Net-Zero-Ziel im Gebäudesektor: Es gibt noch viel zu tun

Deutschland könnte seine Klimaziele bis 2030 erreichen, prognostiziert das Umweltbundesamt (UBA), auch der Gebäudebereich macht kleine Fortschritte – aber es reicht nicht. Energetische Sanierungen und energieeffiziente Heizungen müssen entschiedener in den Fokus rücken.

Mitte März hat das Umweltbundesamt (⁠UBA)⁠ das Kurzpapier "Treibhausgas-Projektionen 2024 – Ergebnisse kompakt" veröffentlicht. Wie daraus hervorgeht, sind die Emissionen im vergangenen Jahr insgesamt deutlich zurückgegangen: Das Ziel von 65 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 rückt in greifbare Nähe. Das deutsche Net-Zero-Ziel bis 2045 ist laut den jüngsten Projektionen mit den derzeitigen Maßnahmen aber nicht erreichbar.

Im Gebäudebereich gibt es zwar Fortschritte – der Rückgang der klimaschädlichen Emissionen betrug im Vergleich zum Vorjahr rund acht Millionen Tonnen (das ist ein Minus von knapp acht Prozent) –, der Sektor liegt aber bei den im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) festgelegten zulässigen Emissionsmengen immer noch weit hinter den Erwartungen zurück. Die Sektorlücke bis 2030 beträgt laut UBA 32 Millionen Tonnen Treibhausgase.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) ist dennoch optimistisch: "Diese Projektionen zeigen, dass die Richtung stimmt und die Energiewende im Gebäudesektor deutlich an Fahrt aufgenommen hat". Mit der Umsetzung der Wärmeplanung und der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes werde sich der positive Trend fortsetzen.

Treibhausgas-Projektionen 2024 – Ergebnisse kompakt

Klimarat: Zu wenig politischer Ehrgeiz im Gebäudebereich

Der Expertenrat für Klimafragen präsentierte zuletzt am 22.8.2023 eine Stellungnahme und stellte klar: Selbst wenn das Klimaschutzprogramm komplett umgesetzt würde, dürften die Treibhausgase wohl weniger stark reduziert werden als vorausgesagt. Die Bundesregierung ging damals von einer verbleibenden Lücke zwischen 2021 und 2030 von rund 200 Megatonnen CO2-Äquivalenten aus. Diese Prognose zweifelt der Expertenrat an.

Der Vorsitzende des unabhängigen fünfköpfigen Gremiums, Hans-Martin Henning, bemängelte auch eine "inkonsistente Datenlage". Damit lasse sich keine zuverlässige Vorhersage zur Gesamtwirkung des Klimaschutzprogramms treffen. Das entspreche auch nicht den gesetzlichen Vorgaben.

Im Gebäudebereich bescheinigten die Experten der Bundesregierung zu wenig Ehrgeiz. Für den Sektor bleibt demnach eine Lücke bis 2030 von 35 Megatonnen CO2-Äquivalenten. Auch hier kritisierte der Rat die Datengrundlage. "Wir vermuten, dass die angenommene Treibhausgasminderung im Gebäudesektor geringer ausfallen dürfte als im Gutachten errechnet", erklärte Henning. Schuld seien vor allem die Änderungen am Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit längeren Fristen für den Umstieg auf klimafreundlichere Heizungen.

Stellungnahme zum Entwurf des Klimaschutzprogramms 2023

Projektionsberichte: Daten der CO2-Emissionen

Arbeitsgrundlage des Klimarats war der Projektionsbericht des Umweltbundesamtes (UBA), der im August 2023 veröffentlicht wurde – darin wurden die Klimaschutzmaßnahmen untersucht. Mit den geplanten Maßnahmen der Bundesregierung werde das Net-Zero-Ziel bis 2045 nicht erreicht, heißt es da – im Gebäudebereich wären zusätzliche Maßnahmen dringend nötig.

Die Projektionsberichte werden durch ein unabhängiges Forschungskonsortium erstellt, das die Auswirkungen der aktuellen Klimaschutzpolitik auf die Treibhausgasemissionen abschätzt.

Am 15.3.2023 stellte das UBA den aktuellen Emissionsbericht vor. Der weist für den Sektor Gebäude im Jahr 2022 zwar Verbesserungen aus – der CO2-Ausstoß wurde um knapp sechs Millionen Tonnen (5,3 Prozent) gesenkt –, die zulässige Jahresemissionsmenge wurde jedoch gegenüber 2021 um 4,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente überschritten. Der Projektionsbericht 2024 soll voraussichtlich im Mai veröffentlicht werden.

Projektionsbericht 2023 für Deutschland

Klimaschutzgesetz liegt noch im Bundestag

In die Kritik geraten sind zuletzt auch die Reformpläne für das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG). Die Einhaltung der Klimaziele soll nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Die Bundesregierung als Ganzes soll dann entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden kann – allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt. Der Expertenrat warnte: Dann müsse aber auch ein gemeinsamer Kurs sichergestellt werden.

Die Umsetzung der Novelle wird in den Projektionsberichten abgebildet, die das UBA in Abstimmung mit den zuständigen Ressorts aller Sektoren auf Bundesebene koordiniert. Nach § 5 KSG werden am 15. März jeden Jahres die Daten der Treibhausgasemissionen des Vorjahres nach festgelegten Sektoren festgelegt. Die sind die Grundlage für die im Gesetz festgesetzten Aufgaben des Expertenrats für Klimafragen, der jeweils einen Monat Zeit hat, die Daten zu prüfen. Danach müssen die zuständigen Ministerien innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm zum Erreichen der Klimaziele vorlegen.

Klimaschutzberichte: Der Hintergrund

Mit der KSG-Novelle 2021 wurden die Klimaziele erstmals erhöht. Bis zum Jahr 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen um mindestens 65 Prozent und bis 2040 mindestens 88 Prozent gegenüber 1990 sinken. Bis 2045 soll Deutschland treibhausgasneutral werden.

Zu den berücksichtigten Maßnahmen zählen das "Klimaschutzprogramm 2030", das vom Bundeskabinett im Oktober 2019 beschlossen wurde. Dazu gehören die CO2-Bepreisung und das "Fit For 55"-Paket zur Umsetzung des EU-Klimaziels. So soll der Ausstoß deutscher Treibhausgase bis 2030 um die Hälfte sinken im Vergleich zu 2005. Im Mai 2021 wurde ein "Sofortprogramm 2022" beschlossen, das zusätzliche Maßnahmen enthielt, für die erhebliche Mittel für die Förderung energieeffizienter Gebäude in Aussicht gestellt wurden.

In den Klimaschutzberichten nach § 10 Absatz 1 KSG berichtet die Bundesregierung dem Bundestag über den jeweils aktuellen Stand der Klimapolitik, die Entwicklung der CO2-Emissionen, den Stand der Umsetzung der Klimaschutzprogramme und der Minderungswirkung. Dieses Monitoring findet jährlich statt. Die Zahlen dienen zur Bewertung der in dem Gesetz verbindlich festgelegten Ziele zur CO2-Reduktion der einzelnen Sektoren. Bei Zielverfehlungen sollen die zuständigen Bundesressorts innerhalb von drei Monaten Sofortmaßnahmen vorlegen. Der Klimaschutzbericht 2021 war der erste Bericht nach KSG-Vorgaben.

Klimaschutzbericht 2021

Klimaschutzbericht 2022

Klimaschutzbericht 2023

ZIA: "Da geht noch mehr, da muss noch mehr gehen“

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) blickt angesichts der jüngsten UBA-Daten zu den CO2-Emissionen recht optimistisch auf die Entwicklung beim Klimaschutz. "Die Zahlen von 2023 und die Projektion zeigen: Deutschland kommt voran bei diesem eminent wichtigen Thema, und daran hat auch die Immobilienwirtschaft, die sich enorm bewegen musste, großen Anteil", sagte ZIA-Geschäftsführer Joachim Lohse. "Im Gebäudesektor wurde eine Emissionsminderung um 7,5 Prozent geschafft  – da geht noch mehr, da muss noch mehr gehen."

Dazu brauche es mehr Unterstützung durch die Bundesregierung. "Es ist bedauerlich, dass der zunächst vom Kanzler zugesagte Klima-Geschwindigkeitsbonus für den vorzeitigen Heizungstausch bei Wohnungs- und gewerblichen Vermietern dann wieder zurückgenommen wurde", so Lohse. Der Verband fordert die Politik auf, die Sanierung des Gebäudebestands und den Austausch alter Heizungen entschiedener in den Fokus zu nehmen.

Mit dem Gebäudeenergiegesetz und der europäischen Gebäudeeffizienzrichtlinie würden energetische Anforderungen an Neubau und Bestand jedoch verschärft. Um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, wären eine dauerhafte Förderung von Heizungstausch und Gebäudesanierung vor allem für Wohnimmobilien ein wichtiger Push. Denn angesichts der begrenzten Umlagefähigkeit von Modernisierungskosten auf Mieter könnten viele Unternehmen die Sanierung anderenfalls finanziell "schlicht nicht leisten".

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