Rz. 9

§ 46 Abs. 1 FGO regelt als Ausnahmevorschrift zu § 44 FGO die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die unmittelbare Klageerhebung in Fällen, in denen sonst grundsätzlich ein abgeschlossenes finanzbehördliches Einspruchsverfahren erforderlich wäre (s. § 44 FGO Rz. 6), aber unter den hier genannten Umständen übersprungen werden kann. Ob die zusätzlichen Voraussetzungen (s. Rz. 10) für die Untätigkeitsklage gegeben sind, ist von Amts wegen zu prüfen[1].

Die Vorschrift macht nur die sonst durch § 44 FGO geforderte Verfahrensvoraussetzung "Abschluss des außergerichtlichen Vorverfahrens" entbehrlich, nicht aber die Anhängigkeit des Einspruchsverfahrens (s. Rz. 15, 16; vgl. BFH v. 2.7.1997, II S 4/97, BFH/NV 1998, 208). Sonstige Zulässigkeits- oder Sachentscheidungsvoraussetzungen der Klage müssen demgemäß unabhängig von § 46 FGO erfüllt sein (s. z. B. v. Groll, in Gräber, FGO, § 46 Rz. 6).

 

Rz. 10

Die besonderen Voraussetzungen des § 46 FGO (s. Rz. 15ff.) sind zusätzliche Sachentscheidungsvoraussetzungen[2]. Diese müssen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung erfüllt sein. Die vor der regelmäßigen Sechsmonatsfrist (s. Rz. 19) erhobene Klage kann, auch wenn keine besonderen Gründe für eine bevorzugte Entscheidung vorliegen, demgemäß allein durch Zeitablauf zulässig werden[3].

 

Rz. 11

Die Klageerhebung bei einer Untätigkeitsklage erfolgt in gleicher Weise wie bei einer sonstigen Klage (s. Erlass zu §§ 63ff. FGO; zur Anbringung der Klage bei der Behörde s. § 47 FGO Rz. 22). Nach § 65 Abs. 1 FGO sind bei der Untätigkeitsklage der Ablehnungsbescheid und der Einspruch zu bezeichnen, über den die Behörde nicht in angemessener Frist entschieden hat. Bei doppelter Untätigkeit (s. Rz. 32) ist darzulegen, dass ein Untätigkeitseinspruch gemäß § 347 Abs. 1 S. 2 AO eingelegt worden ist, der für die Zulässigkeit der Klage Voraussetzung ist (s. Rz. 15; vgl. z. B. BFH v. 19.5.2004, III R 36/02, BFH/NV 2004, 1655; BFH v. 30.6.2006, III B 193/04, BFH/NV 2006, 2101).

Die besondere Bezeichnung als Untätigkeitsklage ist nicht erforderlich (s. Rz. 8; vgl. entspr. für die Sprungklage § 45 FGO Rz. 5).

Eine vor Abschluss des Einspruchsverfahrens (s. Rz. 15–17) erhobene Klage kann allerdings nur dann als Untätigkeitsklage ausgelegt werden, wenn zumindest in der Klagebegründung oder bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die Säumnis der Behörde gerügt wird[4]. Ohne eine derartige Rüge ist die Klage mangels Geltendmachung einer Beschwer[5] unzulässig[6].

 

Rz. 12

§ 46 Abs. 1 FGO trifft für die Untätigkeit im Einspruchsverfahren eine abschließende Regelung. Für eine Verpflichtungsklage, die nur auf den Erlass einer Einspruchsentscheidung gerichtet ist, fehlt das Rechtsschutzinteresse (vgl. BFH v. 28.10.1975, VII R 116/73, BStBl II 1976, 116, wonach das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Verpflichtungsklage nur wegen Ablauf der in § 46 FGO a. F. vorgegebenen einjährigen Klagefrist gegeben war; BFH v. 5.5.1970, II B 19/67, BStBl II 1970, 551; Bartone, in Kühn/v. Wedelstädt, AO, § 46 FGO Rz. 6; Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 56; Tipke, in T/K, AO, § 46 FGO Rz. 1; offen gelassen in BFH v. 3.6.1996, VIII B 33/95, BFH/NV 1996, 559; a. A. BFH v. 5.10.2004, II B 140/03, BFH/NV 2005, 237). Auch eine Untätigkeitssprungklage in der Form der sog. Vornahmeklage wird durch die Sonderregelung in § 46 FGO ausgeschlossen, sie ist unheilbar unzulässig (s. BFH v. 16.1.2002, II R 52/00, BFH/NV 2002, 1053; BFH v. 19.5.2004, III R 18/02, BStBl II 2004, 980; Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 60).

 

Rz. 13

Eine eigentliche Klagefrist besteht für die Untätigkeitsklage nicht[7]. Sie ist allerdings erst nach Ablauf einer angemessenen Entscheidungsfrist im Einspruchsverfahren zulässig (s. Rz. 18), d. h. regelmäßig nach Ablauf eines halben Jahrs, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die die vorzeitige Klageerhebung rechtfertigen (s. Rz. 19a) bzw. eine längere Entscheidungsfrist für die Behörde erforderlich machen (s. Rz. 19b).

 

Rz. 14

Für die Zulässigkeit der Klage besteht auch keine Ablauffrist hinsichtlich der Klageerhebung.

Eine Verwirkung des Klagerechts kann grundsätzlich nicht eintreten, da dieses nur durch den Klageverzicht[8] verloren gehen kann[9]. Selbst wenn man grundsätzlich die Verwirkung des Rechts, die "Untätigkeitsklage" zu erheben, zulassen will[10], so kann dies allenfalls nur für besondere Ausnahmefälle gelten (vgl. v. Groll, in Gräber, FGO, § 46 Rz. 35; v. Beckerath, in Beermann/Gosch, AO, § 46 FGO Rz. 147; Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 235). Für die Verwirkung reicht der Ablauf auch eines längeren Zeitraums allein nicht, sondern es muss ein zusätzliches bestimmtes Verhalten hinzugetreten sein, das geeignet ist, bei der Behörde den Eindruck und das Vertrauen darauf zu erwecken, dass eine Klage nicht mehr in Betracht kommt[11]. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Behörde ihrer Pflicht, das Einspruchsverfahren zügig abzuwickeln[12], nicht nachgekommen ist. Die Verletzung dieses verfassungsrechtlichen Beschleunigu...

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