Klimaexperten schauen Friedrich Merz auf die Finger

Bis 2030 sollen 65 Prozent der deutschen Treibhausgase im Vergleich zu 1990 eingespart werden. Dieses Ziel wird nach Einschätzung des Expertenrats für Klimafragen verfehlt werden. Die Klimapläne der schwarz-roten Bundesregierung seien zu wenig ehrgeizig.
"Vom Koalitionsvertrag geht kein nennenswerter Impuls für die Zielerreichung im Jahr 2030 aus", sagte die stellvertretende Vorsitzende des fünfköpfigen Gremiums, Brigitte Knopf. Die maßgeblichen Problemfelder seien nicht explizit addressiert und blieben an vielen Stellen zu vage.
Sorgen bereitet insbesondere auch der Gebäudesektor. Allerdings erwarten die Fachleute auch nicht, dass die Vorhaben im Koalitionsvertrag 2025 zu deutlich mehr Emissionen führen werden – es sei allenfalls ein leicht steigernder Effekt zu erwarten.
Der Expertenrat der Bundesregierung ist ein unabhängiges fünfköpfiges Gremium, das die Wirksamkeit der deutschen Klimaschutzpolitik überprüft und der Politik Anregungen gibt. Seine Aufgaben sind gesetzlich festgeschrieben.
In dem im Mai 2025 vorgestellten Prüfbericht bestätigt das Gremium im Wesentlichen die Zahlen, die das Umweltbundesamt im März vorgestellt hatte.
Klimaziele verfehlt? – so teuer wird das für Deutschland
Ein umfassendes Klimaschutzprogramm muss die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) laut Gesetz erst bis Ende März 2026 vorlegen. Darin muss sie dann erklären, was sie gegen die Zielverfehlungen beim Klimaschutz bis 2040 tun will. Bis dahin muss der Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 88 Prozent gegenüber 1990 sinken.
In dem Programm sollte die Bundesregierung aus Sicht des Rats aber auch darlegen, wie Deutschland Klimaneutralität bis 2045 erreichen will. Nach europäisch vereinbarten Vorgaben muss Deutschland seine Emissionen bis 2030 um die Hälfte senken, allerdings im Vergleich zu 2005. Seit 2024 liegt Deutschland hier nach Berechnungen des Expertenrats nicht mehr auf Kurs: Die Ziellücke sei gewachsen.
Das heißt, dass Deutschland dann Rechte zum CO2-Ausstoß von anderen europäischen Staaten kaufen muss. Wieviel das kosten wird, ist noch nicht abzusehen. "Es wird aber vielfach angenommen, dass die Kosten mindestens in der Größenordnung von 50 bis 100 Euro pro Tonne CO2 liegen werden, möglicherweise auch höher", erwartet Sascha Samadi vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Das würde bedeuten, dass Deutschland infolge seiner unzureichenden Emissionsminderungen etwa im Gebäudesektor bis 2030 mit Kosten in Höhe von mindestens elf bis 22 Milliarden Euro rechnen müsse.
Die Bewegung Fridays for Future verlangt mehr Ehrgeiz:. "Friedrich Merz und seine Regierung müssen in Sachen Klimaschutz über sich hinauswachsen und einen Tempowechsel hinlegen", forderte Sprecherin Linda Kastrup.
Expertenrat: Abkehr von Heizungsgesetz fürs Klima gefährlich
Vor der Bundestagswahl 2025 hat der Expertenrat einen Klimakurs für die neue Legislaturperiode vorgeschlagen. Der Gebäudesektor müsse gezielter angegangen, Förderungen sozial gerechter werden und das Heizungsgesetz bleiben – sonst würden die Ziele verfehlt, heißt es im jüngsten Zweijahresgutachten, das am 5. Februar vorgestellt wurde. Das Gutachten stellt eine besonders umfassende Auswertung der Klimapolitik dar, die seit 2022 alle zwei Jahre präsentiert wird.
Was den Gebäudesektor betreffe, müssten deutlich mehr Häuser saniert und klimafreundliche Heizungen eingebaut werden. Fördergelder, Kaufanreize, Vergünstigungen: Der Staat tue bereits einiges, um den Klimaschutz zu fördern, sozial gerecht gehe es dabei aber nicht unbedingt zu, so der Expertenrat. Von den Maßnahmen profitierten bislang eher wohlhabendere Haushalte, unter anderem im Bereiche Gebäude.
Die negativen Verteilungswirkungen dürften durch den steigenden CO2-Preis, der etwa das Heizen mit fossilen Brennstoffen teurer mach, verstärkt werden, sagte Knopf im Februar. Abhilfe könnten etwa Instrumente wie das geplante Klimageld schaffen. Die Politik müsse hier umdenken, künftig sollten soziale Auswirkungen stärker einbezogen werden, empfiehlt der Rat.
Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) lobte der Rat: Das sei eine "zentrale klimaschutzpolitische Maßnahme im Gebäudesektor". Er hielte es für "gefährlich", das Paket aus Gebäudeenergiegesetz (GEG), Gebäudesanierung und Wärmeplanung wieder zurückzudrehen. Planungssicherheit sei wichtig und auch das Erreichen der Klimaziele. Das Heizungsgesetz soll abgeschafft und ersetzt werden.
Bundespressekonferenz: Stand der Klimapolitik in Deutschland (Youtube)
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KSG-Novelle: Kontrolle der Ziele sektorenübergreifend
Die Einhaltung der Klimaziele wird mit der Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG), die am 17.7.2024 in Kraft getreten ist, nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren kontrolliert, sondern mehrjährig und sektorübergreifend.
Die Bundesregierung soll entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden kann – allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt.
Die Umsetzung der Novelle wird in den Projektionsberichten abgebildet, die das UBA in Abstimmung mit den zuständigen Ressorts aller Sektoren auf Bundesebene koordiniert. Nach § 5 KSG werden am 15. März jeden Jahres die Daten der Treibhausgasemissionen des Vorjahres nach festgelegten Sektoren festgelegt. Die sind die Grundlage für die im KSG festgesetzten Aufgaben des Expertenrats, der jeweils einen Monat Zeit hat, die Daten zu prüfen. Danach müssen die zuständigen Ministerien innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm zum Erreichen der Klimaziele vorlegen.
UBA-Projektionsdaten: Net-Zero-Gebäude – eine Utopie?
Mitte März 2025 veröffentlichte das Umweltbundesamt (UBA) das Kurzpapier "Treibhausgas-Projektionen 2025 – Ergebnisse kompakt". Wie daraus hervorgeht, könnten die Klimaschutzziele sektorenübergreifend erreicht werden, die Zielverfehlungen in den Sektoren Gebäude und Verkehr seien jedoch deutlich. Das Net-Zero-Ziel ist laut UBA-Daten mit den vorhandenen Maßnahmen nicht erreichbar.
Im Gebäudesektor steigt die Lücke demnach gegenüber den Projektionsdaten 2024 um 78 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent und liegt damit zwischen 2021 und 2030 bei 110 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.
Die Projektionsberichte – also Vorausberechnungen – werden regelmäßig durch ein unabhängiges Forschungskonsortium erstellt, das die Auswirkungen der Klimaschutzpolitik auf die Treibhausgasemissionen abschätzt.
Klimaschutzberichte nach KSG-Vorgaben: Hintergrund
Bereits mit der KSG-Novelle 2021 wurden die Klimaziele erhöht. Zu den Maßnahmen zählten das "Klimaschutzprogramm 2030", das vom Bundeskabinett im Oktober 2019 beschlossen wurde. Dazu gehören die CO2-Bepreisung und das "Fit For 55"-Paket zur Umsetzung des EU-Klimaziels. Im Mai 2021 wurde ein "Sofortprogramm 2022" beschlossen, das zusätzliche Maßnahmen enthielt, für die erhebliche Mittel für die Förderung energieeffizienter Gebäude in Aussicht gestellt wurden.
In den Klimaschutzberichten nach § 10 Absatz 1 KSG unterrichtet die Bundesregierung das Parlament über den jeweils aktuellen Stand der Klimapolitik, die Entwicklung der CO2-Emissionen, den Stand der Umsetzung der Klimaschutzprogramme und der Minderungswirkung sowie zur Klimazielerreichung nach § 3 KSG.
Neben der Klimaberichterstattung in den zentralen Wirtschaftssektoren wird auch über die Umsetzung von sektorübergreifenden Maßnahmen berichtet. Das Monitoring findet jährlich statt. Der Klimaschutzbericht 2021 war der erste Bericht nach KSG-Vorgaben.
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