Kein Auskunftsanspruch gegen E-Mail-Hosting-Dienst
Bewertungsplattformen im Netz spielen für die geschäftliche Entwicklung von Unternehmen, von Arztpraxen und auch von Rechtsanwaltskanzleien inzwischen eine wichtige Rolle. Eine negative Bewertung kann wichtige Geschäftskontakte kosten. Im Fall einer unbegründeten Negativbewertung kann dem Bewerteten ein Anspruch auf Auskunft über die Identität des Bewerters gegen das Bewertungsportal zustehen.
Bewertungsportale kennen nicht immer die Identität des Bewerters
Häufig erfolgen Bewertungen in Online-Portalen unter in Wirklichkeit nicht existenten Fantasienamen. Das Bewertungsportal verfügt dann lediglich über die E-Mail-Adresse des Absenders der Bewertung. In diesen Fällen hat der Bewertete nach einer Entscheidung des OLG München Pech gehabt. Ein Anspruch auf Auskunft personenbezogener Daten gegen den E-Mail-Hosting-Dienst besteht nicht.
Bewertungsplattform konnte nur E-Mail-Adresse des Bewerters nennen
Ein Unternehmen der Automobilbranche wollte gegen mehrere negative, nach seiner Auffassung nicht gerechtfertigte Bewertungen auf einem Onlineportal durch ehemalige Arbeitnehmer vorgehen. Das seitens des bewerteten Unternehmens angerufene LG hat die Betreiberin der Bewertungsplattform zur Erteilung der Auskünfte über die Identität der Bewerter verurteilt. Die hierauf erteilten Auskünfte waren allerdings nicht wirklich zielführend. Die Betreiberin der Bewertungsplattform konnte lediglich 2 E-Mail-Adressen angeben.
Antragstellerin forderte Auskunft vom E-Mail-Hosting-Dienst
Daraufhin wandte sich die Antragstellerin an den E-Mail-Hosting-Dienst, bei dem die E-Mail-Adressen hinterlegt waren und forderte diesen zur Mitteilung der dahinter stehenden Namen, der Anschriften sowie der Geburtsdaten der betreffenden Personen auf. Wiederum hatte das Unternehmen mit dem Auskunftsantrag beim LG weitgehend Erfolg. Lediglich zur Herausgabe der Geburtsdaten verpflichtete das LG den E-Mail-Hosting-Dienst nicht.
Auskunftsanspruch gegen Anbieter digitaler Dienste
Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hatte beim OLG Erfolg. Das LG hatte nach Auffassung des Beschwerdegerichts den Anträgen der Antragstellerin zu Unrecht weitgehend entsprochen. Das LG hatte in seiner Entscheidung maßgeblich auf die Vorschrift des § 21 Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDG) abgestellt. Nach § 21 Abs. 2 TDDDG ist ein Anbieter von digitalen Diensten gegenüber dem Verletzten zur Auskunft verpflichtet und darf im Einzelfall Auskunft über die bei ihm vorhandenen Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung - in der Vorschrift enumerativ aufgeführter - absolut geschützter Rechte erforderlich ist.
E-Mail-Hosting-Dienste fallen nicht unter das TDDDG
Das LG hätte § 21 TDDDG nach Auffassung des OLG im konkreten Fall nicht anwenden dürfen. Die Vorschrift betreffe nur die Anbieter digitaler Dienste. Die Antragsgegnerin biete als E-Mail-Hosting-Dienst aber keine digitalen Dienste im Sinne des TDDDG an.
Keine digitalen Dienste im Sinne des §21 TDDDG
Der Begriff digitaler Dienst ist in § 1 Abs. 4 Nr. 1 des Gesetzes über digitale Dienste (DDG) legal definiert. Der dort verwandte Begriff der elektronisch erbrachten Dienstleistung ist weit gefasst. Nach Auffassung des OLG folgt jedoch aus der EU-Richtlinie über Telekommunikationsdienste, dass interpersonelle Kommunikationsdienste elektronische Kommunikationsdienste im Sinne der EU-Richtlinie sind. Als Betreiberin Ihres E-Mail-Programms biete die Antragsgegnerin einen auf interaktiven Informationsaustausch ausgerichteten Dienst an und sei damit nicht als Anbieter eines digitalen Dienstes im Sinne des § 21 TDDDG zu qualifizieren.
Gesetzessystematik spricht für enge Auslegung
Diese Auslegung folgt nach Auffassung des OLG auch aus der Systematik des Gesetzes. Das TDDDG enthalte besondere Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bei der Nutzung von Telekommunikationsdiensten einerseits und digitalen Diensten andererseits. Der in § 1 TDDDG geregelte Anwendungsbereich des Gesetzes beziehe sich ausschließlich auf digitale Dienste im engeren Sinne und nicht auf Telekommunikationsdienste. Die gesamte Struktur des TDDDG bilde diese Unterscheidung ab. Nach der Systematik des TDDDG scheide eine Anwendung des § 21 TDDDG auf E-Mail-Hosting-Dienste deshalb aus.
Schutzzweck des TDDDG umfasst keine Kettenauskünfte
Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Dienste des E-Mail-Hosting-Dienstes nicht zur Begehung der behaupteten Rechtsverletzungen genutzt worden seien. Die Beschwerdeführerin begehre letztlich eine Kettenauskunft bis zum letzten Anbieter in der Kette, bei der die Bestandsdaten der Person gespeichert sind, die wegen der begangenen Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden soll. Würde man solche Auskunftsbegehren in den Anwendungsbereich des § 21 TDDDG einbeziehen, so würde der Kreis auskunftspflichtiger Diensteanbieter über den Schutzbereich des Gesetzes hinaus in unzulässiger Weise erweitert.
Schutzlücke kann nur der Gesetzgeber schließen
Das OLG verkannte nicht, dass diese differenzierende Auslegung zu einer Schutzlücke führt, die den Verletzten am Ende schutzlos lässt. Diese Schutzlücke könne aber nur der Gesetzgeber schließen. Der Gesetzgeber habe die Lücke bereits erkannt und plane, die Rechte Betroffener bei der Rechtsverfolgung auch gegen E-Mail-Hosting-Dienste zu stärken. Diese Bemühungen des Gesetzgebers zeigen nach Auffassung des Senats, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass nach der derzeitigen Rechtslage ein wirksamer Schutz Betroffener gegenüber E-Mail-Hosting-Diensten fehlt.
E-Mail-Hosting-Dienst ist nicht zur Auskunft verpflichtet
Im Ergebnis hatte damit die Rechtsbeschwerde des E-Mail-Hosting-Dienste-Anbieters Erfolg. Er ist nicht zur Auskunft verpflichtet.
(OLG München, Beschluss v. 26.8.2025, 18 W 677/25 Pre e)
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