Rn 2

Der Gesetzeswortlaut (›verlangen‹) stützt sich auf vier wesentliche Begriffe: ›Eigentümer, Besitzer, Herausgabe und Sache‹. Voraussetzung ist, dass der Anspruchsgegner eine fremde Sache rechtsgrundlos besitzt. Irrelevant ist, aus welchem Grund der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache erlangt hat. Soweit kein Besitzrecht gem § 986 oder ein Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 (mehr) besteht, liegt die Vindikationslage vor: Der Besitzer muss auf Verlangen des Eigentümers ihm die Sache herausgeben.

I. Eigentümer.

 

Rn 3

Der Eigentümer ist als Inhaber des umfassenden Rechts an einer Sache (= dingliches Vollrecht) Anspruchsgläubiger. Eine gestufte, dem Besitzrecht ähnliche, Hierarchie iSv unmittelbarer, mittelbarer Besitzer bzw Besitzdiener besteht dabei nicht. Wirtschaftliche bzw steuerrechtliche Zuordnungsfragen – zB Leasinggeber oder Sicherungsnehmer – spielen keine Rolle. Zu unterscheiden ist jedoch zwischen dem Allein- und dem Miteigentümer (Bruchteilseigentümer, §§ 1008–1011), ferner dem Gesamthandseigentümer (zB § 2039), dem Sicherungseigentümer (auch Treuhandseigentümer) und weiter dem Vorbehalts- sowie dem Wohnungseigentümer, § 13 I WEG (BGHZ 49, 250 = NJW 68, 499). Im Gegensatz zu § 861 I und § 1007 I, II ist bei § 985 irgendein vorheriger Besitz des Eigentümers nicht zwingend, um den Herausgabeanspruch geltend zu machen. Denn das Eigentum beschreibt die rechtliche und der Besitz die tatsächliche Herrschaft über eine Sache. Dem Eigentümer gleichgestellt sind der Nießbraucher, § 1065, der Pfandrechtsgläubiger, § 1227, und der Erbbauberechtigte, § 11 I ErbbauV.

 

Rn 4

Ob der Anwartschaftsberechtigte den dinglichen Herausgabeanspruch geltend machen kann, ist str (BeckOGK/Fritzsche § 985 Rz 7 mwN). Dem Wortlaut nach ist mangels Eigentümerstellung kein Anspruch gegeben. Die Anwartschaft selbst stellt kein dingliches Recht an der betreffenden Sache dar (BGHZ 10, 69 = NJW 53, 1099). Schutz bieten dem Anwartschaftsberechtigten schon die §§ 861, 1007 – zumal § 1007 III 2 ausdrücklich die §§ 986–1003 für entspr anwendbar erklärt –. Eine analoge Anwendung des § 985 ist somit nicht notwendig und mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht zulässig. Zusätzlich kann das Herausgabeverlangen im Wege einer – auch konkludenten – Ermächtigung nach § 185 zur Vindikation für den (Noch-)Eigentümer geltend gemacht werden (MüKo/Baldus § 985 Rz 7). Die Eigentümerstellung muss erst zum Zeitpunkt der Erfüllung der Herausgabepflicht bestehen. Zur prozessualen Situation s.u. G.

II. Besitzer.

 

Rn 5

Der vom Herausgabeanspruch des Eigentümers Betroffene ist natürlich der Besitzer, also wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache erworben und diese nicht wieder aufgegeben oder in anderer Weise verloren hat, § 856 I. Besitzdienerschaft, § 855, oder eine ihrer Natur nach nur vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der tatsächlichen Gewalt ändern an der Besitzerstellung nichts, § 856 II. Die Besitzform ist unerheblich: Besitzer ist sowohl der Eigen- als auch der Fremdbesitzer, § 872; der Teilbesitzer, § 865; der Mitbesitzer, § 866; der unmittelbare und der (auch mehrstufige) mittelbare Besitzer, §§ 868, 871; gleichgültig, ob gut- oder bösgläubig: Entscheidend ist letztlich allein, ob es sich um einen (noch) berechtigten oder (schon) nicht (mehr) berechtigten Inhaber der tatsächlichen Gewalt über eine (un)bewegliche Sache handelt.

 

Rn 6

Mitbesitzer, § 866, haften bei Mitbesitz nur auf Herausgabe des jeweiligen Besitzanteils: Eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 431 entfällt, weil es sich dabei nicht um eine unteilbare Leistung handelt. Ebenso beim qualifizierten Mitbesitz: Hier kann die Sache nur ungeteilt herausgegeben werden. Dabei sind unterschiedliche Herausgabehandlungen erforderlich, welche ausschl von den zur Herausgabe verpflichteten Mitbesitzern vorgenommen bzw verlangt werden können. Bei Gesamthandsgemeinschaften, zB Vereinen, wird der Besitz durch die Organe ausgeübt. Hingegen besteht bei der Erbengemeinschaft Mitbesitz aller Miterben, § 857. Bei der Gütergemeinschaft kommt es auf die Verwaltungsregelung an.

III. Sache.

 

Rn 7

Sachen sind laut Gesetz nur körperliche Gegenstände, § 90, gleich, ob beweglich (Mobiliar) oder unbeweglich (Immobiliar), vertret- oder verbrauchbar, §§ 91, 92, bzw ein nicht wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks, § 95 oder auch Zubehör, § 97 (s § 90 Rn 2 ff). Ein Herausgabeanspruch gem § 985 besteht auch für Tiere gem § 90a. Auch Geldscheine und -münzen sind Sachen. Sobald eine Vermischung mit Geldzeichen anderer Eigentümer erfolgt, kann Miteigentum entstehen, §§ 948, 947. Eine Geldwertvindikation nach § 985 ist umstr. Dem Anspruchsgläubiger kommt es zunächst nicht auf bestimmte Geldzeichen, sondern nur deren Wert an. Dennoch handelt es sich dabei nicht um eine individualisierbare körperliche Sache. In solchen Konstellationen sind Ansprüche aus Bereicherungsrecht möglich, § 812 (MüKo/Baldus § 985 Rz 73 ff).

IV. Herausgabe.

 

Rn 8

Herausgabehandlungen setzen aktives Tun des Besitzers und nicht nur passives Dulden einer Wegnahme voraus, wie auch der U...

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