Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO enthält keine Aussage darüber, was eine angemessene Frist seit Einlegung des Einspruchs darstellt. Die Angemessenheit bestimmt sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles, also z. B. nach dem Umfang des Falles, Umfang und Schwierigkeiten der gebotenen Sachverhaltsermittlung (Levedag in Gräber, § 46 FGO Rz. 11 ff.; Steinhauff in HHSp, § 46 FGO Rz. 110 ff. Seer in Tipke/Kruse, § 46 FGO Rz. 7). Aufgrund der Regelung des § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die Frist von sechs Monaten vom Gesetzgeber für den Regelfall als angemessen angesehen wird (BGH v. 27.04.2004, IV R 18/04, BFH/NV 2006, 2017; BFH v. 27.06.2012, XI B 8/12, BFH/NV 2012, 1809). Sie kann aber im Einzelfall auch länger sein (FG Köln v. 05.06.2014, 15 K 1958/13, EFG 2014, 1605). Eine vorzeitig erhobene Untätigkeitsklage ist unzulässig, sodass über sie sachlich nicht entschieden werden kann (BFH v. 13.10.1977, V R 57/74, BStBl II 1978, 154). Dabei kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern den der Entscheidung (bzw. Hauptsachenerledigung) an (BFH v. 13.05.1971, V B 61/70, BStBl II 1971, 492; BFH v. 28.09.1990, VI R 98/89, 100/89, VI R 98/89, VI R 100/89, BStBl II 1991, 363 m. w. N.; Ausnahme: missbräuchliche Untätigkeitsklage, BFH 08.05.1992, III B 138/92, BStBl II 1992, 673): eine zunächst unzulässige (weil "verfrühte") Klage kann auch durch den Wegfall des zunächst vorhandenen und mitgeteilten "zureichenden Grundes" in die Zulässigkeit "hineinwachsen" (BVerwG v. 20.01.1966, I C 24.63, BVerwGE 23, 135; BFH v. 07.03.2006, IV B 78/04, BStBl II 2006, 430; auch Seer in Tipke/Kruse, § 46 FGO Rz. 8; Steinhauff in HHSp, § 46 FGO Rz. 70; Levedag in Gräber, § 46 FGO Rz. 9). Damit die Klage in die Zulässigkeit hineinwachsen kann, hat das FG die Klage nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO grds. auszusetzen. Insoweit besteht zwar ein Ermessen des Gerichts. Aber gerade im Hinblick darauf, dass die verfrüht erhobene Untätigkeitsklage in die Zulässigkeit hineinwachsen kann, ist unter Beachtung des Art. 19 Abs. 4 GG eine Aussetzung des Verfahrens nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO regelmäßig geboten (BFH v. 30.09.2015, V B 135/14, BFH/NV 2016, 51; BFH v. 13.09.2016, V B 26/16, BFH/NV 2017, 53; vgl. auch BVerwG v. 20.01.1966, I C 24.63, BVerwGE 23, 135; Kopp/Schenke, § 75 VwGO Rz. 16).

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