Unzulässige Klage bei Verwendung eines Falschnamens
Hintergrund: Klageerhebung unter falschem Namen
Der Streit ging um den Billigkeitserlass von Kindergeldrückforderungen.
A bezog ab September 2015 unter dem Falschnamen A.P. als (vermeintlich) bangladeschische Staatsangehörige für drei minderjährige Kinder Kindergeld. Sie hatte der Familienkasse den Verlust ihres Arbeitsplatzes nicht angezeigt und in der Folgezeit für sich und die drei Kinder Leistungen nach dem SGB II bezogen(sog. Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld). Dabei wurde das Kindergeld als Einkommen angerechnet. Als die Familienkasse von der fehlenden Erwerbstätigkeit der A erfuhr, hob sie in 2017 die Kindergeldfestsetzung ab Februar 2016 auf und forderte das für Februar 2016 bis September 2017 gezahlte Kindergeld (11.574 EUR) von A zurück.
Dem Erlassantrag der A stimmte die Familienkasse nur für einen Teilbetrag zu (Februar 2016 und Säumniszuschläge). Im Übrigen wurde der Erlassantrag mit der Begründung abgelehnt, A habe ihre Mitwirkungspflichten verletzt.
Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg. Das FG verpflichtete die Familienkasse, den Kindergeldrückforderungsanspruch in Höhe von 11.113 EUR zu erlassen.
In dem von der Familienkasse eingeleiteten Revisionsverfahren teilte A mit, dass sowohl ihr Name und Vorname als auch ihr Geburtsdatum und ihre Nationalität richtigzustellen seien. Sie heiße E.R. und stamme aus Indien. Auch die Personalien der Kinder müssten korrigiert werden.
Entscheidung: Die unter einem Falschnamen erhobene Klage ist unzulässig
Der BFH hob das FG-Urteil auf soweit, als die Familienkasse zum Erlass des zurückgeforderten Kindergeldes (nebst Säumniszuschlägen) verpflichtet wurde. Die Klage wurde wegen Verwendung des Falschnamens als unzulässig abgewiesen.
Bezeichnung des Klägers als Sachentscheidungsvoraussetzung
Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO müssen der Kläger und der Beklagte in der Klage bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um eine Sachentscheidungsvoraussetzung. Ob die Voraussetzungen für ein Sachurteil des FG vorlagen, hat der BFH von Amts wegen zu prüfen (BFH v. 13.5.2015, III R 8/14, BStBl II 2015, 844, Rz 27). Die Sachentscheidungsvoraussetzungen müssen spätestens am Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen. Fehlt eine Sachentscheidungsvoraussetzung, ist die Klage unzulässig und durch Prozessurteil abzuweisen.
Zweifelsfreie Bezeichnung der Beteiligten
Auf welche Weise der Kläger zu bezeichnen ist, regelt § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht ausdrücklich. Die erforderlichen Angaben ergeben sich jedoch aus der Bedeutung der Klage für das finanzgerichtliche Verfahren. Mit der Klage gegen eine hoheitliche Maßnahme wird ein Verfahren in Gang gesetzt, an dem (anders als im Zivilprozess) auch ein öffentliches Interesse besteht. Das FG hat den Sachverhalt unter Heranziehung der Beteiligten aufzuklären (§ 76 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO). Die Bezeichnung der Beteiligten ist daher nicht nur für die zweifelsfreie Identifizierung der Prozessbeteiligten und die Fixierung des Prozessverhältnisses, sondern auch für die ordnungsgemäße Prozessführung von Bedeutung (BFH v. 28.1.1997, VII R 33/96, BFH/NV 1997, 585, Rz 11). Bei natürlichen Personen ist regelmäßig neben der Angabe der Adresse auch die des Familiennamens und des Vornamens erforderlich (Pahlke in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 65 FGO Rz 26). Die Bezeichnung muss so bestimmt sein, dass jeder Zweifel an der Person des Klägers ausgeschlossen ist (BFH v. 11.4.1991, V R 86/85, BStBl II 1991, 729, Rz 18).
Die Zuordnung der Klage zu einer Person ohne Klärung der Identität genügt nicht
Die Namensnennung kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn die Partei so klar bezeichnet wird, dass keine Zweifel an ihrer Identität aufkommen können (BGH v. 18.9.2018, VI ZB 34/17, NJW-RR 2018, 1460, Rz 7). Die Identität einer Person wird nicht nur durch den Namen definiert, sondern durch weitere Elemente wie Geburtsname, Tag und Ort der Geburt, Geburtsland, Anschrift und Staatsangehörigkeit. Steht die wahre Identität eines Klägers wegen der Verwendung eines Falschnamens nicht fest, ist er nicht i.S. von § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO bezeichnet. Da A über ihre Identität getäuscht hatte, war die zweifelsfreie Identifizierung der Person der Klägerin nicht möglich. Es genügt daher nicht, dass sich eine unter einem Falschnamen erhobene Klage zweifelsfrei einer Person zuordnen lässt und dass gerichtliche Schreiben dieser Person tatsächlich zugehen.
Ausnahmsweise Bezeichnung mit einem Künstlernamen
Davon zu unterscheiden ist die Benutzung eines Künstlernamens (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Bundesmeldegesetzes). Denn der Künstlername, der in bestimmten Lebensbereichen geführt wird, drückt dort anstelle des Familiennamens die Identität und Individualität der Person aus. Ein Künstlername tritt zum bürgerlichen Namen hinzu und ersetzt diesen im Bereich der künstlerischen Betätigung. Er ermöglicht die Feststellung des bürgerlichen Namens.
Hinweis: Kein Bedürfnis für eine Klage unter falschem Namen
Der Wunsch, ein Klageverfahren unter einem anderen Namen zu betreiben, wird gelegentlich damit begründet, das Bekanntwerden des Namens in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Dazu ist allerdings ein Falschnamen nicht erforderlich. Führt das FG das Verfahren bei beiderseitigem Verzicht auf mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren (§ 90 Abs. 2 FGO), dringt der Name nicht nach außen. Im Übrigen kann der Beteiligte nach § 52 Abs. 2 FGO den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragen. Auch in diesem Fall muss allerdings die Verkündung des Urteils öffentlich sein (§ 173 Abs. 1 GVG). Die Form der Bekanntgabe – Verkündung (§ 104 Abs. 1 FGO) oder Zustellung (§ 104 Abs. 2 FGO) – steht jedoch im Ermessen des Gerichts. Im Fall des § 52 Abs. 2 FGO dürfte grundsätzlich die Zustellung ermessensgerecht sein. Im Übrigen kann die Namensnennung im Gerichtsaushang und beim Aufruf der Sache (§ 92 Abs. 2 FGO) im Interesse des Steuergeheimnisses unterbleiben.
BFH Urteil vom 18.02.2021 - III R 5/19 (veröffentlicht am 04.06.2021)
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