A. Schutzzweck.

 

Rn 1

Der Grund für die über §§ 138, 242 hinausgehende richterliche Inhaltskontrolle von AGB liegt im einseitigen Ausnutzen der Vertragsgestaltungsfreiheit durch den Verwender (BGH NJW 10, 1131). Dies birgt die Gefahr der unangemessenen Risikoabwälzung auf den Kunden (BGHZ 130, 50). Die richterliche Kontrollkompetenz dient als Korrektiv dafür, dass aufgrund des meist fehlenden Konditionenwettbewerbs die Richtigkeitsgewähr des Vertragskonsenses nicht gewährleistet ist (Lieb AcP 178, 203). Sie kann nur bei freiem Aushandeln (§ 305 I 3) der Vertragsbedingungen durch die Vertragsparteien angenommen werden (s § 305 Rn 11). Die §§ 305 ff schützen dagegen nicht den Verwender vor für ihn nachteiligen Rechtsfolgen seiner eigenen Regelung (BGH NJW-RR 17, 1356 [BGH 20.09.2017 - VIII ZR 250/16] Rz 19; BAG NZA 21, 792 Rz 19). S zu den Besonderheiten des unternehmerischen Geschäftsverkehrs § 305 Rn 13, § 307 Rn 29 ff, § 310 Rn 2 f. Die §§ 305 ff sind zwingendes Recht (BGH NJW 14, 1725 [BGH 20.03.2014 - VII ZR 248/13]).

B. Entwicklung der Inhaltskontrolle.

 

Rn 2

Mit Wirkung v 25.7.96 wurde die RL 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen v 5.4.93 (ABlEG 1993 L 95/29; Brandner/Ulmer BB 91, 701) in das deutsche AGB-Recht umgesetzt (BGBl 96 I, 1013; Heinrichs NJW 96, 2190). Der Verbraucherschutz gehört damit heute zum Schutzzweck des AGB-Rechts (BGH NJW 03, 890 [BGH 29.11.2002 - V ZR 105/02]). Die §§ 305 ff sind richtlinienkonform auszulegen, soweit es um einen Verbrauchervertrag nach § 310 III geht (EuGH ZIP 00, 1165; Hau IPRax 01, 96 ff). Vgl allg Einl Rn 35. Verbraucher sind dabei nur natürliche Personen (BGH NJW 17, 2752 [BGH 30.03.2017 - VII ZR 269/15] Rz 31). Das formelle AGB-Recht wurde mit der Schuldrechtsreform in das UKlaG (BGBl 01 I, 3138 ff) übernommen. § 1 UKlaG schützt abstrakt gegen den Inhalt von AGB, die nach §§ 307–309 unwirksam sind (Köln NJW-RR 03, 316 [OLG Köln 18.09.2002 - 5 U 75/02]).

C. Anwendungsbereich.

I. Sachlich; persönlich.

 

Rn 3

Der sachliche Anwendungsbereich wird positiv durch § 305 I 1 und negativ durch § 305 I 3 (§ 305 Rn 11), § 305b und § 310 IV 1 (§ 310 Rn 14) festgelegt. Umgehungskonstruktionen, etwa auf der Grundlage gesellschaftsrechtlicher Beziehungen oder interner Anweisungen, werden von § 306a erfasst (§ 306a Rn 2). Der persönliche Anwendungsbereich einiger Vorschriften wird, bspw für den unternehmerischen Geschäftsverkehr, durch § 310 I, II eingeschränkt (§ 310 Rn 2 ff).

II. Zeitlich.

 

Rn 4

Nach Art 229 § 5 EGBGB gelten die §§ 305 ff für alle Schuldverhältnisse, die nach dem 31.12.01 entstanden sind. Vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Verträge unterfallen dem AGBG (BGH NJW 04, 1104 [BGH 22.01.2004 - III ZR 68/03]). Auf vor dem 1.1.02 abgeschlossene Dauerschuldverhältnisse sind ab dem 1.1.03 die §§ 305 ff anwendbar. Bei Arbeitsverträgen kann dies die ergänzende Vertragsauslegung als Maßnahme des Vertrauensschutzes rechtfertigen (§ 305c Rn 20 aE). Klauseln, die den zeitlichen Anwendungsbereich abw von Art 229 § 5 EGBGB regeln, sind nach § 307 II Nr 1 unwirksam (BRHP/Becker § 305 Rz 6).

III. International.

1. Verträge mit Auslandsbezug.

 

Rn 5

Die §§ 305 ff sind aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender (BGH NJW 03, 2605 [BGH 10.04.2003 - VII ZR 314/01]) Wahl des deutschen Rechts durch die Parteien (Art 3 I, II ROM I), aufgrund objektiver Anknüpfung nach Art 4 ROM I oder aufgrund der Sonderanknüpfung der Art 6 I ROM I, Art 46b EGBGB (kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz) anwendbar, s Art 6 ROM I Rn 2 ff, Art 46b EGBGB Rn 6.

 

Rn 6

Im unternehmerischen Geschäftsverkehr sind die §§ 305 ff keine international zwingenden Normen iSv Art 9 ROM I (Schlechtriem FS Lorenz, 571 f; Wolf ZHR 89, 302 f zu ex Art 34 EGBGB). Zu Verträgen, die dem CISG unterliegen, s § 305 Rn 18, 32.

 

Rn 7

Auf Individualarbeitsverträge finden die zwingenden AGB-rechtlichen Bestimmungen (s § 310 IV 2) auch bei abw Rechtswahl unter den Voraussetzungen des Art 8 I ROM I Anwendung.

2. Verträge ohne Auslandsbezug.

 

Rn 8

Bei Binnensachverhalten kommen über Art 3 III ROM I die zwingenden AGB-rechtlichen Regelungen auch dann zur Anwendung, wenn diese Verträge einem fremden Recht unterstellt werden (Stoffels Rz 234).

D. Verhältnis zu anderen Vorschriften.

 

Rn 9

§ 134 ist anwendbar, wenn AGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen (MüKo/Wurmnest Vor § 307 Rz 9). In einem Verstoß gegen § 134 liegt zugleich eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 I, denn von zwingendem Gesetzesrecht darf durch AGB nicht abgewichen werden (BGHZ 153, 16; NJW 03, 293).

 

Rn 10

§ 138 ist anwendbar, wenn die Sittenwidrigkeit auf anderen als den in §§ 307 ff genannten Umständen beruht (BGH ZIP 96, 960). Das Urt der Sittenwidrigkeit nach § 138 I kann durch die Verwendung unwirksamer AGB mit beeinflusst werden (BGH NJW 81, 1209 [BGH 12.03.1981 - III ZR 92/79]; 04, 163 [BGH 20.10.2003 - II ZB 31/02] für Arbeitnehmerbürgschaft; MüKo/K.P. Berger § 488 Rz 114 für Gelddarlehensvertrag). In Fällen insgesamt krass einseitiger AGB kann der Vertrag ausnahmsweise nach § 138 nichtig sein (BGH NJW-RR 03, 1060; NJW 01, 2468 [BGH 26.04.2001 - IX ZR 337/98]). Zur Unwirksamkeit einzelner Klauseln nach § 138 in einem ansonsten unbedenklichen Vertrag s § 306 Rn 3. Zu § 139s §...

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