wasserstoff oder Biomethan betreiben lassen. Bei den sogenannten H2-ready-Heizungen handelt es sich um Geräte, die bereits heute einen bestimmten Anteil Wasserstoff im Brennstoffgemisch vertragen und später vollständig auf dieses Gas umgestellt werden können.
Experten von fünf renommierten Institutionen aus Baden-Württemberg kommen nun in einem Positionspapier zu dem Schluss: Für die Beheizung von Gebäuden wird der chemische Energieträger nur eine untergeordnete Rolle spielen. Denn grüner Wasserstoff werde auf absehbare Zeit knapp und teuer bleiben. Zudem sei der Einsatz zur Erzeugung von Raumwärme ineffizient. Hier bieten sich eher Wärmepumpen und Wärmenetze an.
Experten: Grüner Wasserstoff energetisch nicht sinnvoll
Das Problem an dem Plan, so argumentieren die Autoren rund um Initiator Volker Kienzlen, Geschäftsführer der Landesenergieagentur KEA-BW: Grüner Wasserstoff sei derzeit kaum verfügbar und werde künftig vor allem in der Industrie benötigt. Für den Gebäudesektor blieben daher, wenn überhaupt, nur geringe und teure Restmengen. Hinzu kommen demnach hohe Kosten für die Umrüstung der H2-ready-Heizungen auf den Betrieb mit reinem Wasserstoff – technisch ist das bislang noch nicht in großem Maße möglich.
Zudem müsste das deutsche Gasnetz auf Wasserstoff umgestellt werden. Zwar ist das technisch machbar, doch die Hürden sind enorm. Parallel steigen die Kosten für Erdgas infolge höherer CO2-Bepreisung und sinkender Nutzerzahlen im Netz. Das macht den Betrieb gasbasierter Heizsysteme langfristig teurer. Auch energetisch überzeugt Wasserstoff in der Gebäudeheizung die Experten nicht: Für die gleiche Wärmemenge wird für die Herstellung von Wasserstoff vier bis sechsmal mehr Strom benötigt als beim Einsatz einer Wärmepumpe.
Das Fazit des Positionspapiers: Ohne klimaneutralen Wasserstoff ist die Energiewende nicht zu schaffen. Grüner Wasserstoff wird insbesondere für die Industrie relevant werden – sie ist ohne den chemischen Energieträger nicht oder nur sehr schwer zu dekarbonisieren. Für den Heizungskeller ist das knappe und teure Gas dagegen keine realistische Option und wird wohl nur in Einzelfällen Gebäude beheizen.
Die Autoren stammen von der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW), dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, dem Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu), dem Verband der regionalen Energie- und Klimaschutzagenturen Baden-Württemberg (rEA BW) und dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW).
Papier "Wasserstoff zur Wärmeversorgung – Chancen und Limitierungen" (Download)
Studie: Wasserstoff versus Wärmepumpe
Im Bundes-Klimaschutzgesetz ist festgelegt, dass im Gebäudebereich bis 2030 höchstens noch 67 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen werden dürfen – 43 Prozent der Emissionen müssten gegenüber dem Referenzjahr 2009 eingespart werden, um das Ziel zu erreichen.
Forscher aus dem Verbundprojekt "Norddeutsches Reallabor (NRL)" – koordiniert vom Competence Center für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (CC4E) der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg – hat Potenziale, Grenzen und Prioritäten von Wasserstoff und Wärmepumpe untersucht und den Energieaufwand verglichen.
Für die Studie wurde verglichen, wie hoch der Energieaufwand beim Heizen eines unsanierten Einfamilienhauses in Hamburg mit grünem Wasserstoff beziehungsweise einer modernen Wärmepumpe ist. Bei einem jährlichen Strombedarf von 40.000 Kilowattstunden entstand für die Gewinnung der zum Heizen nötigen Wasserstoffmenge ein Strombedarf von 67.000 Kilowattstunden – bei einer modernen Wärmepumpe werden nur 12.000 Kilowattstunden für die Bereitstellung der Wärme gebraucht, so das Ergebnis des Tests.
Der Einsatz von Wasserstoff für die dezentrale Wärmebereitstellung in Gebäuden sei in der Regel nicht wirtschaftlich: Es sei im Gebäudebestand um den Faktor fünf- bis sechsmal mehr grüner Strom für die Elektrolyseure notwendig als im Szenario mit Wärmepumpen. Bei modernisierten oder neuen Gebäuden vergrößere sich der Faktor.
Bei der Dekarbonisierung des Gebäudesektors kann den Wissenschaftlern zufolge grüner Wasserstoff ein Puzzleteil für Wärmenetze werden. Auch die Abwärme von Elektrolyseuren und Anlagen zur Wasserstoff-Rückverstromung könnten zur Effizienzsteigerung in Wärmenetze eingespeist werden.
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