Rn 8

Der Vortrag muss verspätet nach Ablauf einer der in Abs 1 aufgezählten, ordnungsgemäß gesetzten (Rn 11) richterlichen Frist erfolgen. § 296 I nennt:

§ 273 II Nr 1: Frist zur Ergänzung oder Erläuterung klärungsbedürftiger Punkte in vorbereitenden Schriftsätzen

§ 273 II Nr 5 iVm § 142: Frist zur Vorlage von Urkunden, iVm § 144: Vorlage von Augenscheinsobjekten durch eine Partei

§ 275 I 1: Frist (277 III: mindestens 2 Wochen) zur Klageerwiderung vor dem frühen 1. Termin

§ 275 III: Frist (277 III: mindestens 2 Wochen) zur Klageerwiderung im frühen 1. Termin

§ 275 IV: Frist zur Replik auf eine (eingegangene) Klageerwiderung

§ 276 I 2: Frist zur Klageerwiderung im schriftlichen Vorverfahren

§ 276 III: Frist zur Replik auf eine eingegangene Klageerwiderung im schriftlichen Vorverfahren

§ 277 nennt keine eigenen Fristen, sondern zeigt, dass neben rechtzeitigem Eingang auch der dort in Abs 1 und 4 genannte Inhalt erforderlich ist (vgl BVerfG 20.12.18 – 1 BvR 1155/18 Rz 14).

 

Rn 9

Aufgrund ausdrücklicher Anordnung ist § 296 I entsprechend anwendbar durch § 340 III 3 (iVm §§ 340 I, 339): Begründung eines Einspruchs gegen VU (wenn Belehrung nach § 340 III 4 erfolgte); § 411 IV 2: Stellungnahme zu einem schriftlichen Sachverständigengutachten (BGH NJW 10, 2873 [BGH 11.06.2010 - V ZR 85/09] Rz 27); § 530: Berufungsbegründung (s dort); § 697 III 2: Begründung des durch Mahnbescheid geltend gemachten Anspruchs bei Terminsbestimmung, § 700 V: Begründung des geltend gemachten Anspruchs bei Terminsbestimmung. In den Fällen der §§ 697 III 2 und 700 V führt fehlende Begründung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zur Abweisung als unzulässig. Hat der Gläubiger im Anwendungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung die Anmeldefrist schuldlos versäumt, ist § 296 entsprechend anzuwenden; § 234 I 1 gilt nicht (BGH ZIP 07, 974).

 

Rn 10

Auf andere Fälle ist Abs 1 nicht anwendbar, also zB nicht auf vorbereitende (§ 132; vgl BGH NJW 89, 716 [BGH 28.09.1988 - IVa ZR 88/87]) oder nachgelassene (§ 283; vgl BVerfG NJW 92, 679, 680 [BVerfG 10.07.1991 - 2 BvR 206/91]) Schriftsätze (Rn 21), die Beibringung nach § 356 (Rn 35 f), versäumte Vorschusszahlungen (§§ 379, 402; vgl BGH NJW 17, 2288 [BGH 31.05.2017 - VIII ZR 69/16] Rz 16; 82, 2559, 2560; Rn 35), eine verspätete Anspruchsbegründung im Mahnverfahren ohne Terminsbestimmung (§ 697 I; vgl BGH NJW 82, 1533, 1534 [BGH 16.12.1981 - IVa ZR 282/80]). Ggf greift hier § 296 II.

 

Rn 11

Die Fristsetzung wirkt nur, wenn sie ordnungsgemäß gesetzt wurde: Die in § 296 I aufgeführten Fristen werden ›nur durch eine förmliche Zustellung (§ 329 II 2) einer beglaubigten Abschrift der ordnungsgemäß unterzeichneten Verfügung des Vorsitzenden in Lauf gesetzt‹ (BGH NJW 90, 2389): Die Fristsetzung muss durch den Richter mit vollem Namen unterzeichnet (BGH NJW 80, 1167 f [BGH 13.03.1980 - VII ZR 147/79]; 90, 2389, 2390 [BGH 05.03.1990 - II ZR 109/89]) sein; eine Paraphe reicht nicht (Frankf NJW-RR 11, 1001 [BGH 17.02.2011 - V ZB 205/10]). Für elektronische Dokumente der Parteien gilt § 130a, für gerichtliche elektronische Dokumente gilt § 130b. Die Zuständigkeitsregeln zwischen Gericht (Fall des § 275 III, IV 1) und dem Vorsitzenden (Fälle der §§ 273 II Nr 1 und Nr 5; 275 I 1; 276 I 2, III) sind zu beachten. Die Fristsetzung muss, wenn sie nicht verkündet wurde, dem, ggü dem sie gesetzt wird, förmlich zuzustellen sein (§ 329 II 2, s § 329 Rn 28); eine bloße Mitteilung der Geschäftsstelle genügt nicht (BGH NJW 09, 515 [BGH 23.09.2008 - VIII ZR 85/08]). Die Fristsetzung muss eindeutig sein und über die geforderten Auflagen und den Fristbeginn und das Fristende Gewissheit verschaffen (BGH NJW 90, 2389, 2390 [BGH 05.03.1990 - II ZR 109/89]). Betrifft die Frist etwa die Stellungnahme zu einem Gutachten, ist durch sie neuer Vortrag, der sich nicht auf das Gutachten bezieht, nicht erfasst (BGH 16.5.17 – VI ZR 89/16 Rz 10 ff). Die Fristdauer muss wenigstens dem gesetzlichen Mindestzeitraum entsprechen. In den Fällen des §§ 276 II und 277 II, IV und wohl auch in dem des § 697 III 2 muss, selbst ggü der anwaltlich vertretenen Partei, eine eindeutige Belehrung über die Folgen der (schuldhaften) Fristversäumnis enthalten sein (BGH NJW 83, 822, 824 [BGH 12.01.1983 - IVa ZR 135/81]), so dass die betroffene Partei keiner Fehlvorstellung über die Wirkung des Fristablaufs unterliegen kann (BGH 17.10.07 – IV ZR 56/07 Rz 7; KG NJW-RR 08, 371, 372 [KG Berlin 14.06.2007 - 20 U 5/06]; § 277 Rn 7). Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes genügt ggü der Partei nicht; ggü dem RA reicht ein klarer Hinweis auf § 296. Die Einhaltung der strengen Förmlichkeiten, an die das Gesetz die Möglichkeit der Präklusion knüpft, ist vAw zu beachten. Ihre Verletzung ist nicht nach § 295 I (§ 295 Rn 5), ggf aber nach § 189 (s § 295 Rn 5, § 189 Rn 2 f), heilbar. Im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Fristsetzung kann ggf § 296 II greifen.

 

Rn 12

Die Frist hat angemessen bemessen zu sein. Sie muss objektiv ausreichen, um im Einzelfall eine sachlich fundierte Äu...

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