Wiedereinsetzung nach Fristversäumnis infolge Computerdefekts

Bei vorübergehendem Funktionsausfall eines Computers bedarf es für einen Wiedereinsetzungsantrag substantiierter Darlegungen zur Art des Defekts. Verbleibt die Möglichkeit eines Anwaltsverschuldens, scheidet eine Wiedereinsetzung aus.

In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wiedereinsetzungsantrag im Falle einer Fristversäumnis infolge eines vorübergehenden Computerausfalls näher spezifiziert.

Beschwerdebegründung 3 Minuten zu spät bei Gericht

Der Entscheidung des BGH lag ein Unterhaltsrechtsstreit zugrunde. Das antragstellende Land hatte vom Antragsgegner Zahlung von Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht gefordert. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts (AG), der den Antragsgegner zur Zahlung an das Land verpflichtete, hatte der Bevollmächtigte des Antragsgegners form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ging um 0:03 Uhr am Tage nach dem Ablauf der Frist für die Beschwerdebegründung, also mit 3-minütiger Verspätung, über das beA des Bevollmächtigten beim Oberlandesgericht (OLG) ein.

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Wegen der Fristversäumnis beantragte der Antragsgegner über seinen Bevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Begründung: Der Laptop des bevollmächtigten Anwalts habe am Tage des Fristablaufs kurz vor Mitternacht versagt. Gegen 23:50 Uhr habe der Bevollmächtigte die auf seinem Laptop gespeicherte PDF-Datei mit der Beschwerdebegründung über die Weboberfläche des beA hochladen wollen. Hierbei sei es zu einem nicht aufklärbaren Problem des verwendeten Laptops gekommen. Es sei ein zeitaufwendiger Neustart erforderlich gewesen, der zur 3-minütigen Verspätung des Eingangs der Beschwerdebegründung bei Gericht geführt habe.

Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen

Der Wiedereinsetzungsantrag hatte beim OLG ebensowenig Erfolg wie die gegen den ablehnenden Beschluss beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegte Rechtsbeschwerde. Nach Auffassung des BGH hatte das OLG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde zu Recht abgelehnt.

Voraussetzungen eines erfolgreichen Wiedereinsetzungsantrags wegen technischen Defekts

Der BGH wies darauf hin, dass gemäß §§ 117 Abs. 5 FamFG, 233 Satz 1 ZPO ein erfolgreicher Wiedereinsetzungsantrag voraussetzt, dass die Beschwerdebegründungsfrist unverschuldet versäumt wurde. Hierzu habe die Rechtsprechung einige unverzichtbare Vorgaben entwickelt:

  • Nach ständiger Rechtsprechung des BGH seien nicht vorhersehbare und nicht vermeidbare Störungen einer EDV-Anlage grundsätzlich als Wiedereinsetzungsgrund geeignet (BGH, Beschluss v. 22.11.2017, VII ZB 67/15).
  • Allerdings erfordere ein auf einen vorübergehenden Computerdefekt gestützter Wiedereinsetzungsantrag nähere Darlegungen zur Art des Defekts und zu den Versuchen seiner Behebung (BGH, Beschluss v. 17.5.2004, II ZB 22/03).
  • Schließlich müsse mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Verschulden des Anwalts oder seiner Partei ausgeschlossen sein (BGH, Beschluss v. 6.4.2011, XII ZB 701/10).


Ursache für Computerabsturz muss konkret benannt werden

Im konkreten Fall hatte nach Auffassung des BGH der Bevollmächtigte des Antragsgegners nicht hinreichend glaubhaft dargelegt, dass die Fristversäumnis auf einem unvorhersehbaren Computerdefekt beruhte. Der Antragsgegner habe den Grund für die Funktionsstörung des Laptops letztlich nicht aufklären können. Einem von ihm beauftragten IT-Berater sei es nicht möglich gewesen, nach Auswertung der im Ereignisprotokoll aufgezeichneten Fehler eine konkrete Ursache für den Computerabsturz zu benennen. Aus dem Vortrag des Antragsgegners ergebe sich, dass der Laptop sowohl vor dem Absturz als auch danach keine weiteren Ausfälle aufwies und weder eine Reparatur noch eine Wartung des Laptops erforderlich wurde.

Fehlendes Anwaltsverschulden muss überwiegend wahrscheinlich sein

Vor diesem Hintergrund hat das OLG nach Auffassung des BGH zu Recht angenommen, dass der behauptete, unerwartete Hard- oder Softwarefehler des Laptops zwar nicht völlig auszuschließen sei, dass aber ein vom Verfahrensbevollmächtigten verschuldeter Bedienungsfehler ebenso wahrscheinlich wie ein technischer Defekt sei, dies auch vor dem Hintergrund des unmittelbar in den letzten Minuten vor Fristablauf wahrscheinlich aufgetretenen Zeitdrucks. Damit fehle es an der für eine Wiedereinsetzung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit für ein fehlendes Verschulden des Antragsgegners bzw. dessen Bevollmächtigten.

Bei technischen Störungen ist auch Telefax eine Option

Ergänzend wies der Senat den Antragsgegner auf die gemäß § 130d Satz 2 ZPO eröffnete Möglichkeit hin, angesichts einer technischen Störung die Beschwerdebegründung nach den allgemeinen Vorschriften – z. B. per Telefax – noch rechtzeitig an das Gericht zu übermitteln. Diese rechtliche Option bestehe unabhängig davon, ob eine technische Störung beim Übertragungsgerät eingetreten ist oder eine sonstige Störung in der Sphäre des Bevollmächtigten oder der von ihm vertretenen Partei vorliegt.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt

Im Ergebnis blieb dem Wiedereinsetzungsantrag ebenso wie der Beschwerde gegen den Unterhaltsbeschluss des AG der Erfolg versagt mit der Folge einer möglichen Haftung des Anwalts gegenüber seinem Mandanten.

(BGH, Beschluss v. 1.3.2023, XII ZB 228/22)

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