1. Abgrenzung ggü Zeugen.

 

Rn 6

Der Zeuge berichtet Wahrnehmungen, die er in der Vergangenheit ohne gerichtlichen Auftrag gemacht hat. Bedurfte er dazu besonderer Sachkunde, so ist er sachverständiger Zeuge, § 414 (zur Abgrenzung vom SV § 414 Rn 2; auch dieser kann den SV idR nicht ersetzen, Kobl MedR 05, 473, 474 [OLG Koblenz 19.05.2005 - 5 U 1470/ 04] zum Arzthaftungsprozess). Der SV hingegen wird vom Gericht wegen seiner besonderen Sachkunde beauftragt. Er berichtet nicht über Erlebtes, sondern Erlerntes und ist deshalb grds austauschbar (BVerwG NJW 11, 1983). Zur Abgrenzung des SV vom Zeugen vgl BGH NJW 93, 1796; 07, 2122; 13, 3570, 3572; BVerwG NJW 86, 2268; VfGH Berlin VersR 09, 564, 566. Beide Beweismittel können in einer Person zusammentreffen, s § 414 Rn 4; zum Ganzen auch § 373 Rn 9.

2. Abgrenzung ggü Urkundenbeweis, Privatgutachten.

a)

 

Rn 7

Zu Gutachten aus anderen gerichtlichen Verfahren s § 411a; zur ursprünglich fehlenden gerichtlichen Ernennung als SV und deren Nachholung § 407a Rn 6; zur Vernehmung des Erstellers der Urkunde § 411 Rn 17–25; allg zur Ersetzung des Sachverständigenbeweises durch sonstige Gutachten, insb im Wege des Urkundenbeweises, § 355 Rn 10, § 286 Rn 10.

b) Privatgutachten.

 

Rn 8

Sind Sachverständigengutachten, die nicht vom Gericht (§ 404 I), sondern idR von einer Partei oder deren Versicherer vor oder während des Prozesses in Auftrag gegeben werden. Sie sind kein Sachverständigenbeweis iSd §§ 402 ff – werden auch nicht durch Einverständnis der Parteien dazu (Zö/Greger vor §§ 402 ff Rz 3; aA BGH NJW 97, 3381, 3382; R/S/G § 122 Rz 14) – und können auch nicht gem § 411a verwertet werden, sondern sind qualifizierter, urkundlich (§§ 415 ff) belegter Teil des Parteivorbringens (vgl BGH NJW 09, 2894, 2895; 97, 3381, 3382), das nicht übergangen werden darf (BGH VersR 11, 1202: Art 103 I GG). Gleiches gilt für Gutachten von Schlichtungsstellen, etwa der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der (Landes-)Ärztekammern (BGH NJW 19, 2399 = MedR 19, 951 [BGH 12.03.2019 - VI ZR 278/18] m Anm Laumen; näher zum Beweiswert § 415 Rn 6–8). Ein solches Gutachten macht die Erhebung des Sachverständigenbeweises durch Einholung eines gerichtlichen Gutachtens idR nicht entbehrlich. Das kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn es für die zuverlässige Beantwortung der Beweisfrage (§ 286) ausreichend ist (wohl aA Kobl MedR 11, 820 [OLG Koblenz 24.07.2009 - 5 U 510/09] m abl Anm Achterfeld). Dies ist nicht der Fall, wenn einzelne Fragen offenbleiben (BGH MedR 09, 342, 343 = VersR 08, 1216, 1217; 93, 749, 750) oder eine Partei substantiierte Einwendungen erhebt (BGH VersR 09, 698, 699; NJW 87, 2300: Rüge mangelnder Sachkunde). Eine Vernehmung des Privatgutachters als sachverständiger Zeuge (§ 414) zu seinen Tatsachenfeststellungen ist möglich (Zö/Greger vor §§ 402 ff Rz 3), nicht jedoch gem § 411 III (BGH NJW 93, 2989, 2990 [BGH 15.06.1993 - VI ZR 175/92]). Die dafür erforderliche Ernennung zum SV (§ 404 I) wird häufig wegen – jedenfalls aus subjektiver Sicht – problematischer Neutralität (§ 406) nicht zweckmäßig sein. Die Parteien können die Tatsachen entspr dem Gutachten unstr stellen. Zur Kostenerstattung über § 91 s BGH VersR 09, 280; Hattemer/Rensen MDR 12, 1384, 1386 ff.

c)

 

Rn 9

Die gleichwohl nicht unerhebliche Bedeutung von Privatgutachten in der Praxis ergibt sich aus ihrer Rolle bei der Beweiswürdigung gerade auch in Bezug auf ein gerichtliches Gutachten, etwa wenn Widersprüche bestehen (BVerfG NJW 97, 122, 123: Art 103 I GG; BGH VersR 14, 895, 897; NJW 15, 411, 412 = MedR 15, 420, 421; NJW-RR 19, 841; BGHZ 222, 44, 53 f = NJW 19, 3001, 3003 m Anm Bellinghausen/Krause NJW 19, 2978; s.o. Rn 4, § 411 Rn 17, § 412 Rn 1, 4). Dies gilt auch, wenn dieses gerichtliche Gutachten in einem selbstständigen Beweisverfahren erstattet worden ist (BGH NJW 17, 3661 [BGH 17.05.2017 - VII ZR 36/15]). Die Parteien haben ein Recht auf Anwesenheit ihres Privatgutachters bei der Beweisaufnahme (§ 357, faires Verfahren, ›Waffengleichheit‹). Dieser hat aber kein Fragerecht nach § 397, eine Gestattung ist nach richterlichem Ermessen möglich (MüKoZPO/Zimmermann § 402 Rz 9).

3. Abgrenzung ggü Schiedsgutachten.

 

Rn 10

Der Schiedsgutachter wird von den Parteien durch Schiedsgutachtervertrag zur grds verbindlichen Feststellung von entscheidungserheblichen Tatsachen oder auch vorgreiflichen Rechtsfragen bestellt (vgl § 1025 Rn 24, § 1029 Rn 11). Die §§ 402 ff sind nicht anwendbar (Ddorf OLGR 95, 12). S.a. § 485 Rn 4.

4. Abgrenzung ggü amtlicher Auskunft.

 

Rn 11

Die amtliche Auskunft ist an verschiedenen Stellen in der ZPO erwähnt, etwa in §§ 273 II Nr 2, 358a S 2 Nr 2, s.a. §§ 437 II, 118 II 2 und § 236 FamFG, weiter § 44 III, II: dienstliche Äußerung, § 432 zur Beiziehung behördlicher Akten. Es kann sich der Sache nach um Zeugen- oder Sachverständigen-, uU Urkundenbeweis handeln (vgl BGHZ 62, 93, 95 = NJW 74, 701; BGHZ 89, 114, 119 = NJW 84, 438; Bremen OLGR 06, 105: echtes Sachverständigengutachten). Die Vorschriften über die einzelnen Beweisarten des Strengbeweises dürfen nicht umgangen werden. Handelt es sich der Sache nach um einen Sachverständigenbeweis, ist es ein Behördengutachten o...

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