Supermarkt haftet nicht für Ausrutscher auf Salatblatt
Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht von Supermarktbetreibern, von Gastwirten oder anderen Betreibern von der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtungen ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Grundsätzlich sind die Inhaber solcher Einrichtungen und Betriebe verpflichtet, Gefahren von Besuchern und Kunden weitgehend fernzuhalten. Eine Entscheidung des LG Frankenthal zeigt im Fall einer auf einem Salatblatt im Supermarkt gestürzten Kundin die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht und der daraus folgenden Haftungsansprüche auf.
Brustwirbelbruch nach Ausrutscher auf einem Salatblatt
Das LG Frankenthal hat eine auf Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gestützte Schmerzensgeldklage der Kundin eines Supermarkts gegen die Betreiberin des Supermarktes abgewiesen. Die Kundin hatte behauptet, auf einem im Supermarkt herumliegenden Salatblatt ausgerutscht und gestürzt zu sein. Hierbei hatte sie sich einen Brustwirbel gebrochen. Sie forderte von der Betreiberin des Supermarktes ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR. Der Geschäftsführer habe den Zustand des Bodens im Supermarkt nicht hinreichend kontrollieren lassen, sonst wäre das herumliegende Salatblatt als Gefahrenquelle entdeckt und entfernt worden.
Regelmäßige Reinigung und Kontrolle des Verkaufsraums
Die Beklagte wandte ein, der Fußboden werde jeden Morgen maschinell gereinigt. Die Mitarbeiter seien angewiesen, die Sauberkeit während der Geschäftszeit in Abständen von 30 Minuten zu kontrollieren, Verschmutzungen und am Boden liegende Gegenstände sofort zu entfernen und entdeckte Gefahrenquellen gegebenenfalls sofort der Leitung des Supermarktes zu melden.
Kunden müssen vor Gefahren geschützt werden
Das LG stellte in seiner Entscheidung klar, dass die Verkehrssicherungspflicht einen Supermarktbetreiber verpflichtet, sämtliche zumutbaren und erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Kunden einen sicheren Einkauf zu ermöglichen und diese vor Gefahren zu schützen. Dazu gehöre eine regelmäßige Reinigung und regelmäßige Kontrolle der Verkaufsräume ebenso wie die sofortige Beseitigung erkannter Gefahrenquellen. Könnten Gefahren nicht sofort beseitigt werden, so sei eine für den Kunden gut erkennbare Kennzeichnung erforderlich.
Grenzen der Verkehrssicherungspflicht
Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht hat nach der Entscheidung des LG aber auch Grenzen. Die Verkehrssicherungspflicht gehe nicht so weit, dass jede denkbare Schädigung ausgeschlossen werden müsse. Eine absolute Sicherheit sei in der Praxis nicht zu erreichen. Die Verkehrssicherungspflicht umfasse daher nur die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um Schäden von anderen abzuwenden (BGH, Urteil v. 22.1.2008, VI ZR 126/07).
Regelmäßige Reinigung und Kontrollen reichen aus
Unter Anwendung dieser Maßstäbe kam das LG zu dem Ergebnis, dass eine allmorgendliche Reinigung des Verkaufsraums sowie im Abstand von 30 Minuten durchgeführte Kontrollen ausreichen, um die im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht erforderliche Sicherheit für die Kunden eines Supermarktes zu erreichen. Eine ständige Kontrolle, bei der jedes heruntergefallene Salatblatt sofort entdeckt wird, sei wirtschaftlich nicht zumutbar, denn dann müsste jedem Kunden ein Mitarbeiter hinterhergehen und einschreiten, wenn dem Kunden etwas herunterfällt.
Vollständige Sicherheit gibt es nicht
Die Kammer stellte klar, dass die durch das Verhalten eines anderen Kunden kurzzeitig entstehende Gefahr eines heruntergefallenen Salatblattes vom Betreiber des Supermarkts nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Eine Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB lehnte das Gericht im konkreten Fall ab, da diese innerhalb der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht das Erforderliche und Zumutbare getan habe, um Gefahren von ihren Kunden abzuwehren. Die aus § 823 BGB abgeleitete Verkehrssicherungspflicht sei nur bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Verhalten des Verkehrssicherungspflichtigen verletzt. Beides sei im konkreten Fall nicht gegeben.
Schmerzensgeldklage abgewiesen
Die Klage der Kundin auf Schmerzensgeld hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
(LG Frankenthal, Urteil v. 16.9.2025, 1 O 21/24)
Hintergrund:
Das LG Frankenthal hat sich bereits mehrfach mit dem Umfang und den Grenzen der Verkehrssicherungspflicht befasst. Auch in den vergangenen Urteilen hat das Gericht die Grenzen der Verkehrssicherungspflichten betont.
Treppenstufe auf dem Weg zur Toilette als „Stolperfalle“
So hatte das LG die Schmerzensgeldklage der Besucherin eines Restaurants abgewiesen, die auf dem Weg zur Toilette eine nach ihrer Auffassung nicht hinreichend gekennzeichnete Stufe übersehen und sich bei einem Sturz erhebliche Verletzungen zugezogen hatte. Das LG sah die Kennzeichnung der Stufe mit roten Klebestreifen als ausreichend an. Die besondere Verkehrssicherungspflicht der Gastwirte befreie Gäste nicht davon, ihrerseits ein Mindestmaß an eigener Vorsicht walten zu lassen (LG Frankenthal, Urteil v. 7.5.2024, 7 O 264/23).
Auch der geschützte Personenkreis muss achtsam sein
Auch andere Gerichte stellen in Entscheidungen zur Verkehrssicherungspflicht auch Anforderungen an die Aufmerksamkeit des durch die Verkehrssicherungspflicht geschützten Personenkreises. Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt darf ein Gastwirt darauf vertrauen, dass sich die Gäste auf die erkennbaren Bedingungen einer Örtlichkeit wie an die bei Natursteinen auf der Gaststättenterrasse üblichen Unebenheiten einstellen. Das Gericht hat die Schmerzensgeldklage einer Besucherin nach einem auf einer solchen Unebenheit erfolgten Sturz abgewiesen (OLG Frankfurt, Beschluss v. 18.7.2023, 11 U 33/23).
Erhöhte Verkehrssicherungspflichten bei speziellen Nutzungsarten
Spezifische Nutzungsarten einer Gaststätte können den Gastwirt zu besonderen Vorsichtsmaßnahmen verpflichten. So ist der Betreiber einer Disco gehalten, die Tanzfläche einer ständigen Kontrolle zu unterziehen und darauf zu achten, dass dort keine Flüssigkeiten zum Sturz von Tanzenden führen können. Nach dem Sturz einer Discobesucherin wegen eines verschütteten Getränks auf der Tanzfläche hat das OLG Karlsruhe die Betreiberin einer Diskothek wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu 37.000 EUR Schadenersatz und Schmerzensgeld verurteilt (OLG Karlsruhe, Urteil v. 16.3.2022, 7 U 125/21; ähnlich: OLG Hamm, Urteil v. 5.4.2016, 9 U 77/15).
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