Neues Kaufrecht und mehr Verbraucherschutz bei digitalen Käufen

Eine Reform des Schuld- und Kaufrechts bringt für 2022 einen neuen Vertragstypus für Digitalgeräte und passt das Gewährleistungsrecht an die fortschreitende Digitalisierung an. Zugleich werden "stille" Vertragsverlängerungen erschwert, Verbraucher-Kündigungen einfacher und Informationspflichten von Online-Marktplätzen ausgebaut.

Änderungen im Kaufrecht

Künftig ist bei Verbraucherkaufverträgen zu unterscheiden zwischen dem

  • Kaufvertrag über (analoge) Waren,
  • dem Kaufvertrag über Waren mit digitalen Elementen sowie
  • dem Kaufvertrag über digitale Produkte.

Eine neue Vertragsart wird gemäß § 327 ff BGB n.F. als Verbrauchervertrag über digitale Produkte ins BGB Einzug halten. Die neue Vertragsart betrifft den größten Wachstumsmarkt der letzten Jahre, nämlich Verträge über Datenbanken, Smartphones, Smart-TVs, Cloud-Services, Plattform-Angebote, Social-Media, Werbeanwendungen, E-Books, digitale Fernsehdienste, interpersonelle Kommunikationsdienste (E-Mail, Messenger Dienste), Datenträger wie DVDs, CDs, USB Sticks, Speicherkarten sowie die Bereitstellung elektronischer Dateien im Rahmen von 3D-Drucken von Waren.

Wichtig: Telekommunikation und Online-Finanzdienstleistungen fallen nicht unter den neuen Vertragstyp.

The man works at home and uses a smart phone and a notebook computer. Silhouette of a busy man. One

Neu im Gewährleistungsrecht: Der digitale Mangel

Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungengilt ab 1.1.2022. Das Gesetz regelt u.a. die Verpflichtung der Anbieter zu Software-Aktualisierungen und Sicherheitsupdates, um eine dauerhafte Nutzbarkeit der Inhalte zu gewährleisten. Bei Dauerverträgen gilt die Aktualisierungspflicht für die gesamte Vertragslaufzeit, ansonsten für einen Zeitraum, den Verbraucher vernünftigerweise erwarten können, § 475 b Abs. 4 Nr. 2 BGB n.F.. Verletzungen dieser Pflicht begründen einen digitalen Mangel.

Zwei Jahre Anspruch auf Updates

Für Verbraucher kann die Durchsetzung ihres Anspruchs auf Updates im Einzelfall äußerst schwierig werden, denn oft sind Verkäufer und Hersteller verschieden. In der Regel kann aber nur der Hersteller die Aktualisierung durch Updates gewährleisten. Individuelle Vertragsvereinbarungen über die Dauer der Aktualisierungspflicht sind zulässig, der Verbraucher muss jedoch ausdrücklich und gesondert zustimmen. Gemäß § 475c Abs. 3 BGB beträgt der Mindestzeitraum für die Bereitstellung von Updates zwei Jahre ab Gefahrübergang.

Neuer Sachmangel-Begriff

Eine wichtige Neuerung betrifft den Sachmängel-Begriff. Mangelhaft ist eine Sache künftig gemäß nur noch, wenn

  • sie der vereinbarten, also der nach dem Vertrag vorausgesetzten subjektiven Beschaffenheit, § 434 Abs. 2 BGB n.F.
  • und kumulativ den nach objektiven Maßstäben zu beurteilen branchenüblichen Beschaffenheitsanforderungen, § 434 Abs. 3 BGB n.F., nicht entspricht.

Auch eine vertragsgerechte Sache kann künftig mangelhaft sein

Zukünftig kann eine Sache - anders als bisher - also auch dann mangelhaft sein, wenn sie die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit besitzt aber nicht den objektiven Beschaffenheitsanforderungen entspricht. Objektiv frei von Sachmängeln ist die verkaufte Ware nur, wenn sie den allgemein erwarteten Standard an die Qualität der Ware erfüllt. Ob und unter welchen Voraussetzungen in diesem Zusammenhang negative Beschaffenheitsvereinbarungen zulässig sind, wird die Rechtsprechung noch zu klären haben.

Bisher waren gemäß § 442 BGB Gewährleistungsansprüche des Käufers ausgeschlossen, wenn dieser bei Vertragsschluss den Mangel kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Diese Vorschrift gilt in Zukunft gemäß § 475 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F. für den Verbrauchsgüterverkauf nicht mehr, da es nicht mehr allein auf die subjektive Eignung sondern auch auf die objektive Eignung des gekauften Produkts ankommt. Weist künftig ein gekauftes Produkt beispielsweise Gebrauchsspuren auf, die der Kunde kennt, so muss er dieser Abweichung von der objektiv erforderlichen Beschaffenheit ausdrücklich individuell zustimmen, ansonsten kann er trotz Kenntnis vom Mangel Gewährleistungsansprüche geltend machen.

Kaufvertrag über digitale Produkte

Sind in einem Kaufvertrag über digitale Produkte (z.B. Streamingdienste) mit einer analogen Ware (Fernseher) verbunden, so können die rechtlichen Folgen bei Sachmängeln sich nach unterschiedlichen Vorschriften richten, je nachdem ob die analoge Sache (Fernseher), die Sache mit digitalen Elementen (Smartphone) oder der digitale Dienst von dem Mangel betroffen ist. Betrifft der Mangel beispielsweise einen Kühlschrank mit Smarthome-Funktion (der Kühlschrank kühlt auch bei Ausfall der Smarthome-Funktion) finden auf den Kühlschrank als solchen die kaufrechtlichen Vorschriften über (analoge) Waren gemäß § 434 BGB n.F. Anwendung, auf die Mangelhaftigkeit der Smarthome-Funktion die Vorschriften über digitale Produkte gemäß §§ 327 ff BGB.

Verbraucherfreundlichere Fristenregelungen

Die Anforderungen an die Pflicht des Verbrauchers bei Geltendmachung von Gewährleistungsrechten eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen, wird deutlich erleichtert. Gemäß § 475d Abs. 1 Nr.1 BGB n.F. setzt bereits die Mitteilung des Mangels durch den Verbraucher an den Käufer automatisch eine angemessene Frist zur Nacherfüllung in Gang, so dass es eines ausdrücklichen Nacherfüllungsverlangens nicht mehr bedarf.

Kalenderblätter - Wochentage und Monate wild durcheinander

Geänderter Verjährungsbeginn

Auch die Verjährungsfristen ändern sich zugunsten des Verbrauchers. Gewährleistungsansprüche verjähren bei Sachen mit digitalen Elementen gemäß § 475e Abs. 3 BGB n.F. erst 2 Monate nach dem erstmaligen Auftreten eines Mangels, so dass beim Auftreten eines Mangels am letzten Tag der Verjährungsfrist sich die Gewährleistungsfrist entsprechend verlängert. Abweichende Vereinbarungen zu Ungunsten des Verbrauchers sind unzulässig. Hilft der Verkäufer einem Mangel durch Nachbesserung ab, so tritt der Ablauf der Verjährungsfrist grundsätzlich erst zwei Monate nach Übergabe der nachgebesserten Sache an den Verbraucher ein.

Verlängerte Beweislastumkehr für Kaufsachemangel

Mit dem 1.1.2022 wird die bisher für einen Zeitraum von sechs Monaten geltende Beweislastumkehr bei Mängeln der Kaufsache auf zwölf Monate verlängert, § 477 BGB n.F.. Damit wird bei nach einem Kauf auftretenden Mängeln der Kaufsache für den Zeitraum von einem Jahr vermutet, dass es sich um einen bereits zum Zeitpunkt des Kaufs vorliegenden Sachmangel handelt, der berechtigte Gewährleistungsrechte auslöst.

Verschärfte Anforderungen an Garantien

Garantieversprechen müssen künftig einfach und verständlich gefasst sein, § 479 BGB n.F.. Sie müssen

  • einen Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers bei Mängeln (Gewährleistungsrechte) enthalten,
  • den Hinweis, dass die Gewährleistungsrechte durch die Garantie nicht geschmälert werden,
  • Name und Anschrift des Garantiegebers sowie
  • eine verständliche Erklärung des Verfahrens für die Geltendmachung der Garantie.

Neuregelung gilt für ab 1. Januar geschlossene Verträge

Für Altverträge, die bis zum 31.12.2021 abgeschlossen werden, gilt noch das alte Recht. Die neuen Regelungen gelten für Verträge, die ab dem 1.1.2022 abgeschlossen werden. Das neue Recht gilt jedoch (mit wenigen Ausnahmen) für Verbraucherverträge über die Bereitstellung digitaler Produkte, die vor dem 1.1.2022 geschlossen wurden, wenn die Bereitstellung des digitalen Produkts erst ab dem 1.1.2022 erfolgt.

Anbieter müssen ihre AGB anpassen

Unternehmern und insbesondere auch Onlineshops ist zu raten, die von ihnen verwendeten AGB rechtzeitig an die neuen Regelungen anzupassen. Für Onlineanbieter bieten sich für zulässige Individualabweichungen von den neuen Regelungen Klicklösungen an. Verkäufer müssen besonders darauf achten, eine Harmonisierung ihrer neuen Pflichten mit ihren Lieferantenverträgen herzustellen, insbesondere was die Verpflichtung zur Bereitstellung von Updates angeht. Im Hinblick auf die Komplexität der neuen Regelungen ist auch ein Gewährleistungsmanagement sinnvoll.

Neue Transparenzpflichten für Online-Marktplätze

Ab 28.5.2022 tritt für Online-Marktplätze (Amazon, eBay oder Vergleichsportale) eine erweiterte Informationspflicht zu den angebotenen Waren und Dienstleistungen in Kraft. Die Betreiber müssen

  • die Verbraucher über die Gewichtung für das Ranking von Suchergebnissen zu Produkten informieren.
  • Die Informationspflicht betrifft auch die zentralen Parameter für mögliche Kaufentscheidungen wie etwa das Datum der Einstellung des Angebots,
  • die Bewertung des Produkts bzw. des Anbieters sowie
  • Provisionen und Entgelte.
  • Der Kunde ist auch darüber aufzuklären, welche Vorkehrungen das Unternehmen zur Überprüfung der Echtheit von Bewertungen getroffen hat.

Die Pflichten gelten unabhängig davon, ob die Bestellung als solche über das Internet, per E-Mail oder per Telefon erfolgt. Bei Verstößen sind Bußgelder bis zu 50.000 Euro oder bis zu 4 % des Jahresumsatzes möglich.

Neue einmonatige Kündigungsfrist für Verbraucherverträge

Für Verbraucherverträge mit automatischer Verlängerungsklausel, die ab dem 1.3.2022 geschlossen werden, gilt eine verkürzte Kündigungsfrist. Statt der bisher in den AGB solcher Verträge üblichen mehrmonatigen Kündigungsfrist, gilt künftig eine Kündigungsfrist von einem Monat. Verpasst der Verbraucher die Kündigungsfrist, so verlängert sich der Vertrag automatisch nur noch auf unbestimmte Zeit. Das bedeutet in der Praxis für Verbraucher ab dem Verlängerungszeitpunkt eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit mit einer Kündigungsfrist von einem Monat.

Kündigung durch einfachen Klick

Bei laufzeitgebundenen Onlineverträgen gilt ab 1.7.2022: Bereits auf der Homepage muss ein Kündigungsbutton platziert sein, der dem Verbraucher die Kündigung des Vertrages durch einfachen Klick ermöglicht.

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Schlagworte zum Thema:  Kaufvertrag, Gewährleistungsrecht