Unzulässige beA-Nutzung durch Kanzleiangestellte

Die Überlassung des eigenen beA-Zertifikats des Rechtsanwalts an eine Kanzleikraft unter Mitteilung der zugehörigen PIN zur Übermittlung einer Rechtsmittelschrift ist unzulässig.

Die Probleme bei der ordnungsgemäßen Nutzung des beA durch die Anwaltschaft scheinen nicht abreißen zu wollen. Erneut hat der BGH den Antrag eines Rechtsanwalts auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung einer Berufungsfrist mit der Begründung zurückgewiesen, dass die vom Anwalt beabsichtigte Nutzung des beA nicht den zwingenden gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe.

Kanzleimitarbeiterin im Besitz des beA-Zertifikats samt PIN

Der Rechtsanwalt hatte nach eigenen Angaben am 24.8.2022 mit der von ihm vertretenen Nebenklägerin die Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein zuvor ergangenes Strafurteil (Freispruch) besprochen. Am Folgetag habe er seiner Kanzleiangestellten die Rechtsmittelschrift diktiert. Er selbst sei am selben Tag verreist. Deshalb habe er seine Mitarbeiterin angewiesen, die Rechtsmittelschrift über das beA sowie per Telefax an das zuständige Landgericht zu übermitteln. Die Mitarbeiterin habe seine beA-Karte und die dazugehörige PIN in ihrem Schreibtisch aufbewahrt und den Übermittlungsauftrag daher problemlos ausführen können.

Fristversäumnis wegen nicht formgerecht Übermittlung

Die Revisionsschrift ist beim zuständigen LG lediglich per Telefax eingegangen. Das Gericht hat daher die Revision wegen Verletzung der Formvorschrift des § 32d Satz 2 StPO (elektronische Übermittlung) als unzulässig verworfen. Der hiernach namens der Nebenklägerin gestellte Antrag des Rechtsanwalts auf Wiedereinsetzung in vorigen Stand blieb ohne Erfolg. Nach der Bewertung des BGH hat der Anwalt die Frist für die Übersendung der Rechtsmittelschrift in der Form des § 32d Satz 2 StPO schuldhaft versäumt.

Übergabe von beA-Karte und PIN bewirken keine formgültige Übermittlung

Der BGH hat klargestellt, dass die Übergabe der beA-Karte und der zugehörigen PIN an eine Kanzleikraft nicht geeignet ist, die formwirksame Übermittlung einer Rechtsmittelschrift an das Gericht herbeizuführen. Eine formwirksame Übermittlung sei auf diesem Wege schon deshalb nicht möglich, weil die bloße Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift die persönliche Absendung durch die für den Schriftsatz verantwortliche Person voraussetze (BGH, Beschluss vom 7.2.2023, 2 StR 162/22). Die beauftragte Kanzleimitarbeiterin sei aber nicht die den Schriftsatz verantwortende Person.

PIN unterliegt der Geheimhaltung

Die Überlassung des Zertifikats des Rechtsanwalts an eine Kanzleimitarbeiterin ist nach der Entscheidung des BGH auch nach § 26 RAVPN (Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung) unzulässig. Zudem sei der Rechtsanwalt verpflichtet, die entsprechende PIN geheim zu halten. Nur so könne sichergestellt werden, dass die einfache Signatur von der für den Schriftsatz verantwortlichen Person stamme. Die Überlassung des Zertifikats an Dritte würde diese in die Lage versetzen, eigenmächtig Schriftsätze zu erstellen oder zu verändern und mit der einfachen Signatur des Rechtsanwalts zu versehen. Gerade diese Gefahr will das Gesetz verhindern.

Eigenes Zertifikat für Kanzleimitarbeiter ist möglich

Der BGH wies darauf hin, dass § 24 RAVPN für die Versendung von Dokumenten über das beA durch Kanzleimitarbeiter die Möglichkeit vorhält, Kanzleimitarbeitern ein eigenes, ihnen persönlich zugeordnetes Zertifikat samt zugehöriger PIN zuzuordnen und diese in einem beA anzumelden. Von dieser Option habe der Rechtsanwalt hier aber keinen Gebrauch gemacht.

Signierende Person und Versender müssen identisch sein

Schließlich wies der BGH auf § 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV hin. Die Vorschrift verbiete es, das Recht, nicht qualifiziert elektronisch signierte Dokumente alternativ formwahrend über das beA zu versenden, auf dritte Personen zu übertragen. Das Vertrauen in die Authentizität der mit einfacher Signatur übermittelten elektronischen Dokumente stütze sich auf die Erwartung, dass dieser sichere elektronische Übermittlungsweg ausschließlich von den Inhabern des Anwaltspostfachs selbst genutzt wird und die signierende Person und der Versender identisch sind. Andernfalls seien die Formerfordernisse des § 32a Abs. 3 Var. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 StPO nicht gewahrt.

Keine Chance der Kanzleiangestellten zur fristwahrenden Rechtsmittelübermittlung

Im Ergebnis hat der Rechtsanwalt nach der Entscheidung des BGH durch Überlassung der anwaltlichen Zertifizierung an seine Kanzleiangestellte dieser keine Möglichkeit zur wirksamen Übersendung der Rechtsmittelschrift eingeräumt. Die Versäumung der Frist war daher nicht unverschuldet. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand blieb der Erfolg versagt.

(BGH, Beschluss v. 20.6.2023, 2 StR 39/23)


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