Kündigung muss keinen Termin nennen

Hintergrund: Vermieter gibt Kündigungsfrist zu kurz an
Der Vermieter einer Drei-Zimmer-Wohnung in Berlin verlangt nach einer Kündigung die Räumung.
Der Mietvertrag von 1982 sieht eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten vor, wenn seit der Überlassung des Wohnraums zehn Jahre vergangen sind. Im Jahr 2013 wurde das Haus in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Im Jahr 2018 kaufte der jetzige Vermieter die Wohnung.
Im Januar 2021 erklärte der Vermieter die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.10.2021. Er wolle die Räume künftig überwiegend für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt nutzen und dort auch seinen Wohnsitz begründen. Das Mietverhältnis über die bisher genutzten Kanzlei- und Wohnräume ende zu diesem Zeitpunkt. Dieser Wunsch stelle ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses dar ("Betriebsbedarf").
Im August 2021 erhob der Vermieter Räumungsklage. In der Klageschrift erklärte er vorsorglich erneut die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses, ohne einen Kündigungstermin zu nennen.
Der Mieter hält die Kündigungen schon deshalb für unwirksam, weil in der ersten Kündigung ein unzutreffender verfrühter Beendigungszeitpunkt angegeben ist und in der zweiten Kündigung eine Zeitangabe fehlt.
Die Räumungsklage hatte vor Amts- und Landgericht keinen Erfolg. Zwar könne der Wunsch, eine Wohnung zu Wohn- und Berufszwecken zu nutzen, ein berechtigtes Interesse für eine Kündigung im Sinne von § 573 Abs. 1 BGB darstellen. Nach einem früheren Urteil des BGH müsse der Nutzungswunsch aber vernünftige und nachvollziehbare Gründe haben und dem Vermieter ein beachtenswerter Nachteil entstehen, wenn ihm der Bezug der Mieträume verwehrt werde.
Da hier die beabsichtigte Wohnnutzung nicht nur völlig untergeordnet sei, sei die Kündigung an einem ähnlichen Maßstab zu messen wie eine Kündigung wegen Eigenbedarfs. Für eine Eigenbedarfskündigung nach dem Erwerb einer umgewandelten Wohnung gelte in Berlin eine verlängerte zehnjährige Sperrfrist gemäß § 577a BGB, die hier erst 2028 ablaufe. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen seien deshalb an das berechtigte Interesse des Vermieters besonders hohe Anforderungen zu stellen. Es reiche nicht aus, wenn der Vermieter bei Fortführung des Mietverhältnisses einen beachtenswerten Nachteil erleide. Vielmehr müsse dem Vermieter ein gewichtiger Nachteil entstehen, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Hieran fehle es vorliegend, sodass kein Kündigungsgrund bestehe.
Entscheidung: Falsche Kündigungsfrist schadet nicht
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Zu Unrecht hat das Landgericht ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses verneint.
Zwar liegt hier kein Fall des Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor, weil dieser nur für eine ausschließliche Nutzung als Wohnung geltend gemacht werden kann.
Will der Vermieter die Wohnung sowohl zum Wohnen als auch zu beruflichen Zwecken nutzen, kann aber ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung gemäß § 573 Abs. 1 BGB vorliegen. Voraussetzung ist, dass der ernsthaft verfolgte Nutzungswunsch von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen ist und dem Vermieter bei einem ihm verwehrten Bezug der Mieträume ein anerkennenswerter Nachteil entstünde. Dies dürfte bei einer auf nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen beruhenden Lebens- und Berufsplanung des Vermieters häufig der Fall sein.
Höhere Anforderungen bestehen – anders als das Landgericht meint – auch dann nicht, wenn die Kündigung wie hier während der Sperrfrist für eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen wird. Gemäß § 577a Abs. 1 BGB sind nach dem Verkauf einer Wohnung, die in Wohnungseigentum umgewandelt wurde, für eine gewisse Zeit Kündigungen wegen Eigenbedarfs oder zur wirtschaftlichen Verwertung ausgeschlossen. Diese Vorschrift enthält jedoch keine Wertentscheidung, die darauf abzielt, ordentliche Kündigungen nach Umwandlung in Wohnungseigentum generell zu erschweren.
Kündigungserklärung erfordert keine Zeitangabe
Der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigungen steht es auch nicht entgegen, dass in der ersten Kündigungserklärung ein vor dem Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist liegender Kündigungstermin genannt beziehungsweise in der zweiten Kündigungserklärung der Zeitpunkt der gewollten Beendigung des Mietverhältnisses nicht angegeben ist. Laut Mietvertrag beträgt die Kündigungsfrist zwölf Monate, wenn das Mietverhältnis – wie hier – mehr als zehn Jahre andauert. Daher trifft der in der Kündigungserklärung vom Januar 2021 genannte Beendigungszeitraum "zum 31.10.2021" nicht zu.
Zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen der ordentlichen Kündigung gehört die Angabe der Kündigungsfrist beziehungsweise des Kündigungstermins in der Kündigungserklärung aber nicht. Sie ist in der Vorschrift über Form und Inhalt der Kündigung (§ 568 BGB) nicht aufgeführt und auch vom Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 BGB nicht umfasst.
Ergibt die Auslegung der Kündigungserklärung, dass der Vermieter ordentlich und unter Einhaltung einer Frist kündigen will, wird es regelmäßig seinem erkennbaren (hypothetischen) Willen entsprechen, dass die Kündigung das Mietverhältnis mit Ablauf der (gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten) Kündigungsfrist zum nächsten zulässigen Termin beendet. Das gilt nicht nur, wenn in der Kündigungserklärung kein Kündigungstermin angegeben ist, sondern auch, wenn der Vermieter einen zu frühen Kündigungstermin angibt, sofern sein Wille erkennbar ist, das Mietverhältnis auf jeden Fall zu beenden.
Liegt zwischen dem genannten und dem nächstzulässigen Beendigungstermin ein größerer zeitlicher Abstand, kann zweifelhaft sein, ob eine Vertragsbeendigung auch zu diesem (späteren) Termin noch vom Willen des Kündigenden gedeckt ist. Im vorliegenden Fall bestehen allerdings keine Anhaltspunkte, dass der Vermieter ausschließlich zum 31.10.2021 kündigen wollte und ein späteres Ende des Mietverhältnisses für ihn ohne Interesse wäre.
(BGH, Urteil v. 10.4.2024, VIII ZR 286/22)
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