BGH: Leistungsstörungen beim Forderungsverkauf (Factoring)

BGH entscheidet Streitfrage beim Factoring: Der Verkauf einer nicht existenten Forderung gehört nicht ins Gewährleistungsrecht, sondern ist ein Fall der Nichterfüllung. Hieraus resultierende Ansprüche verjähren regelmäßig in 3 Jahren.

In einer kürzlich veröffentlichten Grundsatzentscheidung hat der BGH geurteilt, dass beim Verkauf nicht existenter Forderungen ein vom allgemeinen Leistungsstörungsrecht geregelter Fall der Nichterfüllung gemäß § 275 Abs. 1 BGB gegeben ist, auf den weder direkt noch analog die kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln und damit auch nicht die besonderen kaufrechtlichen Verjährungsregeln angewendet werden können.

Factoringvertrag zwischen Abrechnungszentrum und Zahnarzt

Im konkreten Fall hatte das klagende Abrechnungszentrum von dem beklagten Zahnarzt im Rahmen eines echten Factorings diverse Forderungen aus zahnärztlicher Behandlung gegenüber Patienten angekauft. Die Auszahlung des Kaufpreises sollte nach der getroffenen Abrechnungsvereinbarung unabhängig von der Zahlung durch den jeweiligen Patienten erfolgen. Soweit Forderungen ganz oder teilweise keinen Bestand hatten oder dauerhaft einredebehaftet waren, sollte die Klägerin zum Rücktritt berechtigt sein. Hieraus resultierende Rückforderungen sollten periodisch verrechnet werden.

Rücktritt vom Forderungsankauf in 17 Fällen

Nach diversen erfolglosen Vergütungsprozessen gegen Patienten des beklagten Zahnarztes erklärte das Abrechnungszentrum in 17 Fällen den Rücktritt vom jeweiligen Kaufvertrag und forderte vom Zahnarzt die Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises sowie Ersatz angefallener Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von insgesamt etwas über 150.000 EUR. Dieser erhob unter anderem die Einrede der Verjährung, da zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung und der Erhebung der Klage gegen ihn die jeweilige Forderungsabtretung mehr als 3 Jahre zurückgelegen habe.

Klage zunächst weitgehend erfolgreich

Die hierauf eingereichte Klage des Abrechnungszeitraums hatte erst- und zweitinstanzlich weitgehend Erfolg. In ihren Entscheidungen hatten die Instanzgerichte auf die Klageforderung einheitlich kaufrechtliches Gewährleistungsrecht sowie die dafür geltenden Verjährungsregelungen angewandt.

Nichtexistente und mangelhafte Forderungen sind streng zu unterscheiden

Mit der pauschalen Anwendung kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts auf die geltend gemachte Klageforderung war der BGH nicht einverstanden. Nach Auffassung des BGH hatten die Vorinstanzen verkannt, dass sich die Rechtsfolgen ein und derselben Leistungsstörung nach der im konkreten Fall gegebenen Art der Leistungsstörung und der dafür geltenden rechtlichen Regeln richten. Nach dem Diktum des BGH ist streng zu unterscheiden zwischen den Fällen des Nichtbestehens und den Fällen der Mangelhaftigkeit der jeweils verkauften Forderung.

Nichtexistenz der Forderung ist Fall der Unmöglichkeit

Der BGH stellte klar: Existiert eine als bestehend verkaufte Forderungen nicht oder nicht mehr, so kann der Käufer sie durch Abtretung gemäß § 398 BGB nicht übertragen. Er kann seine Pflicht zur Verschaffung der verkauften Forderung nicht erfüllen. Damit sei ein Fall der Unmöglichkeit gegeben, sodass der Verkäufer von seiner Leistungspflicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB frei werde.

Ansprüche aus Nichterfüllung verjähren in 3 Jahren

Für Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Nichterfüllung wegen des Verkaufs nicht existierender Forderungen sowie für sämtliche damit in Zusammenhang stehende Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche gilt nach dem Diktum des BGH einheitlich die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren gemäß § 195 BGB. Deren Beginn hänge gemäß § 199 Abs. 1 BGB vom Eintritt der dort bestimmten objektiven und subjektiven Voraussetzungen ab.

30-jährige Verjährungsfrist auch nicht analog anwendbar

Darüber hinaus bemängelte der BGH, dass die Vorinstanz die Vorschrift des § 438 Abs. 1 Nr. 1a BGB analog auf die Ansprüche der Klägerin angewandt hatte. Nach dieser Vorschrift verjähren Gewährleistungsansprüche in 30 Jahren, wenn ein Dritter aufgrund eines dinglichen Rechts die Herausgabe der Kaufsache verlangen kann. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift kommt nach Auffassung des BGH nicht in Betracht, da im konkreten Fall schon deswegen keine der Vorschrift des § 438 Abs. 1 Nr. 1a BGB vergleichbare Interessenlage vorliege, da der Factor, also die Käuferin der Forderung, sich hier keinem Herausgabeanspruch eines Dritten stellen müsse.

Für mangelhafte Forderungen gilt Gewährleistungsrecht

Von diesen Fällen streng zu unterscheiden sind nach dem Urteil des BGH die Fälle, in denen die verkaufte Forderung zwar besteht, aber mit Mängeln (z. B. Einreden) behaftet ist. Hier liege kein Fall der Nichterfüllung, sondern ein Fall der Schlechtleistung vor, da der Käufer dem Verkäufer das verkaufte Recht nicht frei von Rechtsmängeln verschafft habe (BGH, Urteil v. 26.9.2018, VIII ZR 187/17). In diesem Fall sei kaufrechtliches Gewährleistungsrecht anzuwenden und damit auch die im Kaufrecht geltenden Verjährungsregeln. Maßgeblich sei in diesen Fällen die in § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB geregelte Verjährungsfrist von 2 Jahren.

Berufungsurteil beruht auf Rechtsfehlern

Da das Berufungsgericht auf sämtliche Ansprüche einheitlich die Regeln des Gewährleistungsrechts angewandt hatte, konnte dessen Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat wollte zwar nicht ausschließen, dass auch bei korrekter Rechtsanwendung das Urteil der Vorinstanz im Ergebnis zu halten sein könnte, der BGH hielt den Rechtsstreit aber noch nicht für entscheidungsreif.

Trotz kurzer Verjährung Ansprüche möglicherweise noch durchsetzbar

Der Senat sah Anhaltspunkte dafür, dass die Verjährung der von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsansprüche gegen den Beklagten bis zum Abschluss der erfolglosen Vergütungsprozesse gegen die Patienten durchgehend gehemmt war und damit die Rücktrittserklärung sowie die Klageerhebung unter Berücksichtigung der Verjährungsfristen noch rechtzeitig gewesen sein könnten. Auch sei die von den Parteien getroffene Abrechnungsabrede möglicherweise so auszulegen, dass Ansprüche der Klägerin aus Rückabwicklung gegen den Beklagten erst nach rechtskräftigem Abschluss der Gerichtsverfahren gegen Patienten einem internen Ausgleich zugeführt werden sollten und damit jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nicht hätten verjähren können.

Vorinstanz muss erneut entscheiden

Nach Auffassung des BGH hatte die Vorinstanz diese rechtlichen Erwägungen und damit die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bisher nicht genügend in den Blick genommen, so dass der Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären sei. Der Senat hat daher die Sache zur abschließenden Behandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

(BGH, Urteil v. 18.10.2023, VIII ZR 307/20)