Neues Kaufrecht: Überblick

Das Jahr 2022 begann mit zahlreichen Veränderungen im deutschen Verbraucherrecht. Die Umsetzung von EU-Richtlinien, namentlich der Warenkaufrichtlinie, der Digitale Inhalte- und Dienstleistungen-Richtlinie sowie der Modernisierungs-Richtlinie, hat das deutsche Schuldrecht und hier insbesondere das Kaufrecht tiefgreifend reformiert. Zielsetzung der Reform ist die Modernisierung und Anpassung des Schuldrechts an die technologischen Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte sowie eine Harmonisierung innerhalb der EU. Der Verbraucherschutz wurde in diesem Zuge aufgewertet. 

Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

 Das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags setzt die Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG um (Warenkaufrichtlinie, WK-RL). Die WK-RL hat im Wesentlichen die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (VGK-RL) abgelöst.

Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen v. 25.6.2021 basiert auf der Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (Digitale Inhalte- und Dienstleistungen-Richtlinie, diD-RL).

Der Umsetzung der Modernisierungs-Richtlinie (Mod-RL) dient das langnamige Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union und zur Aufhebung der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 auf das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, das mit Inkrafttreten am 28.5.2022 die neuen Verbraucherschutzvorschriften im BGB v.a. in Bezug auf Widerrufsrechte und Informationspflichten ergänzt.

Zum 1.10.2021 trat bereits ein Großteil des Gesetzes für faire Verbraucherverträge in Kraft. Seit 1.3.2022 gelten nun auch die neuen Kündigungsregeln und mit Wirkung zum 1.7.2022 die Pflicht, einen Kündigungsbutton einzufügen.

Die Gesetze gehen an die Substanz des allgemeinen und kaufrechtlichen Teils des BGB und verändern sie deutlich. Die Veränderungen wirken sich unmittelbar auf Verbraucherverträge aus; B2B-Verträge sind v.a. mittelbar betroffen, wenn es um Regresse in der Lieferkette geht.


Die wichtigsten Änderungen im Überblick

Das auf der Warenkaufrichtlinie beruhende Gesetz hat das Gewährleistungsrecht maßgeblich verändert, angefangen von einer neuen Sachmangel-Definition bis zur Abänderung der Verjährung und Beweislast (§§ 434 ff. BGB).

Das Gesetz, das die diD-RL umsetzt, hat für einen ganz neuen Abschnitt im BGB gesorgt, der nun Verträge über digitale Produkte gesondert regelt (§§ 327 ff. BGB).

Das Gesetz, das sich der Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie angenommen hat, passt die unternehmerischen Informationspflichten an und erneuert das Widerrufsrecht (Art. 246 ff. EGBGB, §§ 356 ff. BGB).

Das Gesetz für faire Verbraucherverträge erleichtert Verbrauchern die Kündigung von online und langfristig abgeschlossenen Verträgen, v.a. indem er automatischen, langfristigen Verlängerungen einen Riegel vorschiebt und vorgibt, dass ein Kündigungsbutton vorhanden sein muss.

Änderung der Systematik – Dreiteilung, je nach Kaufobjekt

Das verbraucherrechtliche Kaufrecht zeigt sich in einer neuen Dreiteilung, je nach Kaufobjekt.

Man unterscheidet nach:

  • rein analogen Waren,
  • Waren mit digitalen Elementen und
  • rein digitalen Produkten.

Je nachdem, um welche Kategorie es sich handelt, wird der Weg gewiesen zu den passenden Vorschriften zur Bestimmung eines Sachmangels und dessen Folgen in Form des Gewährleistungsrechts.

  • Analoge Waren führen zu §§ 434 ff. BGB wie bisher, wenn auch inhaltlich mit Abwandlungen.
  • Für Waren mit digitalen Elementen gelten neben § 434 BGB die neuen §§ 475 b, c BGB.
  • Bei rein digitalen Produkten sind die neuen §§ 327 ff. BGB maßgeblich.

Inhaltliche Änderungen

Auch materiell-rechtlich hat sich Einiges geändert. Hervorzuheben sind:

  • die Neudefinition des Sachmangels (§ 434 BGB),
  • die Aktualisierungspflicht bei "Waren mit digitalen Elementen" (§§ 475 ff. BGB),
  • modifizierte Bedingungen für Rücktritt, Schadensersatz und Verjährung (§§ 475d, 475e BGB),
  • die Verlängerung der Beweislastumkehr (§ 477 BGB),
  • eigene Gewährleistungsregeln beim "Vertrag über digitale Produkte" (§§ 327 - 327u BGB).