Eigenbedarf: Wie Vermieter richtig kündigen

Eigentümer haben das Recht, ein bestehendes Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu beenden. Der Anspruch auf eine ordentliche Kündigung besteht laut § 573 Abs. 2 BGB, wenn ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vorliegt. Das ist der Fall, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.
Wenn die juristische Lage eine Eigenbedarfskündigung nicht eindeutig rechtfertigt, kann es zum Streit vor Gericht kommen. Urteile und Beschlüsse im Überblick.
Eigenbedarfskündigung: Formelle Voraussetzungen
Ein Vermieter kann Eigenbedarf in der Regel nur dann anmelden, wenn der Grund zur Kündigung nach Abschluss des Mietvertrags entstanden ist. In § 573 Abs. 3 BGB heißt es dazu: "Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind."
Für eine formell ordnungsgemäße Begründung einer Eigenbedarfskündigung reicht es grundsätzlich aus, die Person zu benennen und das Interesse darzulegen, das sie an der Erlangung der Wohnung hat. Ob das Interesse wirklich besteht, ist nach Auffassung des BGH keine formelle, sondern eine inhaltliche Frage.
(BGH, Beschluss v. 9.2.2021, VIII ZR 346/19)
Ist bei Abschluss des Mietvertrags der Eigenbedarf noch nicht absehbar, stellt die Kündigung keinen Rechtsmissbrauch dar, entschied der Bundesgerichtshof. Die Kündigung sei nicht treuwidrig und keine unzumutbare Härte für die Mieter. Im vorliegenden Fall benötigte der Enkel der Vermieterin die Wohnung für sich und seine Familie. Die Mieter wehrten sich gegen die Räumungsklage.
(BGH, Urteil v. 20.3.2013, VIII ZR 233/12)
Nennt der Vermieter eine Person, obwohl bei der Kündigung noch nicht feststeht, wer genau einziehen soll, ist die Eigenbedarfskündigung unwirksam. Das geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Köln hervor.
(AG Köln, Urteil v. 9.8.2015, 212 C 86/13)
Dabei muss der Vermieter die Person bei einer Eigenbedarfskündigung nicht zwingend namentlich bezeichnen. Es reicht dem BGH zufolge, die Eigenbedarfsperson identifizierbar zu benennen.
(BGH, Urteil v. 30.4.2014, VIII ZR 107/13)
Vorgetäuschter Eigenbedarf: Schadensersatz
Ein Mieter erhielt Schadensersatz, weil der Vermieter den Eigenbedarf vorgetäuscht hatte. Der behauptete, der Grund für den Eigenbedarf sei nachträglich weggefallen. Es sei zu einer Verzögerung von erforderlichen Umbaumaßnahmen gekommen, so habe er ursprüngliche Umzugspläne aufgegeben und die Wohnung an nahe Angehörige vermietet. Das Landgericht Berlin II entschied, dass die Umzugspläne nicht ausreichend belegt und ein nachträglicher Wegfall des Eigenbedarfs nicht hinreichend darlegt wurde.
(LG Berlin II, Urteil v. 4.9.2024, 64 S 281/22)
Auch das Landgericht Kassel sah den Grund für eine Eigenbedarfskündigung nicht hinreichend dargelegt. Unklar sei, weshalb die Mutter des Vermieters nicht mehr in die Wohnung einziehen wollte. Die Behauptung des Vermieters, dass sich Renovierungsarbeiten verzögert hätten, reichten nicht aus.
(LG Kassel, Urteil v. 23.11.2023, 1 S 222/22)
Eine Vermieterin kündigte wegen Eigenbedarfs, weil sie mit ihren Kindern in die Wohnung einziehen wollte. Direkt nach dem Auszug des Mieters vermietete sie aber an eine andere Person. Das Amtsgericht Waiblingen gab der Klage des früheren Mieters auf Schadensersatz statt: Die Vermieterin habe nicht hinreichend dargelegt, weshalb sie zwischenzeitlich nicht in die Wohnung ziehen konnte.
(AG Waiblingen, Urteil v. 15.1.2019, 9 C 1106/18)
Eigenbedarf kann auch vorgeschoben sein, wenn ein Vermieter die Wohnung verkaufen will und sie an seinen Neffen – ohne dessen Kenntnis davon – vermietet, sodass dieser im Fall eines Gewinn bringenden Verkaufs ohne Probleme zum Auszug bewegt werden kann, hat der BGH entschieden. Die Mieter verlangten Schadensersatz von mehr als 60.000 Euro. Der BGH verwies den Rechtsstreit zur Klärung einiger tatsächlicher Fragen an das Berufungsgericht zurück.
(BGH, Beschluss v. 10.5.2016, VIII ZR 214/15)
Kündigt der Vermieter wegen Eigenbedarfs und setzt diesen dann nicht um, muss er laut BGH besonders genau begründen, warum der zunächst bestehende Bedarf nachträglich entfallen sein soll. Tut er das nicht, ist davon auszugehen, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht war. Dann kann der Mieter Schadensersatz verlangen.
(BGH, Urteil v. 29.3.2017, VIII ZR 44/16)
Die Ansprüche auf Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs verjähren innerhalb von drei Jahren gemäß § 195 BGB, so entschied das Amtsgericht Mannheim in einem Fall. Die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Mieter die zugrundeliegenden Tatsachen kannte (§ 199 Abs. 1 BGB).
(AG Mannheim, Urteil v. 3.5.2017, 8 C 6/16)
Eigenbedarf bei Nutzung als Zweit- oder Ferienwohnung
Die vom Vermieter beabsichtigte Nutzung der Wohnung als Zweit- und Ferienwohnung stellt einen zulässigen Eigenbedarf dar. Es kommt laut BGH darauf an, ob der Eigennutzungswunsch von vernünftigen, nachvollziehbaren Gründen getragen wird und nicht rechtsmissbräuchlich ist. Die Kinder und Enkel des Vermieters sind Familienangehörige gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Der Vermieter kann daher die Eigenbedarfskündigung auf die beabsichtigte Nutzung der Wohnung durch diese Personen stützen.
(BGH, Beschluss v. 21.8.2018, VIII ZR 186/17)
Dass der Vermieter eine Eigenbedarfskündigung auch darauf stützen kann, dass er die Wohnung als Zweitwohnung nutzen will, hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Die Mieterin einer Wohnung hatte sich hier mit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Räumungsurteil des Landgerichts Berlin gewendet.
(BVerfG, Beschluss v. 23.4.2014, 1 BvR 2851/13)
Fristen bei der Eigenbedarfskündigung
Auch bei der Kündigung wegen Eigenbedarfs müssen die Kündigungsfristen gemäß § 573c BGB beachtet werden: Drei Monate, verlängert um jeweils drei Monate nach fünf beziehungsweise acht Jahren seit Überlassung der Mietsache.
Das Kündigungsschreiben muss dem Mieter spätestens am dritten Werktag eines Monats zugestellt werden.
Der BGH hält die ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses nicht wegen falscher Fristangabe für unwirksam. Nennt der Vermieter einen zu frühen Kündigungstermin, kann die Kündigung trotzdem zum nächstmöglichen Termin wirksam sein.
(BGH, Urteil v. 10.4.2024, VIII ZR 286/22)
Bundesratsinitiative: Regeln für Eigenbedarfskündigung
Hamburg hat eine Bundesratsinitiative zu schärferen Regeln für Eigenbedarfskündigungen von Wohnraummietverhältnissen eingebracht. Die Initiative wird derzeit in den Fachausschüssen der Länderkammer beraten.
Hintergrund sei eine steigende Zahl von Beratungen zu Kündigungen wegen Eigenbedarfs bei Mietervereinen und deutlich mehr vorgetäuschte Eigenbedarfskündigungen, heißt es im Entschließungsantrag.
Gefordert wird neben einer Verlängerung der Kündigungsfrist auf sechs Monate und einer Verschärfung der Begründungspflicht auch, dass Vermieter verpflichtet werden sollen, über alternative Wohnungen zu informieren und diese gegebenenfalls anzubieten. Zudem soll es nach dem Kauf einer vermieteten Wohnung eine Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen geben.
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