Rz. 18

Die Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 ist nur zulässig, wenn seit der Einspruchseinlegung ein unangemessener Zeitraum ohne Entscheidung über den Einspruch (s. Rz. 17) verstrichen ist. Hierbei ist das Interesse des Klägers an einer zügigen Sachentscheidung und effektivem Rechtsschutz abzuwägen gegenüber den Erfordernissen des Verwaltungsverfahrens. Der Behörde muss eine ausreichende Bearbeitungszeit zugebilligt werden, damit sie zu einer zutreffenden Entscheidung gelangen kann. Auch im finanzbehördlichen Einspruchsverfahren gilt grundsätzlich das allgemeine Beschleunigungsgebot, wonach die Behörde alles Zumutbare zu veranlassen hat, um das Verfahren zeitnah abzuschließen (vgl. Dumke, in Schwarz, AO, § 363 Rz. 1). Zur gerechtfertigten Verfahrensverzögerung durch Aussetzung, Ruhen und Unterbrechung des Einspruchsverfahrens s. Rz. 22.

 

Rz. 19

Nach § 46 Abs. 1 S. 2 FGO ist die Untätigkeitsklage grundsätzlich nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit der Rechtsbehelfseinlegung zulässig. Der Behörde wird also eine sechsmonatige Regelentscheidungsfrist für den Einspruch als angemessen zugebilligt.

 

Rz. 19a

Vor Ablauf der Sechsmonatsfrist ist die Klage ausnahmsweise dann zulässig, wenn wegen besonderer Umstände des Falls eine kürzere Frist geboten ist und die Behörde ohne Mitteilung eines zureichenden Grunds (s. Rz. 21) in dieser kürzeren Frist nicht entschieden hat. Der Kläger hat die besonderen Gründe seines Falls darzulegen, die die bevorzugte Bearbeitung gebieten, d. h. bei verständiger Interessenabwägung (s. Rz. 18) erforderlich machen (s. Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 125).

Solche besonderen Gründe können sich einerseits aus der Person des Klägers ergeben (z. B. Auswanderung), andererseits aber in der aus der Sache resultierenden besonderen Eilbedürftigkeit liegen[1]. Insgesamt müssen die Gründe so gravierend sein, dass trotz der Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes durch einstweilige Anordnung[2] noch ein besonderes Interesse an der sofortigen Entscheidung in der Hauptsache eindeutig überwiegt. Das Vorliegen einschlägiger Verwaltungsanweisungen zur Behandlung des strittigen Sachverhalts rechtfertigt eine Abkürzung der Sechsmonatsfrist nicht, da die Organisation der Arbeitsabläufe und Entscheidungsreihenfolge innerhalb der Frist der Behörde überlassen bleibt[3].

 

Rz. 19b

Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist ist die Klage noch nicht zwangsläufig zulässig. Es ist nach den gesamten Umständen des Falls zu beurteilen, ob eine über die regelmäßige Entscheidungsfrist hinausgehende Frist noch angemessen ist (s. Rz. 21; Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 116).

 

Rz. 20

Die Entscheidungsfrist beginnt mit dem Zugang des Einspruchs bei der Behörde, bei der dieser einzulegen ist (s. Dumke, in Schwarz, AO, § 357 Rz. 7; Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 130). Sie muss im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung abgelaufen sein (s. Rz. 10; Tipke, in T/K, AO, § 46 FGO Rz. 9; v. Beckerath, in Beermann/Gosch, AO, § 46 FGO Rz. 152). Für die Berechnung der Frist findet § 54 FGO Anwendung[4].

Bei einer verfrühten Untätigkeitsklage kann das FG das Verfahren aussetzen (s. Rz. 33, 36), sodass diese Klage in die Zulässigkeit hineinwachsen kann (s. z. B. Bartone, in Kühn/v. Wedelstädt, AO, § 46 FGO Rz. 4; v. Beckerath, in Beermann/Gosch, AO, § 46 FGO Rz. 168; Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 130; Tipke, in T/K, AO, § 46 FGO Rz. 9; Bedenken bei v. Groll, in Gräber, FGO, § 46 Rz. 15).

 

Rz. 20a

Die Entscheidungsfrist wird nicht dadurch unterbrochen oder gehemmt, dass die Behörde während des anhängigen Einspruchsverfahrens einen Korrekturbescheid hinsichtlich des angefochtenen Verwaltungsakts erlässt und dieser kraft Gesetzes[5] Gegenstand des Einspruchsverfahrens wird. Die finanzbehördliche Befugnis zur Korrektur des angefochtenen Verwaltungsakts[6] darf keine Verzögerung des finanzgerichtlichen Rechtsschutzes bewirken (s. auch § 68 FGO Rz. 3).

[1] Vgl. BFH v. 6.12.1972, I R 177/72, BStBl II 1973, 228, 229, der die Eigenschaft als Haftungssache allein nicht als ausreichend ansieht; zur Erstattung von Vorsteuerbeträgen im Gründungsstadium s. FG München v. 3.4.1995, 3 K 1334/94, NWB 1995, F. 1, 1933.
[3] S. auch v. Beckerath, in Beermann/Gosch, AO, § 46 FGO Rz. 100; a. A. FG Köln v. 21.11.2001, 6 K 1134/01, EFG 2002, 1245.

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