Anpassungen aufgrund der Modernisierungs-Richtlinie


Schuldrechtsreform 2022: Modernisierungsrichtlinie

BGB und EGBGB haben Änderungen aufgrund der Modernisierungs-Richtlinie erfahren. Sie betreffen v.a. die Vorschriften zum vorzeitigen Erlöschen des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern und neue Informationspflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen.

Widerrufsrecht

Verbraucher haben bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht (§ 312g BGB). Das gilt auch für Bestellungen von digitalen Produkten und Dienstleistungen, allerdings mit Besonderheiten zum Schutz der Verkäufer, v.a. weil digitale Inhalte nach Erhalt beliebig reproduzierbar sind, also auch nach der „Rückgabe“ genutzt werden könnten und schon erbrachte Dienstleistungen entwertet sind.

Händler können unter bestimmten Voraussetzungen das Widerrufsrecht frühzeitig ausschließen. Aus Händlersicht ist dieser Ausschluss wichtig, weil sie keinen Wertersatz für eine etwaige Nutzung vom Verbraucher bekommen, sofern dieser widerruft. Dafür brauchen sie schon bisher eine ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers, dass mit der Lieferung des digitalen Inhalts vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird. Zudem muss der Verbraucher bestätigen, dass er weiß, dass mit Beginn der Lieferung das Widerrufsrecht verloren geht. Mit Wirkung zum 28.5.2022 kam eine weitere – verbraucherfreundliche – Bedingung hinzu.

Die Wertersatzpflicht als Folge des Widerrufsrechts wurde nach Maßgabe der Modernisierungsrichtlinie neu geordnet.

Erlöschen des Widerrufsrechts bei digitalen Inhalten

Seit  dem 28.5.2022 gilt für den Widerrufsausschluss bei Erwerb von digitalen Inhalten (§ 356 Abs. 5 BGB):

Der Widerruf wird wirksam vorzeitig ausgeschlossen:

bei unentgeltlich zur Verfügung gestellten digitalen Inhalten, wenn (§ 356 Abs. 5 Nr. 1 BGB)

  • der Unternehmer mit der Vertragsverfüllung begonnen hat.

Bei entgeltlich zur Verfügung gestellten digitalen Inhalten, wenn (§ 356 Abs. 5 Nr. 2 BGB):

  • bei Vertragsschluss die Zustimmung des Verbrauchers eingeholt wird, dass der Unternehmer mit der Vertragsausführung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt,
  • der Verbraucher seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass hierdurch sein Widerrufsrecht erlischt und
  • nachvertraglich das Erlöschen des Widerrufsrechts auf einem dauerhaften Datenträger bestätigt wird.

Achtung: Verbindung von Erwerbsvorgang und Widerrufsausschluss

Die Information des Unternehmers und die Erklärung des Verbrauchers müssen getrennt vom Vertragsabschluss gegeben werden. Gewollt ist eine aktive Einwilligung des Verbrauchers versus "untergejubelter" Zustimmung.

Was Verkäufer aber tun dürfen, ist den Download des entgeltlichen digitalen Inhalts von der Einverständniserklärung des Verbrauchers abhängig zu machen.

Erlöschen des Widerrufsrechts bei Dienstleistungen

Seit dem 28.5.2022 erlischt das Widerrufsrecht

bei unentgeltlichen Dienstleistungen vorzeitig, wenn (§ 356 Abs. 4 Nr. 1 BGB)

  • der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat;

bei entgeltlichen Dienstleistungen vorzeitig, wenn (§ 356 Abs. 4 Nr. 2 BGB)

  • bei Vertragsschluss die Zustimmung des Verbrauchers eingeholt wurde, dass mit der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird,
  • bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag diese Zustimmung auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt wurde,
  • der Verbraucher bestätigt hat, dass er weiß, dass sein Widerrufsrecht mit vollständiger Vertragserfüllung erlischt;
  • die Dienstleistung vollständig erbracht ist.

Wertersatz

Bislang war der Wertersatz als Rechtsfolge des Widerrufs von Verbraucherverträgen in § 357 Abs. 7 bis 9 BGB geregelt. Ab 28.5.2022 ist § 357 a Abs. 1 bis 3 BGB die richtige Fundstelle hierfür.

Inhaltlich ändert sich bei Verträgen über Waren und über digitale Inhalte nichts. Bei Dienstleistungen wird der Wertersatz beschränkt auf zahlungspflichtige Verträge.

Wertersatz bei Waren

Der Verbraucher hat Wertersatz nach Widerruf eines Vertrags über Ware zu leisten (§ 357a Abs. 1 BGB), wenn

  • der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war, und
  • der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über dessen Widerrufsrecht unterrichtet hat.

Wertersatz bei Dienstleistungen

Verbraucher haben Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachten Dienstleistungen, für die der Vertrag die Zahlung eines Preises vorsieht, oder Lieferung von Wasser, Gas oder Strom zu leisten (§ 357a Abs. 2 BGB), wenn

  • der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen werden soll,
  • bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag der Verbraucher dieses Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat und
  • der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 3 EGBGB ordnungsgemäß informiert hat.

Bei der Berechnung des Wertersatzes ist der vereinbarte Gesamtpreis zugrunde zu legen. Ist der vereinbarte Gesamtpreis unverhältnismäßig hoch, so ist der Wertersatz auf der Grundlage des Marktwerts der erbrachten Leistung zu berechnen.

Wertersatz bei digitalen Inhalten

Widerruft der Verbraucher einen Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten, so hat er keinen Wertersatz zu leisten (§ 357a Abs. 3 BGB).

Informationspflichten

Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge

Die Informationen, die der Unternehmer dem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag zur Verfügung zu stellen hat, wurden in Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz EGBGB ergänzt und geändert, u.a. wie folgt:

Bei den Unternehmensangaben entfällt die Angabe der Faxnummer. Anzugeben sind die Telefonnummer, die E-Mail-Adresse sowie ggf. andere vom Unternehmer zur Verfügung gestellte Online-Kommunikationsmittel, sofern diese gewährleisten, dass der Verbraucher seine Korrespondenz mit dem Unternehmer, einschließlich deren Datum und Uhrzeit auf einem dauerhaften Datenträger speichern kann (Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EGBGB).

Die bisherigen Anforderungen an die Angabe eines Gesamtpreises einschließlich aller Steuern und Abgaben sowie der Fracht-, Liefer- oder Versandkosten bleiben bestehen. Neu ist bei personalisierten Preisen die Hinweispflicht darauf, dass der Preis auf der Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung personalisiert wurde (Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 EGBGB).

Die Hinweispflicht auf das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechts wurde auf digitale Produkte i.S.d. § 327 BGB erweitert (Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 EGBGB).

Die Informationspflicht zur Funktionsweise digitaler Inhalte einschließlich anwendbarer technischer Schutzmaßnahmen für solche Inhalte wurde erweitert auf die Funktionalität von Waren mit digitalen Elementen und digitale Produkte, einschließlich anwendbarer technischer Schutzmaßnahmen (Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 17 EGBGB).

Die bisherige Informationspflicht zur Kompatibilität und Interoperabilität digitaler Inhalte mit Hard- und Software wurde dahingehend geändert, dass jetzt über die Kompatibilität und Interoperabilität der Waren mit digitalen Elementen oder digitaler Produkte zu informieren ist (Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 17 EGBGB).

Online-Marktplätze

Für Betreiber von Online-Marktplätzen gelten seit dem  28.5.2022 neue Informationspflichten (vorübergehend in § 312k BGG geregelt und ab 1.7.2022 in § 312 l i.V.m. Art. 246d EGBGB normiert). Anbieter von Finanzdienstleistungen sind hiervon ausgenommen (§ 312 l Abs.2 BGB). Populäre, große Online-Marktplätze wie z.B. Amazon, ebay, Zalando oder Etsy, aber auch kleinere Betreiber sind durch die Neuregelung angesprochen.

Art. 246 d EGBGB enthält in § 1 sieben neue Transparenz- bzw. Informationspflichten und in § 2 formale Anforderungen an die Informationspflichten. 

Insbesondere sollen Nutzer von Online-Marktplatz-Bertreibern darüber informiert werden, wie Rankings auf dem Marktplatz zustande kommen. Transparent gemacht werden müssen die Hauptparameter zur Festlegung eines Rankings von Suchergebnissen und deren relative Gewichtung.

Verbraucher sollen so nachvollziehen können, warum ihnen bestimmte Waren, Dienstleistungen oder digitalen Inhalte in einer bestimmten Reihenfolge präsentiert werden (Art. 246 d EGBGB § 1 Nr. 1 EGBGB).

Es muss zur Unternehmer-Eigenschaft des Produktanbieters Auskunft erteilt werden. Im Fall von Nichtunternehmern muss auf die Nichtanwendbarkeit der Verbrauchervorschriften hingewiesen werden (Art. 246 d EGBGB § 1 Nr. 4, 5 EGBGB).

Weiterhin müssen Online-Marktplatz-Betreiber offenlegen, wenn es sich bei Produktanbietern auf dem Marktplatz um Unternehmen handelt, die mit dem Marktplatz verbunden sind. Auch über andere geschäftliche Verbindungen zwischen Anbieter und Marktplatz ist der Verbraucher zu informieren (Art. 246 d EGBGB § 1 Nr. 3 EGBGB).

Eine weitere spezielle Regelung betrifft den Weiterverkauf von Eintrittskarten. Wenn ein Anbieter solche Tickets weiterverkauft, muss er angeben, ob der Veranstalter einen anderen Preis für die Tickets festgelegt hat und wenn ja in welcher Höhe (Art. 246 d EGBGB § 1 Nr. 7EGBGB)..

Der Verbraucher muss die Informationen vor Abgabe seiner Vertragserklärung klar und verständlich erhalten. Der Kunde muss von der Angebotsseite aus ohne Umschweife zu den Informationen gewiesen werden (Art. 246 d EGBGB § 2 EGBGB).

Achtung: Verstöße können empfindliche Bußgelder nach sich ziehen

Ein Verstoß gegen die Informationspflichten kann Verbraucherinteressen im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen verletzen (Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 10 EGBGB). Dies stellt eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar. Das Bußgeld beträgt bis zu 50.000 Euro oder – bei umsatzstarken Unternehmen – auch mehr, bis zu maximal 4 % des Vorjahresumsatzes bzw. 2 Mio. Euro bei nicht möglicher Schätzung.