Schuldrechtsreform 2022: Waren mit digitalen Elementen

Die „Ware mit digitalen Elementen" ist gänzlich neu. Deren Voraussetzungen und Mangelhaftigkeitsfolgen sind in §.475b BGB geregelt. In Abgrenzung zu rein digitalen Produkten wird sie in § 327a Abs. 3 Satz 1 BGB definiert als "eine Sache, die in einer solchen Weise digitale Produkte enthält oder mit ihnen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen kann." Prägend ist also eine vertragliche und räumliche oder funktionale Verbundenheit von analogen und digitalen Teilen. Der Schwerpunkt liegt auf der Ware, selbst wenn diese nicht nutzbar ist, wenn das digitale Element nicht funktioniert. Beispiele für Waren mit digitalen Elementen sind: smarte Kühlschränke, Saug- oder Mähroboter, Smartwatches, WLAN-Router, Fußbodenheizungen, E-Bikes

Sachmangel

Ob eine Sache mit digitalen Elementen mangelhaft ist, bestimmt sich zunächst - wie bei analogen Produkten - nach § 434 BGB. Sie muss also

  • den subjektiven,
  • den objektiven und
  • den Montageanforderungen entsprechen.

Zusätzlich gilt § 475b Abs. 2, 3, 4 BGB und insoweit insbesondere eine Ergänzung sowohl der subjektiven als auch der objektiven Anforderungen um eine

  • neue Aktualisierungspflicht (Updates). Damit wird dem Funktionieren der digitalen Elemente Rechnung getragen.

Inhalt der Aktualisierungspflicht

Mit der Pflicht zur Aktualisierung wurde der Sachmangelbegriff bei dieser Art von Kombinations-Ware erheblich ausgedehnt. Es kommt nicht mehr nur auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs an, sondern - mit Blick auf die Aktualisierung - auf einen wesentlich längeren Zeitraum, nämlich den der üblichen Nutzungsdauer des Produkts.

Während dieses Zeitraums muss der Verbraucher über Aktualisierungen informiert und diese bereitgestellt werden. Die Aktualisierungen sollen sicherstellen, dass die Sache auch einige Zeit nach dem Erwerb noch genauso funktioniert wie zum Zeitpunkt der Lieferung. Kommt der Verkäufer dem nicht nach, liegt ein Gewährleistungsrechte auslösender Sachmangel vor.

Subjektiv richten sich Umfang und Dauer der Aktualisierungspflicht nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien (§ 475b Abs. 3 BGB). Mittels einer solchen Abrede kann z.B. festgelegt werden, dass über einen Zeitraum von fünf Jahren die Sicherheitsupdates zur Verfügung gestellt werden. Die gesetzliche Aktualisierungspflicht kann nicht nur konkretisiert, sondern auch beliebig erweitert werden. Beispielsweise könnte man sich darauf einigen, dass dauerhaft die aktuelle Betriebssoftware mit Upgrades bereitgestellt wird, etwa bei Navigationssystemen.

Die objektiven Anforderungen an die Aktualisierungspflicht sind in § 475b Abs. 4 BGB geregelt und werfen bezüglich Dauer und Umfang im Einzelfall voraussichtlich Fragen mit Streitpotential auf.

Die Dauer bestimmt sich objektiv nach dem Produkt und dem Empfängerhorizont des Durchschnittskäufers. Zu berücksichtigen sind: Art und Zweck der Sache und der digitalen Elemente, verwendete Materialien, Umstände und Art des Vertrags, Werbeaussagen, Kaufpreis, Erkenntnisse über übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer.

Der Umfang der Pflicht bezieht sich auf Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit erforderlich sind. Funktionserhaltende und Sicherheits-Updates sind dabei sicher umfasst, Upgrades hingegen (Funktionserweiterungen) nicht.

Der Verbraucher seinerseits ist - wenn er sich auf die Aktualisierung berufen möchte - in der Pflicht: Er muss die ordnungsgemäß bereitgestellten Updates innerhalb einer angemessenen Frist sachgemäß nach der (mangelfreien) Installationsanleitung installieren.

Achtung: Problematische Dreieckskonstellation für Endverkäufer

Die Aktualisierung muss der Unternehmer nicht selbst bereitstellen und wird es oft auch nicht können. Er darf sich eines Dritten bedienen, z.B. des Herstellers (§ 267 BGB). Hier ist die Lieferkette angesprochen; mit ihr kommen die praktischen Probleme eines Dreiecksverhältnisses auf.

Der Aktualisierungsanspruch besteht nur im Verhältnis Unternehmer - Verbraucher (B2C). Der Endverkäufer hat den Anspruch seinerseits - wegen der B2B-Konstellation - aber nicht gegenüber seinem Lieferanten. Der Aktualisierungsanspruch des Kunden besteht gegen den Verkäufer; ein Direktanspruch gegen den Dritten, z.B. den Hersteller ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Der Endverkäufer muss seine Pflichten daher in der Lieferkette weiterreichen und ist darauf angewiesen, dass diese ordnungsgemäß gegenüber seinen Kunden erfüllt werden. Der Hersteller wiederum muss Ansprüche erfüllen, die gar nicht direkt ihm gegenüber bestehen. In der Bredouille ist hier also v.a. der Endverkäufer , der die Aktualisierung nicht selbst durchführen kann: Seine Haftung gegenüber dem Verbraucherkunden ist nun gesetzlich vorgesehen, weshalb er nun ganz besonders darauf achten muss, seine Zulieferer entsprechend vertraglich zu verpflichten und sich für Pflichtverletzungen des Herstellers mit entsprechenden Regressregelungen abzusichern . Die Alternative ist ein Ausschluss der Aktualisierungspflicht.

Abdingbarkeit der Aktualisierungspflicht

Die Aktualisierungspflicht ist unter bestimmten Voraussetzungen abdingbar (§ 476 Abs. 1 BGB). Wie bei einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung gilt das folgende, wenn der Verkäufer seine Aktualisierungspflicht von vornherein - ganz oder teilweise - ausschließen will:

  • Der Verbraucher muss vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf ein Abweichen von objektiven Anforderungen hingewiesen werden und
  • Die Abweichung muss ausdrücklich und gesondert vereinbart werden.

Verjährung von Ansprüchen bei Verletzung der Aktualisierungspflicht

Ansprüche wegen einer Verletzung der Aktualisierungspflicht verjähren nach zwölf Monaten nach dem Ende des Aktualisierungspflicht-Zeitraums (§ 475e Abs. 2 BGB i.V.m. § 475b Absatz 3, 4 BGB). Das kann mit Blick auf die Dauer der Aktualisierungspflicht mehrere Jahre nach der Anschaffung des Produkts sein.