Übertragung eines verpachteten Betriebs gegen Versorgungsleistungen oder unter Vorbehaltsnießbrauch
Blick in die Rechtslage
Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines MU-Anteils an einem Betrieb unentgeltliche übertragen, kommt es nach Maßgabe von § 6 Abs. 3 EStG zur Buchwertfortführung. Diese seit 1999 geltende Regelung war zuvor in § 7 Abs. 1 EStDV geregelt.
Die unentgeltliche Übertragung eines gewerblichen Betriebs unter Vorbehaltsnießbrauch fällt – anders als gegen Versorgungsleistungen – nicht unter § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG (vormals § 7 Abs. 1 EStDV), weil vom Vorbehaltsnießbraucher mangels Einstellung der gewerblichen Tätigkeit weiterhin gewerbliche Einkünfte erzielt werden. Es kommt nicht darauf an, ob der Gewerbebetrieb mit eigenen oder fremden Wirtschaftsgütern betrieben wird.
Erst mit Wegfall des Vorbehaltsnießbrauchs kommt es zur Übertragung des gewerblichen Einzelunternehmens des Nießbrauchers auf den Nießbrauchbesteller. Eine unentgeltliche Übertragung erfolgt dabei nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG zwingend zu Buchwerten. Sofern beim Nießbrauchbesteller zuvor kein Gewerbebetrieb bestand, werden die Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG mit ihrem Teilwert eingelegt.
Offene Frage
Der BFH musste nunmehr mit der Frage befassen, ob eine Betriebsübertragung gegen (verdeckten) Vorbehaltsnießbrauch oder gegen Versorgungsleistungen vorliegt.
Sachverhalt: Ruhender Gewerbebetrieb wird zuerst gegen Einräumung eines Nießbrauchs und dann gegen Versorgungsleistungen übertragen
Der der BFH-Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Der Vater der Klägerin (V) war Eigentümer eines Grundstücks (nachfolgend Grundstück), auf dem sich ein Hotelgebäude befindet.
- V erzielte, nachdem er zunächst selbst das Hotel betrieben hatte, bis zum 31.12.1995 Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Verpachtung des Hotelbetriebs.
- Mit notariellem Schenkungsvertrag v. 28.12.1995 übertrug V das Grundstück sowie drei weitere Grundstücke auf die Klägerin und den Beigeladenen B (= Bruder der Klägerin) je zum 1/2 ideellen Miteigentumsanteil im Wege der Schenkung.
- In dem Vertrag wurde V ein Nießbrauchrecht an dem Grundstück eingeräumt.
- Die Klägerin gab ihre Willenserklärung als vollmachtlose Vertreterin des Beigeladenen ab.
- Mit weiterem, nicht notariell beurkundetem Vertrag vom 28.12.1995 vereinbarten V sowie die Klägerin und B unter Bezugnahme auf den Schenkungsvertrag, dass V den Hotelbetrieb mit Wirkung zum 31.12.1995 unentgeltlich mit sämtlichen Aktiva und Passiva auf seine Kinder – die Klägerin und B – übertrage.
- Zudem wurde der notarielle Vertrag v. 28.12.1995 dahingehend geändert, dass V auf die Einräumung der Nießbrauchrechte an den Übertragungsobjekten verzichtete und stattdessen eine an ihn zu zahlende monatliche Rente vereinbart wurde, die den Nettoerträgen der Übertragungsobjekte entsprach und mindestens monatlich 5.000 DM betrug.
- Die Rentenverpflichtung wurde am 19.2.1996 als Reallast in das Grundbuch eingetragen; ein Nießbrauchrecht wurde nicht eingetragen.
- V ist in 1998 verstorben.
- Für die Jahre 1996 bis 1998 fand bei der GbR eine Außenprüfung statt. Bei allen Prüfungsfeststellungen wurde Einvernehmen erzielt.
- Mit notariellem Auseinandersetzungsvertrag vom 19.3.2012 setzten sich die Klägerin und B auseinander.
- Die Klägerin übertrug ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem Hotelgrundstück auf B.
- Sie zahlte an B einen Betrag von 50.000 EUR. Zudem erhielt sie die hälftigen Miteigentumsanteile an den drei anderen Grundstücken.
- Der Verpachtungsbetrieb wurde nachfolgend von B als Einzelunternehmen fortgeführt.
- 2014 teilte die Klägerin dem Finanzamt A mit, dass die GbR am 19.3.2012 durch ihr Ausscheiden aufgelöst worden sei.
In der Feststellungserklärung für 2012 (Streitjahr) gab die GbR unter anderem einen nur von der Klägerin erzielten Veräußerungsgewinn in Höhe von rd. 216.000 EUR an. Der Veräußerungsgewinn wurde von dem Finanzamt erklärungsgemäß festgestellt.
Den hiergegen gerichteten Einspruch der Klägerin wies das Finanzamt als unbegründet zurück. Die Klägerin vertrat die Auffassung, aus dem vorgenannten Vorgang sei 1995 eine Zwangsbetriebsaufgabe erfolgt, in den nachfolgenden Jahren lägen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vor und der Grundstückgewinn sei nicht nach § 23 EStG zu versteuern.
FG Bremen: Keine Zwangsbetriebsaufgabe in 1995
Das FG Bremen lehnte mit Urteil v. 5.12.2018 (1 K 93/18 (S), EFG 2020, 1126) eine Zwangsbetriebsaufgabe ab und wies die Klage als unbegründet ab.
Entscheidung: Klage ist begründet und wird an das FG zurückverwiesen
Der BFH hat mit Urteil v. 8.8.2024 (IV R 1/20) die Revision der Klägerin als begründet angesehen und die Sache zu anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG Bremen zurückgewiesen.
Das FG-Urteil war aufzuheben, weil sich vom BFH nicht beurteilen ließ, ob der Veräußerungsgewinn in zutreffender Höhe ermittelt wurde (Rz. 29).
Der BFH weist auf folgende wesentliche Punkte hin:
- Während die unentgeltliche Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs unter Beachtung der Voraussetzungen einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen unter § 7 Abs. 1 EStDV (seit 1999 § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG) fällt, greift diese Norm bei der unentgeltlichen Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs unter Vorbehalt des Nießbrauchs nicht ein. Damit bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung (BFH, Urteil v. 25.1.2017, X R 59/14, BStBl II 2019, 730 Rz. 40).
- Die unentgeltliche Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs unter Vorbehalt des Nießbrauchs führt beim Übertragenden im Fall der Fortführung der gewerblichen Verpachtungstätigkeit nicht zu einer steuerbegünstigten Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG, sondern zur Entnahme der übertragenen Wirtschaftsgüter.
- Der Vorbehaltsnießbraucher führt den verpachteten Gewerbebetrieb infolge der fehlenden Einstellung seiner gewerblichen Verpachtungstätigkeit fort. Die Grundsätze der Betriebsverpachtung im Ganzen gelten damit trotz Vorbehaltsnießbrauch weiter. Eine Betriebsaufgabe durch den Vorbehaltsnießbraucher ist möglich (§ 16 Abs. 3b EStG); ob dies für einen Betrieb ohne Betriebsvermögen sinnhaft ist, muss im Einzelfall entschieden werden.
- Beim Tod des Vorbehaltsnießbrauchers geht – vorbehaltlich einer zuvor von ihm abgegebenen Aufgabeerklärung – sein dann weiterhin bestehender gewerblicher Verpachtungsbetrieb nach § 7 Abs. 1 EStDV bzw. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG auf den Erwerber (Erben) über.
- Zu diesem Zeitpunkt werden die bisher im Privatvermögen des Erwerbers befindlichen Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert in das Betriebsvermögen eingelegt.
Praxisfolgen
Die Sache war aus mehreren Gründen nicht spruchreif (Rz. 50). Der BFH weist auf die Gründe hin, warum eine abschließende Beurteilung ausgeschlossen war. Viel praxisbedeutsamer sind aber die Hinweise auf die diversen Rechtsfolgen, die das FG Bremen in einem zweiten Rechtsgang zu beachten hat.
Hintergrund: Der BFH-Senat konnte nicht abschließend beurteilen, ob
- die Voraussetzungen des Sonderrechtsinstituts einer Übergabe des Gewerbebetriebs gegen private Versorgungsleistungen gegeben sind, oder
- ob doch ein Lebenssachverhalt verwirklicht wurde, der zunächst wie eine unentgeltliche Betriebsübertragung unter Vorbehalt des Nießbrauchs zu besteuern ist (Rz. 51 ff.).
Folgende unterschiedliche Rechtsfolgen treten nach Auffassung des BFH je nach Fallgestaltung ein:
- Sofern die Vertragspartner Ende 1995 nur zum Schein Versorgungsleistungen vereinbart haben, in tatsächlicher Hinsicht jedoch wie bei einer unentgeltlichen Betriebsübertragung unter Vorbehalt des Nießbrauchs vorgegangen sind, ist der Besteuerung der tatsächlich verwirklichte Lebenssachverhalt zugrunde zu legen (vgl. § 41 Abs. 2 AO). Es kämen die Rechtsgrundsätze zur Anwendung, die bei einer unentgeltlichen Übertragung eines verpachteten und nicht aufgegebenen Betriebs unter Vorbehalt des Nießbrauchs eingreifen. Folge hiervon wäre, dass V bereits Ende 1995 die übertragenen, dem verpachteten Hotelbetrieb zugehörigen Wirtschaftsgüter, insbesondere das Hotelgrundstück mit aufstehendem Gebäude, in sein Privatvermögen überführt hätte.
- V hätte entsprechende Entnahmen versteuern müssen; eine Fortführung der Buchwerte bei den Rechtsnachfolgern wäre ausgeschlossen gewesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte bei V aber keine (Zwangs-)Betriebsaufgabe vorgelegen. Vielmehr hätte V seinen gewerblichen Verpachtungsbetrieb zunächst fortgeführt.
- Spätestens mit dem Tod des V wären die Ende 1995 von V übertragenen – zunächst im Privatvermögen befindlichen – Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG) in das Betriebsvermögen eingelegt worden.
Sollte im Entscheidungsfall eine Betriebseinlage erst im Zeitpunkt des Todes vorzunehmen sein, dürfte sich der bislang berücksichtigte Veräußerungsgewinn erheblich reduzieren. Dies dürfte der Zielsetzung der Klägerin weitestgehend entsprechen.
BFH, Urteil v. 8.8.2024, IV R 1/20; veröffentlicht am 28.10.2024
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