Rn 1

Infolge eines fristgerechten (dazu Rn 11) Widerrufs sind der Verbraucher und der Unternehmer ›an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden‹, I 1 (dazu Petersen FS Leenen [12], 219). Damit geht das Gesetz entgegen der früher hM davon aus, der Vertrag sei zunächst wirksam zustande gekommen. Beide Parteien können also vorerst Erfüllung verlangen, und hinsichtlich einer Sachleistung hat der Empfänger wenigstens ein Recht zum Besitz (§ 986). Der Widerruf bedeutet dann ähnlich der Rücktrittserklärung (§ 349) ein Gestaltungsrecht, das die Wirksamkeit der Erklärung des Verbrauchers (und damit idR des durch diese begründeten Vertrages) für die Zukunft beendet. Als Gestaltungsrecht ist der Widerruf ebenso wie die Erklärung des Rücktritts selbst nach Zugang (§ 130 I 2) unwiderruflich (BGH WM 18, 45 Rz 29) und bedingungsfeindlich (vgl § 349 Rn 2). § 218 I 1 ist nicht analog anwendbar (BGH WM 17, 2259 Rz 18 mN). Das Widerrufsrecht ist als vertragsbezogenes Gestaltungsrecht grds nach §§ 398, 413 übertragbar, jedoch nur zusammen mit einem aufschiebend bedingten Rückgewähranspruch (BGH WM 18, 2128 Rz 26 ff, für § 495). Wegen Art 12 VRRL (dazu Rn 5) bestimmt I ausdrücklich, dass sowohl der Verbraucher als auch der Unternehmer nach fristgerechtem Widerruf an ihre Willenserklärungen nicht mehr gebunden sind (vgl § 355 aF, dort war nur der Verbraucher genannt). Diese Erweiterung hat allein klarstellende Funktion (vgl insoweit BTDrs 17/12637, 59 f).

 

Rn 2

Das Widerrufsrecht will den Verbraucher vor übereilten oder in den Konsequenzen schwierig zu beurteilenden Verträgen schützen. Es bedarf daher im Gegensatz zum Rücktritt keines eigenen Grundes, I 4. Daher kann es einem Verbraucher nicht zum Nachteil gereichen, wenn der Widerruf aus Motiven erklärt wird, welche mit Sinn und Zweck der Einräumung des Widerrufsrechts nicht (vollständig) in Einklang zu bringen sind (vgl BGH NJW 16, 1951 Rz 20; zust Mankowski JZ 16, 787; Wendehorst NJW 16, 1952 [BGH 16.03.2016 - VIII ZR 146/15]). Unschädlich ist insbesondere, dass der Widerruf aus rein wirtschaftlichen Gründen erfolgt (BGHZ 211, 105 Rz 20; 211, 123 Rz 45 ff; BGH 26.9.17, XI ZR 545/15 – juris Rz 20). Allerdings wurde teilweise aus dem Umstand, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht dazu einsetzt, um günstigere Vertragskonditionen zu erwirken, auf die Rechtsmissbräuchlichkeit seines Tuns geschlossen (Schleswig BeckRS 16, 118384; BGH VuR 17, 317 hat dies nicht beanstandet). Hierfür hat sich der Begriff des ›Widerrufsjokers‹ eingebürgert (Piekenbrock GPR 20, 31; Aßfalg GPR 22, 77). Beruft sich der Verbraucher aber auf einen Sachmangel oder auf Verzug, so kann unabhängig von den gewählten Worten auch ein Rücktritt nach den §§ 323, 326 V gemeint sein. Bedeutung hat das va bei Versäumung von Form oder Frist nach I 2, 3 und 5, aber etwa auch wegen §§ 357a I, 357b II, 357c II.

 

Rn 3

Das Widerrufsrecht besteht auch dann, wenn der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist (BGHZ 183, 235 unter Berufung auf die Lehre von den Doppelwirkungen im Recht; dazu Schreiber AcP 211, 35; Petersen JZ 10, 315; Lorenz GS M. Wolf 11, 77; Herbert JZ 11, 503; Würdinger JuS 11, 769). Dadurch wird der Verbraucher bessergestellt als er über die kondiktionsrechtliche Rückabwicklung stünde. Eine Ausnahme soll nach § 242 nur bei besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers gemacht werden, etwa im Falle von arglistigem Handeln des Verbrauchers (BGH aaO).

 

Rn 4

Ein Widerruf soll dann nicht mehr möglich sein, wenn sich durch Vorlage eines Ablösungsauftrages (Umschuldung) die Kündigung des (ursprünglichen) Kreditvertrages ergibt und dieser keinen Bestand mehr hat (Düsseldorf WM 15, 718 Rz 31 ff; s bereits Ddorf BKR 12, 240). Wird gegen den Verbraucher ein Vollstreckungstitel erwirkt, muss er den Widerspruch innerhalb der Einspruchsfrist des § 700 I ZPO geltend machen; einer Geltendmachung erst iRd Vollstreckungsgegenklage steht § 767 II ZPO entgegen (BGHZ 225, 44 Rz 13 ff).

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