OLG zur Auslegung von Testamenten bei Lebenspartnern

Die testamentarische Erbeinsetzung eines nicht eingetragenen Lebenspartners beinhaltet nicht zwangsläufig die Vorstellung des Testierenden, dass dies für den Fall einer neuen Beziehung des Partners unter keinen Umständen Bestand haben soll.

Die Entscheidung des OLG Oldenburg betrifft einen Fall, in dem der testamentarisch eingesetzte Lebenspartner nach der stationären Unterbringung des Testierenden in einem Pflegeheim wegen fortgeschrittener Demenz eine Ehe mit einem neuen Lebenspartner eingegangen ist.

Neuer Ehepartner nach Demenzerkrankung des Erblassers

Der Erblasser hatte im Juni 2005 seinen nicht eingetragenen Lebenspartner sowie seine Tochter aus einer vorherigen Ehe zu Erben eingesetzt. Im Oktober 2016 wurde der Erblasser wegen fortgeschrittener Demenz in eine Klinik eingeliefert und anschließend in einer Pflegeeinrichtung betreut. Im August 2020 ging der zum Erben eingesetzte Lebenspartner eine Ehe mit einem neuen Lebenspartner ein. Bis zu dessen Tode im Jahr 2021 besuchte der testamentarische Erbe seinen ehemaligen Lebenspartner wöchentlich im Pflegeheim.

Tochter erklärt Anfechtung des Testaments wegen Motivirrtums

Dem Antrag des zum Erben eingesetzten Lebenspartners auf Erteilung eines Erbscheins trat die ebenfalls testamentarisch als Erbin eingesetzte Tochter entgegen. Sie vertrat die Auffassung, bereits die Auslegung des Testaments ergebe, dass der Erblasser den Antragsteller unter der Voraussetzung des Fortbestandes der Lebenspartnerschaft bis zum Tode zum Erben eingesetzt habe. Hilfsweise erklärte die Tochter im Hinblick auf die noch vor dem Tode ihres Vaters erfolgte Eheschließung des Antragstellers die Anfechtung des Testaments wegen Motivirrtums.

Tochter wendet sich gegen Erbscheinerteilung an ehemaligen Lebenspartner

Das für die Erteilung des Erbscheins zuständige AG hat die für die Erteilung des Erbscheins an den Antragsteller sowie an die Tochter erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde der Tochter hat das OLG zurückgewiesen.

Testamentsauslegung spricht nicht gegen Fortgeltung der Erbeinsetzung

Nach Auffassung des OLG ist das Testament des Erblassers aus dem Jahr 2005 nicht dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller nur unter der Bedingung des Fortbestandes der Lebenspartnerschaft bis zum Tode Erbe sein solle. Die Vorstellung einer Lebenspartnerschaft bis zum Tode ergebe sich weder aus dem Text des Testaments noch aus sonstigen Umständen. Jedenfalls habe die Tochter keine Äußerungen des Erblassers oder sonstigen Umstände vorgetragen, aus denen ein entsprechender Wille des Erblassers abgeleitet werden könnte.

Keine wirksame Anfechtung wegen Motivirrtums

Nach der Entscheidung des Senats hat die Tochter das Testament auch nicht wirksam wegen Motivirrtums angefochten. Gemäß § 2078 Abs. 2 BGB setze die Anfechtung wegen Motivirrtums die irrige Annahme oder Erwartung des Erblassers des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands voraus. Dabei sei gleichgültig, ob der Irrtum des Erblassers sich auf die Vergangenheit, Gegenwart oder die Zukunft bezieht (BayObLG, Beschluss v. 4.8.2002, 17 BR 58/02). Insoweit trage die Tochter die Feststellungslast für das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen. Umstände, die auf eine Annahme oder Erwartung des Erblassers an den Fortbestand der Partnerschaft schließen lassen, habe die Tochter aber nicht vorgetragen.

Demenzsituation war nicht Gegenstand der testamentarischen Verfügung

Das OLG gestand der Tochter zu, dass der Erblasser bei Errichtung des Testaments mutmaßlich die Vorstellung hatte, dass er und der Antragsteller eine dauerhafte Lebenspartnerschaft führen würden. Weder der Text des Testaments noch sonstige Umstände belegten jedoch, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits eine Vorstellung über eine mögliche Demenz und eine hierdurch erforderliche Pflegesituation gehabt habe. Auch ein Pflegemotiv im Sinne einer häuslichen Pflege durch den Lebenspartner sei weder dem Testament noch den Umständen zu entnehmen.

Lebenspartnerschaft endete durch faktische Gegebenheiten

Auch das Partnerschaftsmotiv beinhaltete nach der Bewertung des Senats nicht die Vorstellung des Erblassers über die Auswirkungen einer schweren Demenzerkrankung auf die bisher gelebte Partnerschaft. Bis zur Einweisung des Erblassers in das Pflegeheim hätten der Erblasser und der Antragsteller die Lebenspartnerschaft ohne Einschränkung gelebt. Die Lebenspartnerschaft habe ja nicht durch schuldhaftes Verhalten des Antragstellers geendet, vielmehr habe die Lebenspartnerschaft infolge der schweren Demenzerkrankung faktisch ihr Ende gefunden und sei ohne schuldhafte Anteile einer Seite praktisch nicht mehr lebbar gewesen.

Keine wirksame Testamentsanfechtung

Vor diesem Hintergrund war nach Auffassung des Senats kein Wille des Erblassers dahingehend feststellbar, dass dieser in einem solchen Fall die Erbeinsetzung seines bisherigen Lebenspartners nicht gewollt habe. Die partnerschaftliche Beziehung sei im übrigen auch bis zum Tod nicht komplett beendet gewesen, wie sich an den wöchentlichen Besuchen des Antragstellers im Pflegeheim gezeigt haben. Danach seien im Ergebnis die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Testaments gemäß 2078 Abs. 2 BGB nicht gegeben.

Beschwerde zurückgewiesen

Im Ergebnis war nach Auffassung des OLG der Beschluss des AG, wonach die erforderlichen Tatsachen für die Erteilung des Erbscheins festgestellt sind, gerechtfertigt und die hiergegen eingelegte Beschwerde der Tochter zurückzuweisen.

(OLG Oldenburg, Beschluss v. 26.9.2022, 3 W 55/22)

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