Gesetzestext

 

Der Besitz geht auf den Erben über.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Regelung stellt eine bewusste und gewollte Ausnahme des § 854 dar, also einen Fall des Besitzes ohne jede Sachherrschaft. Dem liegt der gesetzgeberische Wunsch zu Grunde, Sachen des Nachlasses nicht besitzlos werden zu lassen. Damit ist der Schutz des Erben und seiner besonders gefährdeten Erbschaftsgegenstände verbunden. § 857 gilt für jede Besitzart (s.o. § 854 Rn 6); er gilt darüber hinaus auch für den mittelbaren Besitz. Strikt zu trennen von § 857 ist der Erbschaftsbesitz nach § 2018.

B. Die Besitzlage im Erbfall.

 

Rn 2

Die Anwendung von § 857 setzt voraus, dass der Erblasser im Todeszeitpunkt selbst Besitzer der Sache war und dass ein Übergang dieses Besitzes tatsächlich möglich erscheint. Mit dem Tod des Erblassers endet die tatsächliche Gewalt. In diesem Zeitpunkt müsste an sich in vielen Fällen eine vorübergehende Besitzlosigkeit und damit eine gewisse Schwebelage eintreten. Wegen § 857 geht aber der Besitz auf den Erben über, selbst wenn dieser weder den Tod des Erblassers noch seine eigene Erbenstellung noch die Existenz der konkreten Sache kennt. Darin zeigt sich, dass dieser Besitz rein fiktiv ist und lediglich in einer Zurechnung von Rechtswirkungen besteht. Der Erbenbesitz ist kein Gewahrsam iSd §§ 808, 809, 885, 886 ZPO (BVerfG NJW 20, 3376 [BGH 30.04.2020 - I ZB 61/19]).

C. Wirkungen.

 

Rn 3

Dem Erben stehen alle Besitzschutzansprüche ab dem Todeszeitpunkt des Erblassers zu. Bei einer Inbesitznahme durch Dritte ist die Sache dem Erben abhandengekommen (§ 935). Schließlich stehen dem Erben alle Vermutungswirkungen zur Seite (§ 1006).

 

Rn 4

Kommt es nach erbrechtlichen Regelungen zum Verlust der Erbenstellung (Ausschlagung, Anfechtung, Erbunwürdigkeit), so ist damit der Verlust des Besitzes gem § 857 verbunden. Mit der Erlangung der tatsächlichen Gewalt durch den Erben endet ebenfalls der Erbenbesitz gem § 857 und es liegt nunmehr ein Besitz iS von § 854 vor.

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