Vom OVG gekippte Kita-Gebühren der Stadt Rathenow

Das OVG hat die Kita-Gebührensatzung der Stadt Rathenow für die letzten 3 Jahre für unwirksam erklärt, weil das Kommunalabgabengesetz keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage war. Das Urteil könnte auch bei andere Kita-Gebührensatzungen zutreffen. Wie können Gemeinden auf ihre Fehler reagieren, welche Ansprüche haben Eltern? Wie ist ein Antrag auf Überprüfung zu formulieren?

Die Stadt Rathenow im Havelland hatte für ihre Kitas am 18.04.2012 eine Gebührensatzung beschlossen, die sich ausdrücklich auf das KAG (Kommunalabgabengesetz) als Ermächtigungsgrundlage stützte. Vor drei Jahren erließ die Stadt dann zum 1. Januar 2015 einen in Rathenow höchst umstrittenen Beschluss, wonach die Kita-Gebühren um 21,5 % erhöht wurden. Im Oktober stellte das OVG Berlin-Brandenburg fest, dass diese Satzung unwirksam war.

Wie reagiert die Gemeinde auf das Kita-Urteil, gibt es Rückzahlungen?

Die Stadt Rathenow erlässt eine neue Kita-Satzung rückwirkend zum 1. Januar 2015, die nicht mehr auf gesetzlichen Grundlage des Kommunalabgabengesetzes beruht, sondern auf der Kita-Betriebskostennachweisverordnung. Die Kalkulation habe allerdings ergeben, so der stellvertretende Bürgermeister Hans-Jürgen Lemle, dass sogar noch höhere Elternbeiträge möglich wären. Die Verwaltung werde sich aber an ihre Zusage halten, dass die Elternbeiträge nicht steigen.

Was wird mit den anderen Eltern?

Das ändert aber nichts daran, dass 3 Jahre lang Gebühren ohne wirksame Rechtsgrundlage eingezogen wurden. Fraglich ist, ob wegen der Unwirksamkeit der Satzung auch anderen Eltern von der Stadt ihre Elternbeiträge erstattet werden. Neben der erfolgreichen Klägerin haben ca. 30 weitere Familien einen Antrag auf die komplette Rückerstattung ihrer Kita-Beiträge gestellt.

Rückzahlung der kalkulatorischen Zinsen?

Daniel Golze, der Fraktionsvorsitzender der Linken, und der Rathenower Kita-Hort-Beirat fordern eine Teilerstattung der Kita-Gebühren. Es  sollen rückwirkend die vom OVG bemängelten kalkulatorischen Zinsen heraus gerechnet werden, um die zu viel gezahlten Beiträge zu ermitteln. Die Eltern sollten nach dieser Forderung Rückzahlung des Differenzbetrages erhalten.

Alle Beiträge für 3 Jahre zurück?

Wenig Verständnis zeigt Lemle für die laut gewordenen Forderungen, alle Eltern sollen Ihre Beiträge zurückfordern.  Im schlimmsten Fall müsse die Stadt für 2015, 2016 und 2017 den Eltern insgesamt 3,5 Millionen Euro erstatten, hab er ausrechnen lassen.

Das würde die Stadt für Jahre lahmlegen und umfangreich geplanten Sanierungsmaßnahmen in Kitas und Schulen verhindern. Die Stadt habe schließlichfür die Eltern eine Dienstleistung erbracht. Der Kita- und Hortbeirat der Stadt geht davon aus, trotz unwirksamer Gebührensatzung würden alle Bescheide, denen nicht widersprochen wurde, Gültigkeit behalten. Es könne allerdings jeder Gebührenzahler einen Überprüfungsantrag zu stellen.

Rechtsanwälte sehen den Sachverhalt etwas anders und werben mit Überprüfung.

Der Kita-Elternbeirat Oberhavel hat ein Formular online gestellt, mit dem Eltern in den fraglichen Kommunen ihre Gebührenbescheide nach 3 44 SGB X überprüfen lassen können.


Neben Rathenow verweisen bzw. verwiesen u. A. bei folgenden Kommunen und Gemeinden, die Satzungen auf das KAG: Neuenhagen, Rangsdorf,

Zossen, Schönefeld, Nauen, Neuruppin (nicht abschließend).

Mutter beanstandete Kita-Gebühren

Auf den ganzen Sachverhalt stieß eine von der Erhöhung und dem dazu ergangenen Beitragsbescheid entnervte Mutter, die geklagt hatte. Mit ihrer Klage beabsichtigte sie eine Komplettüberprüfung der Berechnungsgrundlagen und insbesondere eine Revision der nach ihrer Auffassung viel zu hoch veranschlagten Verwaltungskosten.


Kita-Gebühren: Einbeziehung kalkulatorischer Zinsen war unzulässig

Das OVG hatte der gegen die Gebühren klagenden Mutter Recht gegeben. Die Begründung des Urteils ist ebenso knapp wie für andere Kommunen - zumindest in Brandenburg - gefährlich.

  • Das OVG beanstandete die Einbeziehung kalkulatorischer Zinsen in die Elternbeiträge als Sachkosten gemäß § 15 des brandenburgischen KitaG.
  • Die Einbeziehung kalkulatorischer Zinsen wäre nach  Auffassung des Gerichts nur zulässig, wenn diese in § 2 Abs. 1 KitaBKNV ausdrücklich aufgeführt würden.
  • Dies sei aber nicht der Fall.

Das Kommunalabgabengesetz war keine geeignete Ermächtigungsgrundlage

Entgegen der Auffassung der Gemeinde ist eine Berücksichtigung kalkulatorischer Zinsen nach dem Diktum der Verwaltungsrichter auch nicht im Rahmen von § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG zulässig.

  • Elternbeiträge seien nämlich keine Benutzungsgebühren im Sinne dieser Vorschrift,
  • vielmehr handle sich um sozialrechtliche Abgaben eigener Art,
  • die durch das KitaG und die KitaBKNV abschließend geregelt seien.
  • Damit sei das KAG für die Erhebung von Kitagebühren als Ermächtigungsgrundlage untauglich,
  • die ausdrücklich hierauf gestützte Kita-Satzung damit nichtig.

(OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.10.2017 - 6 A 15.15).

Ca. 2.000 Eltern von unzulässigen Gebühren betroffen

Nach dem Urteil kann die Mutter die bisher von ihr gezahlten Kita-Gebühren rückwirkend zurückverlangen. Würden sämtliche ca. 2.000 von der Kita-Satzung in Rathenow betroffenen Eltern ihre Beiträge zurückverlangen, so hätte die Stadt mehrere Millionen Euro zurückzuzahlen

Stadt Rathenow setzt auf die Bestandskraft erlassener Bescheide

Der stellvertretende Bürgermeister der Stadt, Hans-Jürgen Lemle, teilt diese Befürchtung allerdings nicht. Er verweist darauf, dass nur derjenige einen Rückzahlungsanspruch habe, der innerhalb der vorgeschriebenen Frist gegen den jeweils erlassenen Gebührenbescheid Widerspruch eingelegt hat. Alle anderen Bescheide seien bestandskräftig geworden. Lediglich eine begrenzte Ausnahme betreffend die Rückzahlung der nach dem Urteil zu Unrecht eingepreisten kalkulatorischen Zinsen sei denkbar. 

Es wird von Rechtsanwälten allerdings die Ansicht vertreten, ein Widerspruch sei überflüssig, da Eltern darauf vertrauen konnten, dass die Bescheide wirksam waren. Bei einer Überprüfung spielt auch die Höhe der Gebühren, die auf einer unhaltbaren Rechtsgrundlage bezogen wurden,  eine Rolle.

Der Kita-Elternbeirat Oberhavel hat ein Formular online gestellt, mit dem Eltern in den fraglichen Kommunen ihre Gebührenbescheide nach 3 44 SGB X überprüfen lassen können.

Problembewusstsein anderer Gemeinden ist bereits geschärft

Interessant bleibt darüber hinaus die Frage, ob in den Gebührensatzungen der Gemeinden in anderen Bundesländern ähnliche Probleme schlummern. Einige Gemeinden haben wohl bereits vorsorglich Verwaltungsjuristen auf die Untersuchung dieser Frage angesetzt.

Hintergrund:

Vor überstürzter Begeisterung bei Eltern ist zu warnen, weil die Gebühren der Träger auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen können. Ein Antrag auf Überprüfung an den Träger bringt aber auch darüber Klarheit.

Schlagworte zum Thema:  Kinderbetreuung, Gebühren, Amtshaftung